Bretagne (#7) – Sillon de Talbert, die Nadel im Meer

Ja – es gibt sie wirklich, jene seltsamen Gestalten, die direkt aus einer Fernsehserie entsprungen sein könnten. Auch am Sillon de Talbert. Sie entsprechen allen Klischees, wie man sie schon hundertemal auf dem Bildschirm gesehen hat. Und nein – es schickt sich nicht, diese Menschen zu fotografieren.
Was besonders schade bei dem älteren britischen Ehepaar ist, das wir im Sommer in der Bretagne getroffen haben. Die beiden wären perfekt, um in der englischen Krimi-Serie Inspector Barnaby (Midsomer Murderers) eine bedeutende Rolle zu spielen: Ein gepflegtes, ja gediegenes Englisch, großes Interesse an der Orinithologie, das Fernglas zum Beobachten der Vögel vor dem Bauch, den Naturführer in der Hand, kurze beigefarbene Hosen, kalkweiße Beine, skurrile Hütchen – aber Meister des SmallTalks.
Wären Sie tatsächlich Inventar einer Barnaby-Folge, sie würden statt eines Geleges einer seltenen Brachvogelart wohl eine grausam zerstückelte Leiche in den Dünen finden. George Bullard müsste einen ersten Verdacht äußern, was er nicht will, bevor er die Leiche auf dem Tisch hat – und Barnaby würde Jones ob seiner vorschnellen Schlussfolgerungen scharf ansehen müssen. Also alles wie immer.
Da wir aber nicht in eine solche Folge hineingeraten sind sondern inmitten des realen Lebens die beiden Engländer, die über den Kanal nach Frankreich gekommen sind, treffen ,bleibt es bei der Ornithologie.
Auf dieser schmalen Landzunge wollen sie Vögel sichten, am liebsten auch beim Brüten. Davon erzählen sie uns, nachdem sie sich höflich erkundigt haben, ob wir irgendwo welche gesehen haben. Ich verneine. Bis auf die nicht gerade seltenen Möwen können wir von keinen Sichtungen berichten, schon gar keinen Blaustirn-Kakadu, um den es in einer der Folgen in einem mörderischen Streit geht.
Aber ich darf jetzt nicht an Barnaby denken und mich ablenken lassen. In meinem Gehirn rattert es: „Was heißt noch mal Möwe auf englisch? Ja, stimmt: Seagull“. Ich bin kein Vogelkundler, dass Silbermöwen im Englischen herring gull heißen, kann ich doch nicht wissen.

Sillon de Talbert - Silbermöwe im Wasser

Wir plaudern ein wenig über Seevögel, das Thema ist nicht ergiebig, das Wissensgefälle ist zu hoch. Also reden wir ein wenig über Ferienhäuser und Frankreichurlaube, dann über Fußball (die WM läuft gerade), dann ziehen die beiden ihres Weges. Und wir des unseren. Sie marschieren hinaus zur Spitze, wir zurück zum Auto am Beginn des Sillon de Talbert im kleinen Örtchen Pleubian.

Sillon de Talbert - Die Landzunge

Die breiten Mündungen der Flüsse Le Trieux und Le Jaudy bilden eine Halbinsel an deren äußersten Spitze eben diese Landzunge wie eine sichelförmig gebogene Nadel ins Meer hinaus ragt. Ein kleines Naturschutzgebiet mit sehr strengen Auflagen ist dort entstanden: Kaum 50 Meter breit, wenn nicht gerade Ebbe ist und sich das Meer zurückgezogen hat, so dass man zumindest auf der Westseite über weite, fast trockene Flächen schaut. Die Luft ist diesig, Dunst ist vom Sand, der nun in der Sonne liegt, aufgestiegen. Fast unwirklich schaut die Landschaft aus, öd und leer.

Sillon de Talbert - Ebbe

Aber das ist sie nicht.
Mit viel Mühe wird Vegetation angepflanzt, die die Erosion der „Furche“ durch Wind und Meer verhindern soll. Mit jedem Kilometer, den wir uns der Spitze nähern, wechselt die Vegetation, wird spärlicher, bis am Ende kaum mehr etwas wächst…

Sillon de Talbert - Strandvegetation

Sillon de Talbert - Gräser

Der Weg beginnt sandig, fast wie in einem Dünengebiet, wechselt dann aber auf nackten Kies, der nur noch spärlich bewachsen ist. Hier gilt strenges „Betreten verboten“ – was wohl für jedermann nachvollziehbar sein sollte.

Sillon de Talbert - Ein Weg durch die Dünen

An der äußersten Spitze ist es fast nur noch Meerkohl, der zwischen den Steinen wächst.

Sillon de Talbert - Strandkohl auf nacktem Kies

Zwar ist es kein allzu weiter Fußmarsch bis zur Spitze, aber das Laufen durch den Kies ist beschwerlich, Zeit für längere Pausen gibt es nicht, wir wissen nicht, wann das Meer zurückkehrt und den Graben am Beginn des Sillon de Talbert unter Wasser setzt.
Tags zuvor haben wir am Strand erlebt, wie schnell der Meeresspiegel ansteigt und wir wollen nicht plötzlich auf der Landzunge „gefangen“ sein, wenn diese sich vielleicht vorübergehend zur Insel verwandelt. Schatten gibt es nicht, die Sonne sticht vom Himmel. Also marschieren wir zügig zur Spitze und machen gleich auf dem Absatz wieder kehrt. Allerdings nicht, ohne nicht endlos viele Fotos zu machen.

Sillon de Talbert - In der Ferne ein Leuchtturm

Wer will schon ein paar Stunden in der Sonne sitzen und darauf warten, bis der Rückweg wieder passierbar ist?
Verschwitzt gönnen wir uns in Pleubian in einem kleinen Café erst ein Kaltgetränk, dann ein Eis. Dann machen wir weitere Pläne, was wir an der bretonischen Küste noch entdecken wollen. Eines sicher nicht: Gelege von Vögeln.

Ob die Engländer Glück hatten und seltene Meeresvögel gesichtet haben?
Keine Ahnung. Gut, dass ich mich mehr für reizvolle Fotomotive als für Flattermänner interessiere, denn die gibt es nun wirklich überall…

Sillon de Talbert - Die Nadelspitze

 

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Im Januar folgt der Beitrag: Bretagne (#8) – Wie im Märchen: Das Chateau La Roche Jagu


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2 Antworten

  1. Walter Schreiber sagt:

    Es ist ein dummes Geschwätz, dass die Landzunge zur Insel werden kann. Der Autor des o.a. Beitrages sollte sich tatsächlich mal ein paar Tage dort hin bewegen, und am besten bei Springflut nochmals die gleiche Entfernung von ca. 3 km hinter dem Ende des Sillon über die grasbewachsenen Felsen, wie Roche Louet etc. begeben…..bedauerlicherweise nicht mehr zwischen Mai und September möglich….den französischen Grünen sei Dank….. grausame Diktatur…. und dann den Artikel revidieren

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