Tage der Vogelbeobachtung – An der Adria 2021/5
Mit Vögeln kenne ich mich nicht allz6u gut aus (ok, der Kalauer hätte hier nicht sein müssen), also bin ich in der Vogelbeobachtung nicht unbedingt versiert. Aber ich bin ja auch kein Brite, wie wir vor ein paar Jahren in der Bretagne welche getroffen haben, die den ganzen Tag mit dem Fernglas vor der Brust durch die Gegend stapfen, um am Ende in ihrem Büchlein möglichst viele Vogelarten abzuhaken.
Andererseits: Bevor ich mich jetzt über deren Marotten lustig mache, ich stapfe ja auch stundenlang durch die Landschaft auf der Suche nach heimischen Landschildkröten. Das mögen andere absurd finden.
Zurück zu den Vögeln. Am Vrana Jezero (Vrana See) gibt es einen ornithologischen Hotspot mitten in einem beeindruckenden Naturpark.
Auf einer Länge von rund sechshundert Metern führt ein höhergelegter Steg durch das Schilf zu den Aussichtsplattformen. Es ist eine wunderschöne Landschaft, einst der größte Süßwassersee Kroatiens, der allerdings mit unabsehbaren Folgen für die Ökologie vor mehr als 200 Jahren durch einen Stichkanal mit dem Meer verbunden wurde. Der See sank, das Wasser ist jetzt brackig – die Flora und Fauna hat sich verändert.
Rund 30 Millionen Kuna hat die Errichtung des Naturparks gekostet, der neben dem Vogelschutzgebiet noch eine weitere Fläche im Süden des Sees und den Aussichtsgipfel auf dem Kamenjak beinhaltet. Stege, Infocenter, Sanitäranlagen, viele Schautafeln, Wege. Rund 18 Millionen Kuna hat die EU beigesteuert, so wie die EU auch den Nationalpark Wattenmeer in Deutschland gefördert hat.
Ohne die Europäische Union und ohne den Eintritt Kroatiens in diese gäbe es vermutlich viele dieser National- und Naturparks, dieser Schutzzonen für Pflanzen und Tiere nicht – auch das sollte man sich immer wieder mal in Erinnerung rufen, wenn man fortwährend über die EU herumnörgelt.
Wer sich etwas besser mit Vögeln auskennt, wüsste vielleicht auf Anhieb, um welche Arten es sich bei diesen beiden putzigen Gesellen handelt. Ich allerdings muss nicht nur das am Infocenter gekaufte, kleine Vogelbuch zu Rate ziehen, ich scrolle auch durch die Vogelbestimmapp des Nabu, um zu erfahren, dass ich es mit einem Alpenstrandläufer und einem Flussregenpfeifer zu tun habe (hoffe ich zumindest). Wie gesagt: Vogelbeobachtung ist nicht gerade mein Spezialgebiet. Dazu fehlt mir auch die Geduld.
Man sieht die Winzlinge kaum, wie sie am Ufer über Steine und Schlamm auf der Suche nach Fressbarem herumhüpfen. Die Artenvielfalt ist an diesem Tag nicht gerade überwältigend, wie muss sich der arme Kerl fühlen, der mit Kamera, 600er Tele und Stativ auf einem Aussichtturm steht und wartet – und wartet – und wartet? Aber vielleicht hat er ja mehr Glück und vor allem Geduld. Oder er ist wirklich auch für die Vögel hergekommen, die man recht häufig sieht. Bei Regenpfeifern und Strandläufern weiß ich allerdings nicht mal das.
Weitaus einfacher ist es da mit den Möwen, die es dort zu Tausenden zu geben scheint. Lachmöwen, ein paar junge Silbermöwen dazwischen:
Immer wieder steigt der Schwarm auf und fliegt in bester Hitchcock-Manier über unseren Köpfen hinweg.
Dann, wie auf Kommando, landen alle wieder genau dort, wo sie vorher schon waren, im Wasser.
Ein Mann spricht mich an, während ich mit der Kamera die Möwen im Blick behalte. Mein schwarzgelber Rucksack outet mich als Deutschen und eine bestimmte Kategorie Deutscher meint, wenn sie im Ausland auf andere Deutsche treffen, diese umgehend in ein Gespräch verwickeln zu müssen. Mein Fehler, das gebe ich zu, dass ich nicht den neutralen Wanderrucksack dabei habe.
Ich mag aber nicht von so einem Kartoffel-Heinz im Urlaub vollgetextet werden, vor allem nicht klugscheißerisch, denn klugscheißern tu ich lieber selbst. Ob denn mein Tele stark genug sei, zu erkennen, ob die sechste – nein – siebte Möwe von rechts auf der kleinen Kiesbank einen gelben Ring am Fuß trage?
Nein, das ist es nicht – und mich interessieren die Pygmäen-Kormorane und Reiher zwischen den Möwen wesentlich mehr. Es ist mir ehrlich gesagt auch vollkommen egal, ob die Möwe beringt ist. Ich will mich mit diesem Menschen nicht darüber verständigen. Der soll einfach weitergehen und mich in Ruhe lassen. Das macht er dann auch, als ich mich äußerst wortkarg gebe.
Und ich widme mich wieder den Reihern – Seidenreiher übrigens. Die stehen einfach still und ergriffen im flachen Wasser.
So soll das sein.
PS: Abends im Restaurant fühle ich mich plötzlich vom Nebenplatz aus beobachtet. Eine Gottesanbeterin klettert seelenruhig auf dem Stuhl neben mir herum und nimmt mich dabei genauso scharf ins Visier wie ich sie.
Sexueller Kannibalismus ist bei dieser Art relativ häufig. Etwa ein Drittel der Männchen wird während oder nach der Paarung vom Weibchen gefressen. Das mag evolutionär sinnvoll sein, fühlt sich aber irgendwie weder richtig noch behaglich an. Zumindest nicht aus männlicher Perspektive.
Wie dem auch sei…
Und noch eine Nachricht für den Kartoffel-Heinz: Nein, die Mantide hatte keinen gelben Ring an dem Fuß. Ich habe extra genau hingeschaut. An keinem der sechs, schon gar nicht an den dornigen Fangbeinen. Also Obacht.
Sonst knusper, knusper.
Alles von der Adria 2021?
Hier sind alle Beiträge verlinkt: Tage des Lichts – Tage des Wassers mit Salz darin – Tage der Touris – All boobs are amazing – Tage der Vogelbeobachtung – Tage auf der Insel – Tage im vernarbten Land – Tage unter Wasser – So schlimm es auch ist, jetzt fahr’n wir übern See – Tage der Stille
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