Schwimmen und schlendern im Rinssee (Challenge 2019/13)
Geheimtipps misstraue ich ja grundsätzlich – vor allem, wenn man sie gedruckt in Reiseführern oder auf besucherstarken Internetseiten findet. Dann nämlich ist das Geheime an dem Tipp schnell flöten und der Ort dem Massenansturm und der Beliebigkeit preis gegeben. Kennt man ja. Nicht so der Rinssee.
Diesen echten Geheimtipp entdecke ich auf der Suche nach Seen im Umkreis von 50 Kilometern, als ich mal wieder nach blauen Flecken auf Google-Maps suche, mir den Seen-Namen anzeigen lasse und mit selbigen die Suchmaschinen befrage. Der Rinssee liegt im westlichen Chiemgau weitab vom Schuss, damit von Urlauber- und Naherholungsströmen und ist folglich ziemlich unbekannt – und unbesucht.
Ein schöner, sehr schnell warm werdender Moorsee in malerischer Landschaft, verspricht man mir im Netz. Und noch dazu soll es am Kiosk phantastisches Eis geben.
Um mich von beide zu überzeugen, gleichzeitig weitere Kilometer für mein Jahressoll (480 km) zu schaffen, meine 100 Freiwasserkilometer vielleicht doch zu erreichen und einen mir unbekannten See zu erkunden, mache ich mich also auf zum Rinssee. Den Nachbarn, den Hofstätter See hatte ich bereits 2017 angesteuert, ein flaches, mooriges Gewässer, das nur bedingt zum Schwimmen geeignet ist.
Nicht viel anders ist es im Rinssee, ein langes schmales Etwas, kaum 130 Meter an den schmalen Stellen breit, dafür vom Ost- zum Westende rund 1,6 Kilometer lang. Das Südufer ist malerisch verbuchtelt, es gibt zwei Inseln, die zum umschwimmen ich ursprünglich geplant hatte. Doch bei der Insel am östlichen Ende scheitere ich am nahezu flächendeckendem Seerosenbewuchs, die andere, weiter westlich gelegen, ist von seichtem Wasser umschlossen, das Schwimmen hier kaum mehr möglich ist, es sei denn, man will mit den Armen ei jedem Kraulzug durch eine mindestens einen halben Meter tiefe schlammige Sedimentschicht wühlen.
„See geht anders“, denke ich so manches Mal, das Ganze wirkt mehr wie ein Fluss – nur eben ohne Fließen. Stehender Altarm eines Stroms vielleicht? Dem ist natürlich nicht so, aber das Kopfkino entführt mich mal wieder. Lediglich das braune, trübe Wasser und der morastige Grund verraten den See als das was er ist.
Gründeln will ich nicht, gebe meinen Plan auf, mich am Ufer zu halten, und bleibe in der Mitte des Sees. Hier ist zumindest fast überall das Wasser tief genug, dass man kraulen kann, auch wenn man trotzdem immer wieder mit den Fingern Bodenkontakt bekommt. An einer Stelle ist der Rinsee kaum mehr als knöcheltief, da geht nicht mal mehr Brustschwimmen. Permanenter Bauch-Bodenkontakt zwingt zu einer Entscheidung: Weiter? Zurück?
Da Umkehren selbstverständlich keine Option ist, muss ich eben ab hier laufen.
Da kommt buchstäblich das Knie durch! Also schlendere ich etwa hundertfünfzig Meter gemütlich, ist ja auch mal was Neues.
Vom Ufer aus sieht das bestimmt witzig aus, wie einer mitten im See „übers Wasser“ zu laufen scheint, eine orangefarbene Saferswim-Boje hinter sich herziehend.
Es könnte zur Legendenbildung gereichen. Aber es gibt niemanden, der das beobachtet. Schade.
Entzückend ist der See, wunderschön die Landschaft, an einigen Stellen halte ich an, fotografiere die Speicherkarte voll und den Akku leer und genieße eine unglaublich schöne Stille. Kaum ein Vogel ist zu hören, nur leises Rauschen der Blätter im Wind, ein Gurgeln im Wasser, das ist alles. Keine menschliche Stimme, kein Motorenlärm , kein Grundrauschen des Straßenverkehrs, kein Flieger über mir. Nichts.
Der Badeplatz ist etwa einen Kilometer weit entfernt hinter einer Biegung, die Ufer sind bewaldet. Also ist von dort auch nichts zu hören – gäbe es denn was. Denn am Strand geht es heute äußerst ruhig zu – wie gesagt: Es ist ein Geheimtipp. Der nahe gelegene und wesentlich größere, attraktivere Simssee zieht eben die Erholungssuchenden mehr an. Mir Recht.
Zwei Stand-Up-Paddler sind die einzigen Menschen, denen ich während meines Schwimmens im See begegne, von den wenigen Badegästen am Kiesstrand mal abgesehen.
Dafür zeigt sich ein Silberreiher einigermaßen verärgert, dass ich ihn wiederholt aufscheuche, dabei hatte er sich gerade so hervorragend in Jagdposition gebracht. Er fliegt auf, lässt sich hundert Meter weiter wieder nieder, das ist dumm, er könnte doch damit rechnen, dass ich auch dort vorbei kommen werde. Also hebt er wieder beutelos ab. Er wird es verschmerzen und das Fischlein, das so nicht im Schlund dieses grazilen Vogels verschwindet, mag es mir danken.
Eineinhalb Meter tiefer oder etwas mehr – der Rinssee könnte es in meiner Liste der Lieblingsseen echt weit bringen. So aber hält sich das Schwimmvergnügen in Grenzen. Strecke machen ist nicht.
Aber das versprochene Eis am Kiosk, das ich mir zum Abschluss gönne, ist nicht nur hausgemacht, das Rinser Natur Eis ist einfach sensationell. Schon das allein verlangt nach weiteren Besuchen. Und versöhnt enorm.
- Fünf neue Seen: noch 1
- Fünf Wiederentdeckungen: noch 1
- Und außerdem: Jahressoll 480 km / ein fremdes Freibad / Ranking aktualisieren / Badehosen ausmisten / Vollmond-Schwimmen / Goldene Stunde / 100km im Freiwasser / Herbstlaubschwimmen / Ab in die Alz
Erledigt:
- Fünf neue Seen: Thuner See / Tachinger See / Schliersee / Rinssee
- Fünf Wiederentdeckungen: Riemer See / Echinger See / Lußsee / Langwieder See
- Und außerdem: Ein 5.000er / ein fremdes Hallenbad / Chiemsee – Ostufer / Seehamer See / Langbürgner See
Vielen Dank fürs Lesen.
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