Sodom und Gomorrha östlich von Freising

Von „Sodom und Gomorrha“ sprach einst Günther Wolter, Vorsitzender der Kreisfischer Freising. Er empörte sich über das Treiben am Marzlinger Weiher. „Die scheißen sich nichts“ wetterte er und fand im konservativen, horizontal eher kleingeistigen Freisinger Anzeiger, einem Ableger des Münchner Merkurs, ein geeignetes Presseorgan, sein Gepolter über die anderen Weiherbesucher nicht nur zu verbreiten sondern in diesem neumodischen Internetz für alle Zeiten zu bewahren.

Sodom und Gomorrha östlich von Freising

Das war 2019.
Die Wut des wackeren Schnürlwäschers richtete sich zum einen gegen die Nacktbadenden am Marzlinger Weiher, zum anderen gegen diejenigen, die nicht nur hüllenlos in der Sonne liegen oder ins Wasser steigen. In dem Gehölz des Weihers vergnügt man sich ganz offenbar ganz gerne allein zu zweit oder was weiß ich zu wie vielen.
Und das Allerschlimmste für den Freisinger Angelschwinger ist offenbar, dass „,Kondome en masse’“ die Ufer verschandeln würden“, wie er einst der Presse berichtete. Denn der Marzlinger Weiher östlich von Freising gehört wohl auch zu den beliebten Cruising Hot Spots der Gay Community. Zumindest dem Gerücht nach. Sodom und Gomorrha eben und das direkt zu Füßen des Freisinger Domberges.

Sodom und Gomorrha östlich von Freising

Das könnte man ja einigermaßen amüsant finden, doch finden ganz offenbar auch Spanner und Exhibitionisten den Weg an den Kiessee und letzteres ist weitaus weniger spaßig sondern echt übel. Zugegeben.

Das alles erfahre ich, als ich im Netz wieder mal auf der Suche nach nahegelegenen Freiwasserrevieren bin, in denen ich noch nicht meine Bahnen geschwommen habe. Da gehört der Marzlinger Weiher, der in unmittelbarer Nachbarschaft zum Stoibermühlsee liegt, dazu. Und die Meldungen lassen mich ernsthaft überlegen, ob ich da überhaupt hinfahren will.
Immerhin: Sodom und Gomorrha! Ich rechne mit dem Schlimmsten, mit der vollkommenen Verrohung der Sitten.

Nackte am und im Wasser kenne ich ja von vielen Seen. Das rührt mich nicht besonders. Und in Marzling ist am Weiher das FKK Revier als solches nicht ausgewiesen, ergo kann niemand von mir verlangen, dort hosenlos zu schwimmen und mich hernach in der Sonne zu trocknen.
Ich muss das nicht tun, also lasse ich es.

Ein Spaziergang um den kleinen See, der eigentlich auch immer bei neuen Revieren dazu gehört, könnte mich aber durchs ominöse Gebüsch führen und damit durch landschaftsverschandelnde Kondomberge. Und wer weiß, auf wen oder was ich in diesem Dickicht der Verkommenheit noch stoße. Lustmolche? Kopulationswillige Kerle? Wilde Weibchen? Wolters Schelte lässt ja allerlei Interpretationen und Kopfkino zu.

Sodom und Gomorrha östlich von Freising

Am Ende aber nichts davon ist wahr, als ich tatsächlich den Weiher zum Abhaken besuche. Ok: Es gibt Nackte, was mich aber nicht sonderlich interessiert und die wiederum auch nicht stört, dass ich in Schuhen, Jeans und T-Shirt an ihnen vorbei laufe um mir einen etwas abgelegenen Platz zu suchen, um meine Sachen zu deponieren.

Niemand nimmt Anstoß daran, dass ich in die Badehose schlüpfe und ins Wasser steige. Dort „cruise“ ich in dem vom Anstand gebotenen Abstand zu den die Abendsonne genießenden Nudisten hin und her. Ich will ja nur schwimmen und nicht spannen und erst recht nicht in den Verdacht geraten, ein solcher zu sein oder gar… Sie wissen schon.
Die meisten kleinen Uferplätze sind zur Landseite gut abgeschirmt, zum Wasser aber nicht. Tipp also für alle, die das interessiert: Wer wirklich glotzen will, sollte das vom Teich aus tun. Schwimmbrille auf und dann nah am Ufer auf und ab schwimmen. So könnte es gehen.

Sodom und Gomorrha östlich von Freising

Schwimmerisch ist der Weiher übrigens keine besondere Erhellung – obwohl: Schön leer ist es ja dort im relativ klaren Wasser. Einer krault, eine brüstelt und ich. Und ein paar Haubentaucher und Blässhühner. That’s it.

Und ja: Ich umrunde den Weiher auch zu Fuß. Jetzt will ich wissen, was Kreisfischer Wolter so heftig erregt hat.
Aber, oh Wunder: Niemand ist da, niemand cruist, niemand verlustiert sich im Grünen. Keine lustvollen Geräusche, weder Gekicher noch Gestöhne, nur ein paar Radfahrer, zwei Schwimmer, ein Pärchen mit zwei Hunden Dazu eine Handvoll Menschen, die nackt auf ihren Handtüchern oder Matten liegen und deren Haut sich farblich der von Grillhähnchen angeglichen hat. Das war’s.
Wenn das so wie dereinst in Sodom und Gomorrha sein soll, verstehe ich nicht, warum, diese Städte in Feuer und Rauch versanken. Zumindest hatte ich bisher eine vollkommen andere Vorstellung von den biblischen Geschehnissen.

Sodom und Gomorrha östlich von Freising


Vielen Dank fürs Lesen.
Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, dann freue ich mich, wenn Sie ihn Ihren Freunden weiterempfehlen – z.B. über Facebook, Twitter, in Internetforen, Facebookgruppen o.ä.
Haben Sie Fragen oder Anmerkungen zu diesem Beitrag? Dann nutzen Sie bitte das Kommentarfeld.
Gern dürfen Sie meine Artikel auch verlinken.

 

Wenn Sie mir spontan einen Kaffee spendieren wollen, weil Ihnen dieser Beitrag gut gefallen hat, dann klicken Sie bitte auf den Kaffeebecher. Mehr dazu hier.

In meinem Webshop finden Sie ganz neu und exklusiv das neueste Fotobuch Freie Schnauze – Weideschweine von Ursula Zeidler, ein wunderbares Buch für alle, die Schweine lieben.
Außerdem sind ab sofort dort auch ihre bisherigen Fotobücher Paare, Münchner Freiheiten – Zwei Jahre Theresienwiese April 2019-April 2021, Augenblicke, und einfach Kinder  verfügbar.
Weiterhin sind im Webshop auch erhältlich: Mein Fotobuch Im Süden – Bilder eines guten Jahres, die grantigen Geschichten Renate und das Dienstagsarschloch und das Buch von meinen Schwimmerlebnissen in Frei- und Hallenbädern, in Seen, Weihern, Flüssen und im Meer Bahn frei – Runter vom Sofa, rein ins Wasser .

Diesen Beitrag weiterempfehlen:

2 Antworten

  1. Irene sagt:

    Wer konkret was Unerlaubtes sieht, kann Anzeige erstatten. Wenn nicht reagiert wird, kann man bei der Politik nachfassen.

    Ich habe vor nicht langer Zeit über Facebook und die Süddeutsche mitbekommen, dass es einen Sextreff an der oberen Isar gibt. Einige Besucher gehen dort laut Bericht zur Belästigung von Unbeteiligten über und die Polizei gibt sich überfordert (man könne nicht ständig vor Ort sein oder so). Laut Kommentarschreiberinnen besteht das Problem schon länger … dazu kann ich auch was sagen: Vor 30 (!) Jahren lief mir ein Typ mit offener Hose auf einem Spazierweg hinterher und rief „ich fick dich“. Habe den in die Flucht gebrüllt, bin danach aber nicht mehr allein in diese Gegend gefahren.

    Schon seltsam, als ein Wäldchen in München zum Treff für Schwule wurde, steht das damals in der Zeitung und es wurde groß diskutiert, auch wenn niemand bedrängt wurde (falls ich alles mitbekommen habe).

  2. Sylvia sagt:

    Lieber Lutz, vielen Dank für diesen humorvollen Artikel, ich musste herzhaft lachen. Letzten Dienstag überlegte ich an den Marzlinger zu fahren, landeten aber am nördlichen See der Pullinger Seen. Hätte ich nur geahnt, welche Sage sich um den Marzlinger verbreitete….. Nun steht er ganz oben auf meiner Liste, schließlich mag ich auch die Berge ? Danke für deine Blog Einträge.
    Vg Sylvia

Entdecke mehr von Mal Zwetschgenmann - Mal Wassermann

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen