Leicht fröstelnd im Pilsensee (Challenge 2019/17)

Ist es nicht immer so?
Streckt man nur einen Finger aus, kommen gleich alle und grabschen nach der ganzen Hand. Kaum, dass ich den Wörtsee besucht und rehabilitiert habe, meldet sich der benachbarte Pilsensee keck zu Wort: Er wolle auch besucht werden, müsse zwar nicht rehabilitiert werden, sei ganz zufrieden mit seinem Ranking, aber auch dort war ich schließlich erst einmal und zwar 2015. Da sei ein weiterer Besuch doch angemessen.
„Ok“, denke ich, „dann Du eben auch!“

Immerhin ist es der bisher einzige See des Fünf-Seenlandes, der um einen Besuch gebeten hat. Der Wesslinger See schämt sich vermutlich ob seiner kleinen Größe, der Ammersee ist wie immer viel zu träge und schwerfällig dafür. Und der Starnberger See?
Nun ja – der ist wegen seiner Anwohner dermaßen versnobt, dass er meint, das gar nicht nötig zu haben. Der bittet nicht, der will gebeten werden. Der rührt sich nicht, das hat er nicht nötig. Wer was von ihm will, der soll sich gefälligst bei ihm rühren.
Der Pilsensee aber, 2015 gemeinsam mit Petra besucht, provoziert mich, reizt meine Neugier. Also mache ich früh Feierabend und fahre nach Seefeld. Start- und Zielpunkt wird wieder der Badeplatz samt Kiosk am Ostufer, Hechendorf gegenüber, sein.Pilsensee - Blick nach Hechendorf

Dumpf brummt ein ADAC-Rettungshubschrauber über dem See, vom nördlich gelegenen Campingplatz blinkt das Blaulicht mehrerer Fahrzeuge herüber. Das ist nicht gerade motivierend zum ausgiebigen Schwimmen, da hat es vermutlich einen Badeunfall gegeben. Aber der Hubschrauber dreht, ohne zu landen, wieder ab und schon bald entfernen sich auch Notarzt und Rettungswagen.
Ich bin nicht hergekommen, um als Schaulustiger vermeintlicher Katastrophen zu gaffen, also beachte ich das Geschehen am Campingplatz nicht weiter, zwänge ich mich in den Shorty und schnalle mir unter aufmerksamen Blicken diverser alter Frauen und Kinder, die mit ihren Großeltern einen Ferientag am See verbringen, die Boje um.
Erstes Etappenziel: Den See queren, hinüber nach Hechendorf. Schon auf halber Strecke merke ich, dass der Pilsensee um einiges kühler ist (oder mir es so vorkommt) als der Wörthsee. Viel Zeit für Fotos nehme ich mir nicht, ich will in Bewegung bleiben; ich muss. Sonst fröstelt es mir.

Pilsensee - bewaldetes Ostufer

Protz- und Prunkbauten mit Seezugang reihen sich an der Hechendorfer Seite aneinander. Ich rechne, als ich mich dem Ufer nähere, mit einem Déjà-vu. Gleich wird von einem Steg aus ein zänkischer Jemand ein fürchterliches Gezeter beginnen, dass ich es wage, mich seinem Grundstück von der Wasserseite aus zu nähern.

Pilsensee - in der Mitte

Aber es bleibt still. Selbst das mich argwöhnisch beobachtende Quartett barbusiger Landschönheiten einstiger Tage, das sich zum Sonnenbaden auf einem der Badestege versammelt hat, rührt sich nicht. Aber es behält mich im Auge. Vielleicht wäre es ein Spaß, jetzt, da nur etwa 50 Meter entfernt, die Kamera zu zücken und ein paar Fotos zu machen. Das würde das Quartett sicher in Hektik versetzen. Aber es wäre auch eine unnötige Provokation. Und eine Veschwendung von Speicherplatz. Diese Bilder will wirklich niemand später sehen.

Selfie unter Wasser

Erst als ich „beidrehe“, mich nach Norden wende, statt mich weiter zu nähern, entspannen sich die vier Ladies. Kein Kommentar, kein Zuruf, was ich da mache, das sei verboten oder irgend etwas dieser Art.
Parallel zu Badestegen und Bootshäusern schwimme ich am Ufer entlang, mein in Bayern verfassungsmäßig verbrieftes Recht auf den Genuss der Naturschönheiten und auf Erholung in der freien Natur in Anspruch nehmend. Mir wurscht, ob den Ufergrundstückseigentümern das passt oder nicht.
Gelegentlich sind ein paar Teichrosen im Weg. Sie wachsen vereinzelt, keine ausufernden Kolonien wie anderswo. Es lohnt kaum, die paar Stängel zu umschwimmen.

Teichrosen von unten

Ein gutes Stück hinter dem öffentlichen Badeplatz (es gibt also auch in Hechendorf einen Ort, an dem normale Leute ins Wasser gehen dürfen), wende ich mich zurück nach Westen.Pilsensee - Blick nach Seefeld, mit Schloss und Campingplatz

Auf der anderen Seite ist der Campingplatz zu sehen, laut tönen Gekreische und Rufe herüber, der übliche, trubelige Lärm intensiv genutzter Badeplätze. Über allem thront das Seefelder Schloss.
Wieder spüre ich die Kälte des Sees. Hier ganz besonders. Die vielen Zuläufe und durchströmenden Bäche machen sich halt doch bemerkbar.

Pilsensee - Kühle überm See

Je näher ich dem Campingplatz komme, um so voller wird es. Das ist unvermeidbar.

Pilsensee - nahe dem Strandbad am Campingplatz

Es hilft nichts, ich muss da durch, muss da vorbei, kollidiere mit einem Badegast, der sich artig entschuldigt, dass er mir in die Bahn geschwommen ist, und sich von dannen macht.
So wie ich mittlerweile gänsehäutig auch.
Als ich die Treppen des Badeplatzes erreiche, ist mir einfach nur kalt.

Alles grün am Oststrand, sogar das Wasser

Wie gut, dass es oben am Kiosk heiße Pommes und eine scharfe Currywurst gibt. Das wärmt.Pilsensee - Feierabendstimmung

Mit Blick übern See lasse ich den Ausflug ausklingen und freue mich schon darauf, wenn ich wieder im Büro angesprochen werde: „Du bist so braun. Warst Du im Urlaub?“
„Nö – warum? Ich habe nur eine andere Art Freizeitgestaltung. Und dazu gehört es eben, statt die Abende auf dem Sofa zu verbringen und Netflix-Serien zu schauen, direkt nach der Arbeit nach draußen zum schwimmen zu gehen…“
Aber da der Pilsensee wie das gesamte Fünf-Seen-Land eine sehr begehrte Urlaubsregion ist, war es vielleicht tatsächlich sowas wie ein Urlaub. Wenn auch nur ein ganz kurzer.


Noch zu erledigen:

  • Und außerdem: Jahressoll 480 km / ein fremdes Freibad / Ranking aktualisieren / Badehosen ausmisten / Vollmond-Schwimmen / Goldene Stunde / 100km im Freiwasser / Herbstlaubschwimmen

Erledigt:

 


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1 Antwort

  1. Der Herbst naht, auch an solchen Kältephänomenen im See merkt man’s (und du würdest diese Woche im Wörthsee wahrscheinlich ähnliches erleben, auch da sind die kalten Strömungen mittlerweile deutlicher spürbar).
    Wunderbare Bilder vom Pilsensee, den ich durchaus auch öfter besuchen würde, wenn man dort mal irgendwo seinen Dackel mit hinnehmen dürfte (am Campingplatz verlangen die ja für Tagesgäste Eintritt und für Hunde ebenso, das ist nix für mich).
    Wünsche Dir noch einen schönen, sonnigen Feierabend,
    Natascha

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