Unter Beobachtung im Deininger Weiher (Challenge 2018/3i)

„Wie, den Deininger Weiher kennst Du nicht?“
Verständnislose Gesichter bei Kollegen, Freunden Bekannten. Niemand kann sich vorstellen, dass ich den Deininger Weiher nicht kenne.
„Denn kennt doch jeder…“

Deininger Weiher - im Herbst

Klar kennt den jeder, der im Münchner Süden oder im südlichen Teil des Landkreises München lebt. Genau das ist auch das Problem des Weihers. Jeder der dort wohnt, war schon mal da, jeder fährt öfter mal hin – zum Spazieren, zum Sonnen, zum Baden – und um es sich in der Wirtschaft am Seeufer gut gehen zu lassen. Entsprechend voll ist es auch in den Sommermonaten dort. Ich möchte mir das lieber gar nicht erst vorstellen, was da los ist, wenn der Kampf um die Park- wie um die Handtuchliegeplätze tobt.
Erst, wenn der Herbst kommt, das Laub sich verfärbt und von den Bäumen fällt, das Wasser kaum mehr 15° C hat, wird es leerer. Zumindest im Wasser, zumindest untertags. In der Wirtschaft ist es allerdings gesteckt voll, als ich mein Debut am Deininger Weiher gebe. Auf der Terrasse ist jeder Tisch belegt, ein paar Tausend Jahre mögen dort zusammengekommen sein, die rüstigen und vor allem geldigen Rentner der Region aus Grünwald, Solln und Pullach wissen halt, wo sie es sich gut gehen lassen können.Deininger Weiher - Glotzer im Wirtshaus
Sollen sie. Ich lasse es mir ja auch gut gehen, auch wenn meine Vorstellung dessen, was „es sich gut gehen“ heißt, eine ganz andere ist. Und die wird in der Mittagssonne umgesetzt. Ich will schwimmen, der Deininger Weiher bildet für dieses Jahr mutmaßlich den Abschluss der Freiwassersaison – und zugleich den Abschluss meiner Entdeckung mir fremder Gewässer 2018. Fünf sollten es sein, zehn sind es geworden. Ich bin zufrieden.

Ein wenig komme ich mir allerdings vor wie ein Fremdkörper, als ich mit Schwimmtasche und Neoprenanzug überm Arm über die Speise- und Aussichtsterrasse stapfe. Und ich werde auch als solche angesehen und angestarrt. Für die platiniert-blonden, plunker-behängten, gebräunten Runzelgattinnen mit ihren Hermes-Accessoires bin ich vermutlich genauso ein Wesen aus einer anderen Welt wie sie es für mich sind.
Am Westufer entledige ich mich meiner Kleidung und schäle mich in den Neoprenanzug, wiederum sorgsam beoabachtet von Spaziergängern, gassiführtenden Edelhunde-Besitzern und ein paar Radfahrern. Deininger Weiher - still ruht der See
Ein älteres Ehepaar im sportlichen Daunenwesten-Outfit überm Cashmere-Pullover spricht mich an, ob sie mir beim Zuziehen helfen sollen. Ich finde das wunderbar, endlich einmal proaktiv gefragt zu werden ist mir noch nie passiert. Mit vereinten Kräften ziehen die beiden den Rückenreißverschluss hoch, nicht ohne zu erwähnen, wie lästig siedas immer gefunden hätten. Sie selbst würden das ja auch von Früher vom Segeln her kennen. Heute würden sie allerdings nur noch bei schönem Wetter und sanftem Wind einen kleinen Törn mit ihrem Schiff machen. Ich will gar nicht wissen wo sie das tun, also frage ich auch nicht. Das bekümmert die Frau, die mich statt dessen fragt, was ich denn gemacht hätte, wenn sie mich nicht angesprochen und ihre Hilfe angeboten hätte. Sie will Smalltalk, um jeden Preis.
„Ich hätte dann wohl jemand anderen bitten müssen“, antworte ich ehrlich. „Es sind ja doch eine ganze Menge Leute unterwegs!“
Das ist nicht, was sie hören wollte, das schmälert in ihren Augen meine Wertschätzung für ihre freiwillige Hilfeleistung, das nämlich lässt sie ersetzbar erscheinen. Sowas mögen die Leute hier nicht.
„Aber die anderen sind ganz bestimmt nicht so nett wie wir!“ stellt sie unerschüttert fest. An Selbstwertgefühl mangelt es nicht. „Und ob die das auch richtig machen…“
Sie wünscht mir viel Spaß im Wasser und verabschiedet sich mit einem „Bis später!“. Ich weiß ehrlich nicht, wo sie meint, dass wir uns wiedersehen werden.
Eine alte Frau mit einem zauseligen Spitz, den sie spazieren zerrt, kommt  des Weges, als ich gerade an der Leiter stehe. Sie fragt mit missbilligendem Blick, ob ich etwa tauchen gehen will.
Prima, diese Frage hatte ich lange nicht. Das gibt ein Extrasternchen auf meiner „Bingo“-Karte.
Ich verneine, belasse es aber dabei, zu erklären, warum ich im Neoprenanzug am Deininger Weiher stehe. Ich mag einfach nicht.
„Dann ist es ja gut“, stapft sie davon, wohl etwas empört, dass sie keinen Smalltalk machen kann und zerrt den kleinen Hund hinter sich her.
Sonderbare Leute, am Deininger Weiher.
Radfahrer halten an und verwickeln mich in ein Gespräch über gerade noch erträgliche Wassertemperaturen. Die Männer starten schnell wieder, die beiden Frauen warten. Ganz offensichtlich wollen sie beobachten, wie ich mich in die kalten, trüb braunen Moorwasser-Fluten stürze.
Gut sollen sie.
Rein – atmen – prusten – kraulen. Alles kein Problem.
Deininger Weiher - Prust, wie kalt
Einige Male schwimme ich auf und ab. Die Längsdistanz des Weihers ist relativ schnell überwunden, also komme ich immer wieder am „Strandbad“, vor allem aber an der Terrasse des Restaurants vorbei. Und ich weiß, ich werde von vielen alten Augen beobachtet. Zumindest denen, die noch was erkennen.
Bitte sehr. Das ist mir jetzt auch egal. Und ich verstehe die Leute. Es gibt ja außer ein paar Enten und viel Laub auf bzw. in dem Wasser nichts zu sehen.
Deininger Weiher - Blick nach Norden
Nach knapp zwei geschwommenen Kilometern schwimme ich zum Ufer zurück. Mir ist nicht nur kalt, die Zeit drängt, ich muss zurück, ich habe einen Nachmittagstermin in Grünwald, zu dem ich nicht zu spät kommen möchte. Schlimm genug, dass meine Frisur silikonkappenbedingt ramponiert ist.
Also raus aus dem Weiher.
Nachdem ich mit dem Schwimmen fertig bin, liegt der Weiher wieder spiegelglatt zwischen den Bäumen. Stil ruht der See. Starr allerdings nicht.
Während ich mich abtrockne, kommen die ersten Verdauungs-Spaziergänger, die, die nach dem Essen tausend Schritte tun, vom Wirtshaus angewackelt.
„Sind Sie das nicht, der gerade im Weiher so mutig auf und ab geschwommen ist?“ fragt mich ein älterer Herr. „Respekt!“
Das wärmt fast mehr als der Sonnenschein. Es lässt mich einen Moment strahlen.

„Aber der ist doch im Neoprenanzug geschwommen“ ergänzt ein alter Mann neben ihm, der sich selbst kaum ohne Gehstöcke auf den Beinen halten kann. „Dann kann das doch jeder!“
Dafür könnte ich ihm glatt den Stock unter der Hand wegtreten. Einfach so.

„Macht aber nicht jeder!“ denke ich. „Und dann gibt es ganz sicher auch Leute, die kommen in solche Anzüge gar nicht mehr rein!“
Sage ich allerding nicht. Warum eigentlich nicht?

Der Deininger Weiher?
Ganz nett.
Aber die Leute… die Leute.


Noch zu erledigen:

Und außerdem: Jahressoll 480 km /   Badehosen ausmisten / Ranking aktualisieren

Erledigt:
Neue Seen: TüttenseePullinger WeiherHaager BadeseeKirchseeHappurger StauseeBadesee NiedernbergLauser WeiherRothsee, Deininger Weiher
Wiederentdeckungen: Pelhamer SeeThenner Weiher, Feldmochinger See, Klostersee, Tegernsee
Und außerdem: Ein 5.000erVölklingen – ein fremdes HallenbadLangbürgner SeeMichaelibad – ein fremdes FreibadVollmondschwimmen100 km FreiwasserGoldene StundeChiemsee – ein neuer Uferabschnitt
Gestrichen: Chiemseequerung


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