Mit offenem Mund am Deininger Weiher

Es ist ein Deja Vu, das ich am Deininger Weiher erlebe. Und das hat nicht nur damit zu tun, dass ich auf den Tag genau drei Jahre nach meinem ersten Besuch noch einmal den kleinen Teich im Naherholungsgebiet bei Straßlach-Dingharting ansteuere. Auch mein zweiter Besuch findet im Herbst statt, wieder im Oktober, weil ich mir habe sagen lassen, im Sommer hält man es dort vor Menschen und Mücken kaum aus. Ich frage mich allerdings, wie das dann erst im Sommer hier zugeht. Und wie beim ersten Mal ist es zur Mittagsstunde, als sich im am Weiher gelegenen Ausflugslokal die Tische füllen.An Deininger Weiher
Zwar ist jetzt das Wetter eher bescheidener als vor drei Jahren, das hindert aber die Bewohner der noblen Vororte und des südlichen Münchner Speckgürtels nicht, mit ihren Edelkarossen hinaus in den Wald zu fahren, dort ein paar Schritte zu tun, um sich dann im Wirtshaus Leckereien vorsetzen zu lassen. Spaziert wird intensiv um den Weiher, mit und ohne Hund, mit und ohne Walking-Stöcke, aber immer lautstark.
Da der Deininger Weiher in einem Talkessel liegt, hört man die Fußläufigen schon von Weitem. Es schallt über das Wasser vom gegenüberliegenden Ufer, es bricht zwischen den Bäumen durch, was Eheleute sich in vermeintlicher Abgeschiedenheit so alles zu sagen bzw. an die Köpfe zu werfen haben.
Deininger Weiher
Das ist fast schon komisch und am Deininger so typisch wie ich es sonst bisher nirgendwo erlebt habe. Genau das hatte ich ja schon vor drei Jahren bemerkt und darüber gebloggt.

Die Klientel, die hier aufmarschiert, ist es weder gewohnt, Rücksicht zu nehmen noch, Diskretion oder Takt walten zu lassen. Das Mia san mia wird hier mindestens genauso zelebriert, wie ein paar Ligen höher von Hoeness und Schuhbeck.
Und derer gibt es viele am Ufer – beim An- wie beim Ausziehen des Neoprenanzugs, vor und nach dem Schwimmen meint ein jeder, der vorbei stapft, stehen zu bleiben und ein wenig Small Talk machen zu müssen. Man ist wichtig, hat eine Meinung und ist gewohnt, diese kund zu tun, auch unaufgefordert. Lauter Mittelpunktmenschen…

Also drängt mir nahezu jeder Spaziergänger am Ufer ein Gespräch auf.  Man äußert sich zu den aktuellen Wasser- und Lufttemperaturen und den eigenen Badevergnügen im Deininger noch vor einigen Wochen.
Aber was soll’s?
Geduldig beantworte ich die mehrfach gestellte Frage ob das Wasser nicht zu kalt ist, wie kalt überhaupt es überhaupt sei.

An Deininger Weiher

„So 11° oder 12° C Grad,“ antworte ich einem Mann, während ich mein Handtuch um meinen Leib schlinge. Der Kerl hat überhaupt kein Problem damit, mich in ein Gespräch zu verwickeln, während ich mich am Badeplatz umziehe. Was, so finde ich, eine denkbar schlechte Gelegenheit ist, andere, wildfremde Menschen zum Plaudern zu nötigen.  Oder es ist ihm einfach komplett egal.
„Ist das gefühlt, geschätzt oder gemessen?“ fragt er, aber da faucht ihn die Gattin, die vorangestapft ist, an, er solle sich jetzt mal schicken und nicht immer hinterher trietscheln.

Da er dennoch auf Antwort wartet, erwidere ich „Gefühlt und geschätzt!“ und erkläre ihm, wie ich darauf komme. Dann trollt er sich.

Was man außerdem am Deininger aushalten muss ist die permanente Beobachtung durch Spaziergänger und Gäste des Wirtshauses. Denn dass da einer reinsteigt, noch dazu im Neo: Also so was.  Und einige zücken sogar ihre Handys… unglaublich.An Deininger Weiher

Ich kann ja verstehen, dass man hier viel fotografiert, die Landschaft ist wirklich wunderschön, das verfärbte Buchenlaub gibt dem Ganzen eine Note von Indian Summer. Aber doch nicht irgendwelche Leute, die im Weiher hin und her schwimmen, nur um dann anderen Bilder zu schicken mit dem Kommentar: „Ihr glaubt es nicht, hier schwimmt tatsächlich noch einer!“
Das ist nicht mal an den Haaren herbei gezogen, selten passiert es, aber ich bekomme auch von wildfremden Menschen aus der Münchner Fotocommunity Bilder von Menschen im See: „Hier schwimmt noch einer. Bist Du das?“ Nein! Ich war das noch nie.
So richtig stören tut mich das nun nicht, aber behaglich ist es auch nicht, unverhohlen beglotzt und beobachtet zu werden, wie eine Robbe im Zoo. Oder eher ein Walross.

Mein persönliches Highlight aber findet noch vor dem Schwimmen statt.

Das muss ich jetzt aber mal sagen,! beginnt eine ältere Frau, die mit ihrem Mann und einem befreundeten anderen Paar vorbei spaziert , ihren Small Talk. „Sie haben ja eine Superfigur,“ sagt eine ältere Frau, die mit ihrem Mann und einem befreundeten anderen Paar vorbei spaziert. „Aber ihr Bauch… nun, da sollten Sie was tun!“
Gleich darauf grinsend entschuldigt sie sich grinsend, das wäre jetzt wohl etwas frech gewesen.
Da bleibt mir der Mund offen stehen.An Deininger Weiher
Aber recht hat sie ja.
Mit dem einen wie dem anderen. Trotzdem ist das eine der dämlichsten Arten, andere Leute in ein Gespräch zu verwickeln.
Jetzt schnell ins Wasser – bevor’s klatscht.


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