Bosnien – Eine Reise (12): Auf dem Weg in die Herzegowina

Nun also geht es in die Herzegowina. Gen Mostar zu fahren, heißt, allerdings auch Sarajevo zu verlassen,  nicht ohne insgeheim ein Wiederkommen zu versprechen und dann die Autobahn nach Süden zu nehmen. Es sind nur wenige Kilometer, kaum 40, dann geht es auf Landstraßen weiter, die Autobahn nach Süden wird etappenweise weitergebaut. Zunächst also geht es durchs Tal der Trešanica und später das der Neretva, immer wieder gilt es dabei auch, das Gebirge zu überqueren.
In Bradina endet die Autobahn, wir folgen der Landstraße an der Trešanica entlang nach Süden Richtung Konjic. Wieder stehen Händler links und rechts an der Straße und bieten Produkte aus Garten- und Obstanbau an, dazu Honig, Säfe, Sirup und Slivowitz. Ab Konjic geht es weiter entlang der Neretva.
Neretva – ist das nicht der Fluss, von dessen leuchtender, smaragdgrüner Farbe immer alle schwärmen? Eben der!
Und mit Erreichen der Neretva kommen wir auch in die Herzegowina.
Einst war die Herzegowina ein Herzogtum, heute bezeichnet sie nur noch einen Landstrich, die südöstliche Region der Föderation, ist aber kein politisches Gebilde in der komplizierten Struktur des Staates mehr. Teile der Herzegowina gehören zur Republika Srpska, Teile zu Bosnien, hier werden wir eine Region betreten, in der serbische, kroatische und bosnische Bevölkerungsteile leben, gemischt und doch getrennt, misstrauisch einander beäugend, dauerprovozierend und dauerprovoziert.
In Konjic entdecken wir ein Hinweisschild zum Boračko Jezero, einem See, in dem man laut Piktrogramm auch schwimmen kann. Nun liegt dieser nicht unbedingt auf dem Weg nach Mostar. Ist es sinnvoll, einen Abstecher zu machen? Das Wetter ist wunderbar, es ist sonnig und warm, das sind beste Voraussetzungen zum Schwimmen. Allzu lange sind wir noch nicht unterwegs, aber spät weggekommen, weil wir in Sarajevo noch im Tunnelmuseum waren. Es ist ein Für und Wider, das endgültig entschieden wird, als wir in Konjic über die Neretva fahren und links der Hauptstraße folgen. Unser Ziel heißt Mostar. Also kein Boračko Jezero. Kein Schwimmen.

Schlagartig ändert sich der Plan, als wir einige Kilometer weiter südlich am Jablaničko jezero entlang fahren. Was eine Aussicht.
Ich will ins Wasser. Hier und jetzt.
Unbedingt.

Zu lange war ich nicht schwimmen und bisher haben wir die Schwimmtasche nur durch die Gegend gefahren. Das muss sich ändern. Sofort.
Der Jablaničko jezero ist ein künstlicher See, ein sehr schmaler, aber langer Stausee zur Stromerzeugung. Samt der mitgefluteten Seitentäler bringt er es auf 13,3 km2 Fläche.

Wasserzugänge gibt es offenbar am Südufer nur wenige, vieles ist verbaut oder eingezäunt, dann aber entdecken wir in der Ortschaft Ostrožac einen Park- und Badeplatz samt Kiosk. Was will man mehr?
Jetzt gibt es kein Zögern mehr, Stopp!
Die Schwimmtasche wird aus dem Kofferraum geholt; der Obolus für Mann, Frau und Autoparken wird bezahlt, was uns gleich noch zwei Kaltgetränk-Gutscheine einbringt, die im Preis enthalten sind. Das ist ein veritables Geschäftsmodell, was das Parken letztlich wieder günstig macht und dem Getränkestand einen gewissen Umsatz sichert. Von Konsumentenseite aus ist das nicht ganz freiwillig, andererseits hätten wir so oder so ein Wasser oder eine Limo getrunken. Denn ist mittlerweile ganz schön warm am See.
Also flugs rein in die Badeklamotten und ab ins Wasser.

Mein Schwimmziel ist das gegenüberliegende Ufer, das, so schätze ich, höchstens 500 Meter entfernt ist (Google Maps sagt später 350 Meter). Niemand der hier badenden Leute schwimmt so weit, wobei weit sehr relativ ist. Überhaupt hält man sich sehr in Ufernähe auf, das Wasser ist wesentlich etwas kälter als erwartet.
Das macht aber nichts.

Mit Boje am Körper kraule ich los, bin unangenehm überrascht von der kalten Strömung mit der ich aber hätte rechnen müssen, immerhin fließt die Neretva längs durch den See. Das Wasser hat etwas über 20 °C, am Ufer war es deutlich wärmer. Das muss jetzt gehen. Auch ohne Neo.
Also weiter kraulen und so ist das Ufer bald erreicht und der Rückweg angetreten. Selfietime muss ausnahmsweise sein. Schließlich will ich auch die kleine Olympus nicht nur mitgeschleppt sondern auch benutzt haben. Außerdem kann ich die einschlägigen FB-Schwimmgruppen mit der ersten Meldung versorgen:.
Ja, ich war da, ja ich war drin.
In einem See.
In Bosnien Herzegowina.

Und nicht nur in diesem, doch davon später.

Sollte die Zeitschrift swim wieder einmal in den Sozialen Medien abfragen, in wie vielen europäischen Ländern man schon schwimmen war, könnte ich nun ein weiteres auf meiner Liste hinzufügen.

Zurück geht es genauso schnell und locker wie hin, ich muss nur ein wenig auf den Bootsverkehr achten. Manche dieser sonderbaren Gefährte kommen schon sehr nah. Ich ihnen oder sie mir, alles eineFragederPerspektive. Vielleicht wollen die Bootsführer auch nur mal nachschauen, was da leuchtend rot im Wasser schwimmt. Schwimmer, noch dazu mit Boje, sin wohl hier nicht allzu oft zu sehen.
Aber auch ich muss schauen. Denn solche Boote habe ich vorher auch noch nicht gesehen.

Es sind lustige, floßartige Boote mit Außenbordmotor, die man mieten kann, um sich auf dem See herumschippern zu lassen – mit oder ohne Picknick.
Ansonsten gibt es auf dem Jablaničko jezero keine weiteren Boote, nur noch ein paar vertäute am Ufer. Keine Segler, keine Tretboote, Ruderboote, Schlauchboote, nicht ein einziges Stand-Up-Paddle-Board. Nicht, dass ich nur eines davon vermissen würde…

Als ich in Ufernähe bin, kommt meine Frau, die Kameraausrüstung, Geldbeutel, Autoschlüssel usw. am Ufer gehütet hat, auch ins Wasser.

Schon als ich den See verlasse und mich abtrockne, bemerke ich, dass sich im Westen etwas zusammenbraut. Gewitterstimmung. Noch aber fahren die Ausflugsbötchen über den Stausee und so lange die unterwegs sind, droht kein Ungemach. Die ortskundigen Skipper werden schon wissen, wann es sinnvoll ist, ans sichere Ufer zurückzukehren.

Wir lösen die Getränkegutscheine ein, nehmen zusätzlich noch ein Eis und dann geht es zurück ins Auto. Es wird zunehmend schwüler, vom Gewitter sind nur aufgetürmte Wolken zu sehen. Mehr nicht,
Über Jablenica folgen wir dem Tal der Nevretna nach Süden. Gen Mostar.
Die Landschaft ist umwerfend, die Kamera liegt wie eine Dashboardkamera vorn auf der Ablage über dem Handschuhfach. Griffbereit zum Fotografieren aus dem Auto heraus, griffbereit für jeden kurzen Fotostopp.

Ich weiß, wir sind meilenweit entfernt von den Schluchten des Balkans, wie sie Karl May einst beschrieb. Dieser Roman aus dem Orientzyklus ist angesiedelt im heutigen Nordmazdonien, 350 Kilometer weiter südöstlich. Auch ein Land das zu bereisen sicher großartig sein muss.
Trotzdem. Es kommt nicht von ungefähr, dass mir in diesem Tal dieser Buchtitel in den Sinn kommt. Und bei diesem einen Mal wird es nicht bleiben.

Irgendwann weitet sich das Tal, gibt Platz frei für Felder und schließlich Gewerbegebiete. Wir erreichen Potoci. Jetzt ist es nur noch ein Katzensprung nach Mostar.

Tipp/Info für Nachahmer*innen (eigene Erfahrung, Stand 2023):
Pack die Badehose ein, einen Badeanzug oder Bikini, dazu Handtuch, Schwimmbrille, all das, was man braucht, wenn man in einem See schwimmen gehen will. Badeschuhe sind nicht verkehrt, die Ufer der Seen, in denen ich war, waren kiesig, der Kies sehr aufgeheizt durch die Sonne. An einem See gab es zudem ein paar Scherben und Kronkorken am Ufer.
Es gibt in Bosnien sehr viele Seen, es lohnt sich unbedingt, die Reiseroute so zu legen, dass man an dem einen und/oder anderen vorbeikommt. Das entschädigt auch, dass man keinen Urlaub am oder Abstecher zum Meer macht. Zum überaus kurzen bosnischen Küstenabschnitt kann ich nichts sagen, da waren wir nicht. Es gab Wichtigeres anzusehen und zu erleben.

Alle Teile:
Ankündigung
01: Banja Luka
02: Kozara Nationalpark
03: Der Familienfriedhof im Wald
04: Jajce
05: Die Mlinčići am Pliva See / Zenica
06: Sarajevo, eine erste Annäherung
07: Sarajevo, Baščaršija
08: Sarajevo, auf dem Trebević
09: Sarajevo, zwei Moscheen
11: Sarajevo, die einst belagerte Stadt
12: Auf dem Weg in die Herzegowina
13: Mostar, die alte Brücke
14: Mostar, Stadtrundgänge I
15: Mostar, Stadtrundgänge II
16: Blagaj
17: Weiter gen Osten
18: Sutjeska Nationalpark
19: Tjentište, der Außenpool
20: Tjentište, das Theater am Ende der Welt
21: Trebinje
22: Die Bogomilen Nekropole Radimlja
23: Počitelj
24: Studenci, die Kravica Wasserfälle
25: Nordwestwärts
26: Una Nationalpark
Epilog: Nur ein Stuhl?


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