Lost places: Auf dem Hügel Raduč
125 Meter ragt der Berg Raduč, der eigentlich ein Hügel ist, über den Meeresspiegel hinauf. Aber das ist genug. Er gibt eine phantastische Aussicht über die Kornaten, eine Inselkette vor der Küste Dalmatiens und zugleich ins Hinterland weit hinein bis zum Dinaragebirge. Es ist so wunderschön dort, dass man ins Schwärmen und Träumen kommen könnte.
Aber von Kroatien habe ich genug geträumt, auch hier im Blog, nur eines, was ich angekündigt hatte, bin ich noch schuldig: Den Lost place auf der Insel Murter, den Berg Raduč vorzustellen. Das mache ich dieses Mal mit viel mehr Bildern als üblich, dafür weniger Worten.
Entstanden ist auf dem Berg 1932 eine Militäranlage, der meerwärts zwei gedeckte Stellungen angehören, dazu ein MG-Nest, auf der Land zugewandten Seite diverse Unterkunftsgebäude und mittendrin ein altes Gebäude, das den unterirdischen Zugang zu den beiden Stellungen ermöglicht hat.
Das damals überaus schwache Königreich Kroatien reagierte damit auf den immer aggressiver auftretenden Nachbarn Italien, die italienische Küste liegt der kroatischen keine 200km quer über die Adria gegenüber. Als es zu einem Vorfall kam, bei dem das italienische Morosini das jugoslawische Kardorde angriff, entschlossen sich die Jugoslawen, längs der Küstenlinie eine Verteidigungsanlage zu bauen. Sie sollte die Seewege zwischen dem Festland und den Kornaten schützen helfen.
Dazu errichtete man nicht nur die Unterkunftsbarracken, das zentrale Gebäude und die Geschützstationen Richtung Meer. Es wurde auch ein etwa 300 Meter langer Tunnel in den Fels getrieben, so dass man sich auf dem Hügel unterirdisch und unerkannt bewegen konnte.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Verteidigungsanlage still gelegt, jedoch im Kroatienkrieg wieder reaktiviert. Die Kroaten fürchteten einen Angriff Serbiens von See aus – nicht ganz unbegründet, tauchten doch serbische Kriegsschiffe unter anderem vor Šibenik auf.
Heute wird die Anlage, die frei zugänglich ist, von einem Verein erhalten.
Der erste Blick: Fast eine antike Ruine,
aber das ist die alte Wehranlage natürlich nicht.
Das ehemalige Küchengebäude
Die Mannschaftsunterkunft – oder was davon übrig geblieben ist
Der Aussichtsturm Richtung Meer
Heute trägt der Turm einen Handymasten und der steht direkt auf dem baufälligen Gemäuer. Nur ein paar nachträglich eingezogene Stahlträger sichern das Ganze. Das Klettern auf und im Turm ist nachvollziehbarerweise verboten – aber es gibt nicht viele Maßnahmen, die das wirkungsvoll verhindern würden. Überhaupt: Nichts ist irgendwie gesichert.
Ich überlege, wie man in Deutschland mit einem solchen Ort bzw. Gebäudeensemble wohl umgehen würde. Aus Sicherheitsgründen die Bauwerke zumauern, damit niemand hier herumlaufen, sich womöglich verletzen und anschließend eine Schadensersatz- oder Schmerzensgeldklage anstrengen kann. Ein Zaun drum oder am besten gleich alles abreißen.
Beides wäre ein Fehler – denn solche Orte erzählen immens viel über die jüngste Vergangenheit. Hier wird Geschichte lebendig. Ohne Eintritt, ohne Führungen, ohne Helmpflicht, Notbeleuchtung und Treppengeländer. Und oh Wunder: Das geht auch.
Das zentrale Gebäude der Verteidigungsanlage
Ein Eldorado für Sprayer
Nur, dass es eben nicht alle können, was schade ist. Und noch bedauerlicher, dass über die wirklich guten Tags gleich wieder drüber gesprayt hat. Omnipräsent das Wort Hajduk – eine Liebeserklärung der Fans für den Fußballverein Hajduk Split – aber eben auch mehr. Denn das Wort an sich hat eine wunderbare Konotation.
Der Abstieg in die künstliche Höhle
Lange überlege ich, ob ich dem Pfad folgen soll. Höhlen, Tunnel Stollen, alles unter der Erde, das ist nicht so mein Ding. Ich bin ein Wasser- und kein Erdmensch, und schon gar kein Höhlenbewohner. Sollen sich doch die Fledermäuse, auf die man als Besucher hingewiesen wird, sich dort unten wohl fühlen. Oder von mir aus auch der Balrog von Raduč. Ich geh da nicht rein.
Noch gibt es Tageslicht
Doch – natürlich gehe ich. Dazu bin ich viel zu neugierig, wissbegierig,
Als ich hinabsteige, steht oben am Eingang des Gebäudes eine Frau. Sie ruft ihren Mann, der kurz vor mir in den Stollen gegangen ist. Er antwortet nicht. Das ist nicht gerade ermutigend. Denn wieder und wieder ruft sie ihn, und das mit zunehmender Intensität. Ein frühes Opfer des Balrog?
Hinter der ersten Biegung ist es stockfinster
Taschenlampen mitzunehmen, wäre hilfreich. Aber zur Not tut es die entsprechende App im Handy auch. Denn es ist wirklich gar nichts mehr zu sehen. Fledermäuse übrigens auch nicht.
Bunkerräume unter dem Fels
Bloß nichts anfassen
Schilder warnen, einfach rein gar nichts anzufassen. Und das ist wohl auch besser so.
Wieder am Tageslicht
Den Höhlen von Moria nicht unähnlich liegen die Gänge irgendwann hinter mir. Tageslicht empfängt mich. Die erste gedeckte Geschützstellung.
Der Eingang von der Stellung aus
Geschützstellungen von außen – kaum auszumachen im Fels
Noch einmal hinunter in die düsteren Gänge
um an der anderen Stellung wieder herauszukommen.
Stahlträger „sichern“ die Decke im Unterstand.
Wirklich vertrauenserweckend schaut das allerdings nicht aus.
Merkwürdige Buchstaben an der Decke
Ist das Kunst? Oder kann das weg?
Perspektivenwechsel
Erst der Perspektivenwechsel löst auf, was sich über den Köpfen befindet. Und ja: Das ist Kunst. Ganz wunderbare sogar. Auf dem Hügel Raduč
Alles von der Adria 2021?
Hier sind alle Beiträge verlinkt: Tage des Lichts – Tage des Wassers mit Salz darin – Tage der Touris – All boobs are amazing – Tage der Vogelbeobachtung – Tage auf der Insel – Tage im vernarbten Land – Tage unter Wasser – So schlimm es auch ist, jetzt fahr’n wir übern See – Tage der Stille
Vielen Dank fürs Lesen.
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wow ein toller Lost Place !!