Auf dem Müncher Waldfriedhof – bei Rob, Lena, Michael, Werner, Frank und Kurt
Das also ist es, das Grab von Rob Pilatus und ich gebe zu, ich bin ein wenig enttäuscht.
Warum eigentlich?
Was hatte ich erwartet?
Hatte ich nicht von Anfang an gesagt, ich besuche nicht Friedhöfe, um Promigräber abzuklappern sondern um Fotomotive zu suchen.
Robs Grab ist keines. Weder ein Grab noch ein Fotomotiv.
Es war nicht einfach zu finden, vielleicht schürte das die Erwartung, es sollte die letzte „Station“ bei meinem zweiten Erkundungsgang auf dem Münchner Waldfriedhof sein, ein guter Abschluss, nicht spektakulär aber doch zumindest interessant. Das ist es aber nicht, das Grab sieht aus, als sei es offiziell aufgelöst worden, was die Fans, die es noch gibt, allerdings nicht daran hindert. Grabkerzen aufzustellen, Zettelchen und bemalte Steine abzulegen, einen kleinen Weihnachtsbaum oder Plastikherzen. Das ist typisch für Gräber von Popstars, weitaus üppiger bei den Meisten als bei Rob, aber sein großer Absturz kam in den 90ern, als bekannt wurde, dass Milli Vanilli nicht wirklich singt sondern alles nur ein Playback-Trick war. Viele Fans fühlten sich betrogen und wendeten sich ab. Es war das Ende des Popduos. 1998 starb Rob an einer Überdosis Drogen.
Dass das Grab sich in Auflösung befindet, ist sehr symbolträchtig. Letztlich bestätigt erst Anneliese Krause, die Nachbarin auf dem Waldfriedhof, dass das wirklich das Pilatus-Grab ist oder war – es gibt ältere Fotos davon, auf denen auch ihr Grabstein zu sehen und iht Name zu lesen ist.
Diese Bilder zeigen eine Pflanzeneinfassung, ein Metallkreuz und eine Gedenkplatte mit den Namen, nichts davon ist mehr vorhanden. Anneliese Krauses Grab hingegen gibt es noch.
Ruhm ist oft vergänglich und mit ihm sind es die Gräber.
Vielleicht war es eine blöde Idee, beim Rundgang über den alten Teil des Waldfriedhofs doch nach Gräbern berühmter Persönlichkeiten zu suchen, es gibt ja sehr viele dort. Ich habe einen großen, sehr detailreichen Plan des Friedhofs, in dem nicht nur diese Gräber eingetragen sind sondern auch kurze Biographien, wer denn das eigentlich ist. Viele Namen sind bekannt, sei es Münchner Unternehmer wie Rodenstock oder Hugendubel, Verleger wie Hanser oder Heyne, Künstler, Schriftsteller, Filmschaffende… aber auch Widerständler Kurt Huber, der die Weiße Rose mitgegründet hatte und dafür 1943 von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde, ist hier beerdigt. Ein Grab, das ich unbedingt aufsuchen will.
Es ist Zufall, dass das am 29.01.2025 passiert. Aber so stehe ich an dem Grab eines Widerständlers gegen den Faschismus genau an dem Tag, an dem im Bundestag zuerst mit demonstrativer Betroffenheitsmine dem Holocaust gedacht wird und anschließend die Union unter Führung von Friedrich Merz mit Unterstützung der FDP gemeinsame Sache mit der rechtsextremen AfD macht, die das Ganze dann feixend abfeiert.
Die Friedhofskarte allerdings habe ich vergessen, gut, dass ich sie in groben Zügen in meinem Gedächtnispalast eingespeichert habe. Mit einer Wikipedia-Liste, auf der zumindest die Gräberfelder sehen, orientiere ich, bei wem ich noch vorbeischauen will. An vielen Stellen des Friedhofs sind Weg- und Lagepläne der Gräberfelder ausgehängt. Denn verlaufen kann man sich auf den über 160 Hektar großen Gelände leicht. Ich halte es für eine clevere Idee, mir auf Google Foros der relevanten Gräber anzusehen, das macht das Wiederfinden leichter. Ich weiß, nach was ich suchen muss und muss nicht von Stein zu Stein gehen und die Namen lesen. Clever finde ich das.
Mein Weg führt mich vorbei durch Gräberfelder von Ordensleuten. In quasi militärisch strammer Ordnung präsentieren sich die Grabkreuze., ein Grab sieht aus wie’s Andere. Individualismus ist nicht vorgesehen. Gut, dass ich die nicht nach einem bestimmten Grabkreuz absuchen muss.
Bei Michael Ende allerdings funktioniert dieser Trick nicht, denn sein Grab ist überhäuft mit Pflanzschalen und Gestecken. Vor kurzem erst ist Endes Frau Maiko Sato gestorben, sie wurde im gleichen Grab beigesetzt. Die Pflanzschalen der Beerdigung machen Endes Grab vorübergehend kaum erkennbar. Erst die kleine Schildkröte auf dem Grab ist ein deutlicher Hinweis: Hier liegt der Schöpfer von Momo, Lukas, dem Lokomotivführer und der unendlichen Geschichte.
Auch das Grab von Lena Christ, jener wunderbaren Schriftstellerin aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert ist etwas schwierig zu finden, es hat keinen Stein, nur ein geschnitztes Holzkreuz und in dem Gräberfeld gibt es reichlich davon. Also doch von Kreuz zu Kreuz und Namen lesen.
Kurios ist, dass das grab Lena Christs Tod auf den 31. Juni 1920 angibt, einen Tag, den es gar nicht gibt. Noch nie hatte der Juni 31 Tage. Bis heute ist das nicht geändert worden und ich finde das irgendwie gut.
Leichter zu finden ist das Grab des ebenfalls großartigen Frank Wedekind, ebenso auch Grab von Werner Heisenberg oder das von Stepan Bandera. Trotz aufgestelltem Hinweisschild, das Grab nur mit Blumen und Grabkerzen zu schmücken ist Banderas letzte Ruhestätte über und über mit blau-gelben Fahnen und Schleifen geschmückt. Von diesem Grab, das immer wieder geschändet wird, war im Blog schon zu lesen. Den Ukrainern gilt der 1959 in München vom KGB auf ofener Straße ermordete Bandera als Freiheitskämpfer, aber war auch ein Ultranationalist, der von vielen Historikern dem ukrainischen Faschismus zugeordnet wird.
Mächtige Familiengrabstätten, Mausoleen und Ehrengräber befinden sich im Alten Teil des Waldfriedhofs. Der Tod macht eben doch nicht alle gleich.
Fotomotive gibt es in Hülle und Fülle. Nicht jeder Name, den ich lese, sagt mir was, aber das ist auch nicht wichtig. Aber einer ganzt sicher: Plötzlich stehe ich vor dem Mausoleum der Zirkusfamilie Krone.
Steht wirklich eine Skulptur eines Zirkuselefanten darin? Spoiler: Ja, das tut sie.
Am Grab von Tenor Fritz Wunderlich, das mir bei meinem ersten Friedhofsbesuch so warm ans Herz gelegt wurde, komme ich eher zufällig vorbei, es ist kein Fotomotiv. Auch das Grab der Sternenkinder der LMU sehe ich, es ist ebenfalls kein Fotomotiv, ich scheue mich sogar, ein Bild zu machen, wem sollte ich es zeigen?
Der Rundgang endet wie geplant am Pilatus-Grab. Hier geht mir auf, dass sich das Ganze viel mehr zu einer Schnitzeljagd entwickelt hat und das war nicht der Sinn meines Herkommens. Also beende ich den Rundgang. Um dem Friedhofsbesuch doch noch einen guten und vor allem beeindruckenden Abschluss zu geben, umrunde ich den Friedhof mit dem Auto, wechsle zum Parkplatz in der Tischlerstraße und kürze so den Weg zum kleinen Gräberfeld der israelitischen Beth-Shalom-Gemeinde ab. Denn wie muslimische Gräber gibt es hier auch einige jüdische. Etwas lächeln muss ich, als ich unvermittelt vor dem Grab des Schauspielers Pinkas Braun stehe. Doch noch ein Promi….
Ein Teil der Bilder, die ich an diesem Tag gemacht habe:
Gesehen habe ich noch immer nicht alles, längst noch nicht. Ich werde sicher noch ein paar Mal herkommen müssen, bis die „weißen Flecken“ auf der Friedhofskarte verschwunden sind. Aber ich bin sicher: Es wird wieder lohnen. Mit oder ohne Prominenten-Gräber, ich denke, es wird eher ein „mit“. Die große Kriegsgräberstätte mit rund 3.500 Toten der beiden Weltkriege, die neben dem Friedhof auf der anderen Seite der Tischlerstraße liegt, habe ich aber auch schon besucht. Davon wird in einem eigenen Beitrag später mehr zu sehen und zu lesen sein.
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