Dem einen schön, dem anderen schaurig – der Kirchsee (Challenge 2019/19)

Was dem einen schön vorkommt, mag der andere als schaurig empfinden – und umgekehrt. Über Geschmack lässt sich nun mal ebenso wenig streiten wie über die Empfindungen und Eindrücke, die jeder sehr individuell erlebt und die bei jedem andere Wirkungen entfalten.
2018 wurde mir der Kirchsee bei Sachsenkam von Kollege Hans und seiner Frau, die in Holzkirchen wohnen, wärmstens ans Herz gelegt: Wunderschön gelegen, recht warm und vor allem: Nach jedem Schwimmen hat man eine samtweiche Haut. Also war ich dort. All das stimmte.

Schön oder schaurig - Das Nordufer des Kirchsees

So gut gefiel es mir dort, dass der See in meinem Ranking in den Top Ten landete – ein smarter sechster Platz von damals vierzig Seen. Einer zweiten Chance, um mein Urteil zu überprüfen, bedurfte es also nicht. Trotzdem war ich dieses Jahr wieder dort. Denn ich hatte ihn in bester Erinnerung, so dass ich Chlorhuhn Petra, den Kirchsee vorschlug, als wir überein kamen, mal wieder gemeinsam im Freiwasser zu schwimmen.
Die Frage war, wo.
Petra schwimmt ohne Neo, was angesichts der Witterung und der Regenfälle in diesem Sommer längeres Verweilen in vielen Seen ausschließt, sie sind einfach zu kalt. Allzuweit fahren wollte ich an diesem Tag allerdings auch nicht. Und inmitten der Heerscharen die Sommerferien genießender Münchner in einem der Stadtseen zu schwimmen wollten wir beide nicht. Schließlich: Die ferialen Hot Spots, wo sich Urlauberscharen tummeln, sind derzeit wenig reizvoll. So blieb trotz der vielen Seen rings um München gar nicht mal so viel Auswahl übrig. Der Kirchsee bot sich geradezu an.
Dachte ich.
Petra auch und war ganz angetan von dieser Idee.
Zunächst.
Also trafen wir uns in Holzkirchen und fuhren gemeinsam hinauf zum Kloster Reutberg, zu dessen Füßen der See liegt

Kloster Reutberg am See

Es ist relativ voll dort (wie überall an schönen Sommertagen), aber die Erfahrung zeigt, dass man, wenn man sich ein paar Meter vom Ufer entfernt, doch ungestört schwimmen kann – zumal auf dem Kirchsee keine Boote unterwegs sind und sich die Zahl der SU-Paddler deutlich in Grenzen hält. Es läuft gut, bis wir den See gequert haben und dann auf der Südseite parallel zum Ufer schwimmen. Ich mache von und für Petra ein paar Fotos. Dann geht es weiter.

Petra krault am Südufer - es wird ihr zunehmend unheimlich

Doch das moorige, mal dunkle, mal hellbraune Wasser unter ihr, die Schwebstoffe darin – das alles wird Petra zunehmend unheimlich. Und das verursacht ihr erst Unbehagen und schließlich Angst, die sich fast bis zu einer Panik steigert. „Freaky“, bezeichnet sie es im See, und wenn die Angst mitschwimmt, sind Freude und Genuss sofort dahin. Das ist verständlich.
In ihrem Blog beschreibt sie wunderbar, wie schaurig sie es im Kirchsee fand, das muss man lesen, um nachvollziehen zu können, wie sich so etwas entwickelt und im Kopf festsetzt. Und dann gibt es nur eine vernünftige Lösung: Abkürzen.
Rationalität greift in solchen Momenten nicht, das dürfte uns allen so gehen. Das kenne ich selbst.

Lange Zeit wollte ich partout nicht in der hinteren Ecke eines Weihers, den ich oft besuche, schwimmen. Meine Phantasie hatte mir den Streich gepielt, ich würde von unten aus dem Trüben angestarrt. Nur einen Bruchteil einer Sekunde lang, das fand ich dann überaus schaurig.
Vollkommen irrational, sagt der Verstand. Das Gefühl sagt: Schwimm halt woanders. Und genau das habe ich gemacht.
Klar, ich hätte im Kirchsee argumentieren können, dass man in kaum einem der heimischen Seen etwas unter sich sieht. Die einen geben sich in türkisblauer Trübnis, die anderen gelblicher oder grüner, Moorseen eben braun-schwarz, wobei die Schwärze, die sich unter einem zu bewegen scheint, nichts anderes ist als der eigene Schatten. Das weiß Petra auch, aber in diesem Moment nützt das gar nichts. Da hilft nur Umkehren.

Schlägt man mit der Hand Luft unter Wasser, lässt sie in Blasen wieder aufsteigen und fotografiert das Ganze, ergibt das vollkommen andere Farben, als wenn man den See über der Wasseroberfläche in seinem tiefen Blau betrachtet.Schaurig schön - Luftblasen im moorigen Wasser

Da kann man schon ins Gruseln kommen.
Mir persönlich macht das nichts. Ich kenne Moorseen, nicht nur den Kirchsee, und wusste, was mich dort erwartet, den schlammigen oder torfigen Bodengrund in den flachen Bereichen inklusive. Und ich habe, was das angeht, ein äußerst robustes Gemüt – wie auch gegenüber Begegnungen mit Wasservögeln, Fischen, Fröschen und was man sonst noch so im Freiwasser antrifft. Selbst die Begegnung mit einer Ringelnatter in einem anderen See auf kaum mehr als einen Meter Distanz, (leider damals ohne Kamera) erschreckt und ängstigt mich nicht – im Gegenteil.

Im See - nicht schaurig, nur ich

Da finde ich abgelöste Pflaster am Beckengrund im Hallenbad ekliger. Die Menschen ticken nun mal unterschiedlich und das ist auch gut so.

Trotz der 26 °C Wassertemperatur kürzen wir also die Runde erheblich ab um nicht zu sagen: Wir halbieren sie.Ein wenig Leid tut mir das natürlich schon, dass wir kaum Strecke gemacht haben. Aber alleine weiterzuschwimmen oder noch einmal vom Ausgangspunkt zu starten habe ich irgendwie auch nicht die rechte Lust. Also genießen wir die Sonne, statten dem Makiki-Kiosk einen Besuch ab und verdrücken ein köstliches Bauernhofeis.

Der Name macht neugierig, Petra fragt nach und bringt in Erfahrung: Mit Makiki ist mitnichten eine Region in Honolulu af Hawaii gemeint, wie wir vermutet hatten. Es ist die simple, in den Dialekt übetragene Abkürzung von „Mein Kirchsee Kiosk“. Nichts ist eben so, wie es scheint.

Kirchsee - Ufer im Südwesten

Das nächste Mal werde ich dem Kirchsee wohl wieder allein einen Besuch abstatten, denn mir gefällt es dort nach wie vor ausnehmend gut.
Und ich überlasse Petra die Auswahl des nächsten Sees, in dem wir gemeinsam schwimmen werden. Schaurig wird es dann auf keinen Fall, aber ganz sicher schön.

Kirchsee - die Berge im Hintergrund. Schön und nicht schaurig


Noch zu erledigen:

  • Und außerdem: Jahressoll 480 km / ein fremdes Freibad / Ranking aktualisieren / Badehosen ausmisten / Vollmond-Schwimmen / Goldene Stunde / 100km im Freiwasser / Herbstlaubschwimmen

Erledigt:


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1 Antwort

  1. Richtig. Jedem das Seine. Für mich eher ungeeignet. Andere haben auch kein Verständnis, das ich um 6 Uhr losziehe um Tiere zu fotografieren. Das muß man locker akzeptieren können.

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