Mondsüchtig – Vollmondschwimmen 2019 (Challenge 2019/25)
Nightswimming deserves a quiet night
I’m not sure all these people understand
R.E.M.
Ja, es gibt sie noch, die Challenge 2019, auch wenn die Zahl der Aufgaben massiv abgenommen hat und es deswegen nicht mehr allzuviel zu berichten gibt.
Wäre zum Beispiel das Vollmondschwimmen, was man ganz für sich allein machen kann, zu zweit oder an einem zum Event hochstilisierten Nachtschwimmen teilnehmen kann. Jeder, wie er will. Ich mag es lieber beschaulich, mag meine Eindrücke vom Wasser, vom Dunklen, vom Mond nicht von einer hochgepimpten Veranstaltung verfälschen lassen. Mir geht es nämlich um den Mond, nicht ums Schwimmen. Aber jeder ganz so, wie er mag.
Gelegenheiten zum Vollmondschwimmen gibt es nicht allzu viele. Genau 12 pro Jahr, wenn man es genau nehmen will und wenn man ein wenig „pfuscht“, kann man die Abende am Tag vor oder nach dem Vollmond noch dazuzählen. Denn den 100% runden Mond erwischt man sowieso nicht.
Wenn ich von diesen Tagen allerdings alle abziehe, an denen ich nicht gehen will, bleibt nicht mehr viel. Ich muss soetwas nicht im Winter, im zeitigen Frühjahr oder spätem Herbst haben. Auch nicht bei Regen, wolkenverhangenem Himmel oder wenn der Mondaufgang so früh ist, dass er abends kaum mehr zu sehen ist. Und wenn ich dann noch die Tage abziehe, an denen ich verhindert bin (so zum Beispiel im August bei einem Geburtstagsdinner) oder man im Juni bis spät am Abend warten muss, bis es endlich dunkel wird, dann bleibt eigentlich nur ein Termin übrig.
Der gestrige.
Und da passt alles.
Einfach alles:
Laut Mondkalender ist es eine Vollmondnacht, wobei der Mond erst 99,8% seiner Fläche zeigt, denn der exakte Vollmond ist erst am frühen Morgen. Die fehlenden 0,2% seien geschenkt, das merkt ohnehin niemand.
Mondaufgang gegen 20 Uhr, da ist es fast dunkel, eine dünne Wolkenschicht hängt am Himmel, die Chance, den guten alten Trabanten zu vollflächig Gesicht zu bekommen, ist also sehr hoch. Die vorangegangenen Spätsommertage halten das Wasser im Weiher auf einigermaßen erträglichen Temperaturen, so dass ich es wagen kann, auch ohne Neo hineinzusteigen. Also ergreife ich die Gelegenheit, vermutlich die letzte in diesem Jahr.
Zugegeben: Es ist ein wenig unheimlich alleine im Weiher im Dunkel. Dabei ist es weder ungewöhnlich, ganz alleine im Weiher zu schwimmen, das kommt tagsüber auch oft genug vor, noch besteht die Gefahr, im Dunkel von einem Schwimmer, Boot, SU-Paddler übersehen zu werden. Zudem: Wenn etwas passiert, aber was sollte das sein, ist niemand da, der das bemerkt, der helfen könnte.Meine Tochter, die auch ihre Begeisterung fürs Schwimmen wiederentdeckt hat, ist schnell überredet, mich zu begleiten. Zu zweit ist man eben weniger allein.
Kurz nach 20 Uhr sitzen wir am Westufer des Weihers, starren in die Dämmerung und erwarten den Mond, der sich hinter den Bäumen am gegenüberliegenden Ufer erheben wird. Hinter uns haben sich mehrere Familien zu einem großen Fest versammelt, lachen, lärmen, Kinder spielen, Väter grillen. Von der Wiese gegenüber dringen Musik, Stimmen und Gesang herüber. Lichter an der Station der Wasserwacht und am Kieswerk strahlen hell und geben Orientierung. Irgendwo ist ein Angler in einem Ruderboot unterwegs, gelegentlich blitzt seine Stirnlampe auf. Leben findet eben auch abends am Weiher statt – verständlich, warum soll man auch in seiner Stube vor dem Fernseher hocken?
Wir sitzen am Ufer warten und reden. Gewichtige Dinge gibt es zu besprechen, zum Beispiel die Frage, warum ich keine Angst vor dem Ertrinken habe, was ich in diesem Blog auch irgendwann mal zur Sprache bringen werde.
Dann endlich kommt er, der Mond. In sattem Orangerot hebt er sich empor, erscheint erst hinter und steigt dann über die Baumwipfel. Unfassbar schön, unfassbar beeindruckend. Unfotografierbar. Zumindest nicht mit Handy und Kleinbildkamera. Da bräuchte es eine Spiegelreflexkamera samt Stativ. Hab ich nicht dabei, aber dafür sind wir ja auch nicht da.
Schnell sind Schuhe, Strümpfe Hose und T-Shirt abgestreift, schon stehen wir im Badeanzug und Badehose knöcheltief im Wasser. Richtig dunkel wird es nicht, aber bevor der Mond in gleißendes, gelbweißes Licht wechselt und alles wieder heller wird, wollen wir schwimmen.
Wollen wir?
Letztes Zögern. „Warum machen wir das?“
Schritt für Schritt tasten wir uns in das Wasser, das zwar kühl ist, aber doch nicht so kalt, wie befürchtet, aber auch nicht so sonnengewärmt, dass man sofort startet. Meine Tochter ist die Erste, die sich einen Ruck gibt und losschwimmt. Ich hinterher. Am Ufer wartet auf uns eine Thermosflasche mit heißem Tee, den werden wir brauchen, wenn wir zurückkehren.
Hat man tagsüber noch die Chance beim Kraulen im trüben Wasser wenigstens auf Armlänge etwas zu sehen, ist das nachts ein vollkommen hoffnungsloses Unterfangen. Die Hand verschwindet bei jedem Zug im Dunkel unter mir. Ist das Boot mit dem Angler noch irgendwo? Man erkennt fast nichts mehr – nur noch die Scheinwerfer in der Ferne und den Mond. Nach Norden hin aber verschwimmen Wasser, Ufer und Himmel. Nur gelegentlich blitzt es auf, es sind die Positionslichter startender oder landender Flugzeuge vom nahegelegenen Münchner Flughafen. Von den Menschen am Ufer ist nichts mehr zu hören, nur noch Schwimmgeräusche.
Weit schwimmen wir nicht, beim Vollmondschwimmen zählt nicht Strecke, nicht Zeit. Es geht sondern um ein ganz intensives und sehr eigenes Erlebnis: Die Dunkelheit, das schwarze Wasser um einen herum und unter einem, die fehlende Orientierung am Uferprofil, die Ruhe, die Kühle, der Reiz des Unheimlichen, dem man sich letztlich nicht ganz entziehen kann. All das muss man selbst erleben, um es nachvollziehen zu können.
Da kann man schon „mondsüchtig“ werden.
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Ich denke, dass es ganz entspannend sein kann, nachts zu schwimmen, wenn es ganz ruhig ist und man das Wasser für sich allein hat.