Bosnien – Eine Reise (26): Una Nationalpark

Winfried ist Deutscher, er ist Eigentümer des Hotels am Rand von Ćukovi. Regelrecht ins Schwärmen kommt er, wenn er von dem Una Nationalpark und dem Potenzial spricht, das dieser besitzt. Er ist Investor und Hotelier aus der Münchner Region, einer der anpackt, einer der Geld ins Land bringt, einer der Arbeitsplätze schafft.
Als er in uns Deutsche aus der gleichen Region, aus der auch er stammt, erkennt, spricht er uns abends an und setzt sich zu uns.
Wir kommen ins Plaudern. Nach unseren Plänen für den nächsten Tag fragt er und wir sagen, dass wir vom Hotel aus zum Štrbački Buk wandern wollen. Das sind knapp sechs Kilometer hin und ebensoviel zurück, einmal über eine Hochebene, den schmalen aber langen Una Nationalpark querend.


Die Wasserfälle Štrbački Buk haben Winfried ihm angetan. Begeistert erzählt er, das seien die schönsten im ganzen Land. Nach den Kravica-Fällen fällt es mir etwas schwer, diese Schwärmerei für ernst zu nehmen. Auch frage ich mich, ob er überhaupt die anderen schon gesehen hat. Aber danach erkundige ich mich nicht.
Ebenso begeistert ihn die Hochebene. „Das ist wie eine Alm im Tegernseer Tal, einfach herrlich, ein unglaublicher Ort der Kraft.“
Gerüstet mit einer guten Wegbeschreibung, mit einer digitalen Wanderkarte und voller Neugier, ob es wirklich eine Alm sein wird, stapfen wir am nächsten Morgen los.


Nach etwas mehr als 300 Höhenmetern, die es zu überwinden gab, befinden wir uns tatsächlich auf der „Alm“. Wäre nicht die Wärme und vor allem der andere Duft der Kräuter, man könnte sich tatsächlich ins Voralpenland versetzt fühlen, so aber sind wir wieder einmal am Rand des dinarischen Gebirges südlich des Alpenhauptkamms ungefähr auf gleicher Höhe wie Bologna.


Von Ferne erklingt Hundegebell, ein Hütehund verrichtet seine Arbeit. Dann hören wir ein Stimmengewirr, eine Gruppe holländischer Jugendlicher hat einen Picknickplatz okkupiert. Kühe schauen unbeeindruckt, kein Zaun trennt sie von den Wanderern.

Als uns die Jugendlichen später Richtung Tal überholen, weil ich fotografierend durch den Nationalpark trödle, ruft mir einer „Grüß Gott“ zu, nur um auf Deutsch nachzuschießen, „Ach Mist, hier sagt man ja Dobre Dan!“
„Macht nichts,“ rufe ich ihm hinterher, „ich habe Dich auch so verstanden.“ Das hört er aber nicht mehr, zu ungestüm hetzt die Gruppe lachend und lärmend den Berg hinab.
Egal.
Ruinen gibt es  auch hier – zwischen den Bäumen eine alte Befestigungsanlage aus osmanischer Zeit…

und unten im Tal eine Hinterlassenschaft des Krieges, fast schon obligatorisch. Es gehört einfach dazu. Es wird die letzte sein, die wir in diesem Urlaub zu sehen bekommen.


Ein paar hundert Meter hinter dem Haus fließt die Una, deren Westufer zu Kroatien und das östliche zu Bosnien und Herzegowina gehört. Kroatien ist nicht nur EU- sondern auch Schengenland. Das also ist eine dieser EU-Außengrenzen, nur eben von der anderen Seite aus fotografiert. Sie führt längs durch den Fluss.


Der Wasserfall, da muss ich dem Hotelier recht geben, ist wirklich phänomenal. Es ist ein großartiger Abschluss unserer Reise.
Es ist mir vollkommen egal, dass sich längs des Wasserfalls auf dem Holzsteg die Menschen drängen, aneinander vorbeischieben, sich und andere ans Geländer quetschen, zu Dutzenden auf einer Plattform sehen, von der ein Hinweisschild mahnt, nicht mehr als 10 Personen sollen sie gleichzeitig betreten.

Alle wollen Fotos machen – ich auch. Und alle machen Fotos – ich auch.
Viele Fotos. Sehr viele Fotos.

Am Abend stehe ich vor dem Hotel, beobachte die Sonne, wie sie in der Senke zwischen zwei Bergen langsam verschwindet. Es stimmt mich etwas traurig, denn morgen geht es quer durch Kroatien, Slowenien und Österreich nach Hause. Das Abschied nehmen fällt nicht leicht. Das ist ein gutes Zeichen. So schön heimkehren auch ist, so deutlich fühle ich, wie beeindruckt ich von Bosnien und Herzegowina und wie gerne ich deshalb hier gewesen bin.

In aller Herrgottsfrühe stehen wir auf, noch ist der Morgennebel im Tal nicht verschwunden.
Wir sind die ersten beim Frühstück. Das Gepäck ist schnell verstaut, ohnehin haben wir immer nur das, was wir vor Ort für die Übernachtung gebraucht haben oder nicht im Auto lassen wollten, aus dem Kofferraum geholt. Die Kamera und das Laptop samt ihren Taschen, eine kleine Übernachtungstasche, die Wanderrucksäcke, das alles ist in wenigen Minuten zurück im Auto. Noch vor 8 Uhr verlassen wir das Tal der Una.

Der Weg führt uns nach Norden durch Bihać Richtung Kroatien.
Das letzte Foto zeigt das Ortseingangsschild – fast wie eine Beschwörung.

Ich will da auch mal hin. Bihać  soll auch sehr schön sein. Und nach Sanski Most möchte ich, Travnik nicht nur im Vorbeifahren sehen, nach Zavala, ganz in den Osten an die Drina nach Višegrad, die wilden Pferde bei Livno besuchen und unbedingt im Veliko Plivsko jezero will ich schwimmen gehen, gern auch im Jezero Balkana.
Vielleicht dann doch nach Tuzla? Vielleicht auch nach Srebrenica?
Ein kleiner gehäkelter Anstecker in meinem Portemonnaie vom  Basar in Sarajevo wird mich daran erinnern.

Und nach Sarajevo will ich sowieso noch einmal.
Die erste Neugier, die erste Sehnsucht sind gestellt.
Aber nur die erste.

Was ein Land!

 

Alle Teile:
Ankündigung
01: Banja Luka
02: Kozara Nationalpark
03: Der Familienfriedhof im Wald
04: Jajce
05: Die Mlinčići am Pliva See / Zenica
06: Sarajevo, eine erste Annäherung
07: Sarajevo, Baščaršija
08: Sarajevo, auf dem Trebević
09: Sarajevo, zwei Moscheen
11: Sarajevo, die einst belagerte Stadt
12: Auf dem Weg in die Herzegowina
13: Mostar, die alte Brücke
14: Mostar, Stadtrundgänge I
15: Mostar, Stadtrundgänge II
16: Blagaj
17: Weiter gen Osten
18: Sutjeska Nationalpark
19: Tjentište, der Außenpool
20: Tjentište, das Theater am Ende der Welt
21: Trebinje
22: Die Bogomilen Nekropole Radimlja
23: Počitelj
24: Studenci, die Kravica Wasserfälle
25: Nordwestwärts
26: Una Nationalpark
Epilog: Nur ein Stuhl?


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1 Antwort

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