Wildpark Poing (#04): Die Luchse und die Wölfe

Erst die Wölfe, dann die Luchse. So führt uns der Weg durch den Wildpark Poing. Aber weder Wölfe noch Luchse wollen sich als gefälliges Bildmotiv präsentieren. Die Gehege sind groß und eingewachsen, die Tiere kaum zu sehen – oder gar nicht. Das ist das Dilemma. Je artgerechter die Großgehege sind, umso weniger entsprechen sie den Bedürfnissen der Besucher. Warum hingehen, wo es nichts zu sehen gibt. Je besser die Tiere jederzeit zu sehen und zu fotografieren sind, umso problematischer ihre Haltung in Tierparks und Zoos. Denn dann fehlt es an Rückzugsräumen und Versteckplätzen.Das ist Stress für die Tiere, ein weiterer Angriffspunkt von Tierrechtlern und -ethikern, denen jegliche Zoo- und Tierparkhaltung ein Dorn im Auge ist (Hier ein paar Gedanken meinerseits dazu). Vollkommen egal dabei ist, dass Zoos mittlerweile für bedrohte Arten Überlebensinseln darstellen, vollkommen egal, dass Zoos sich intensiv bemühen, das gestörte Verhältnis der Bevölkerung zu Wildtieren etwas gerade zu rücken, in dem man Tiere zeigt und über sie aufklärt, statt das Terrain wildgewordenen und hysterischen Populisten zu überlassen, die einfach alles abschießen (lassen) wollen, was ihnen nicht in den Kram passt: Krähen, Biber, Kormorane, Bären, Fischotter, Luchse und Wölfe.

Hieß es nicht mal bei strategischen Allianzen, der Feind meines Feindes solle mein Freund sein? Wäre dem so, wäre das ein weiterer Grund ein großer Bewunderer der Wölfe zu sein. Denn seit der bayerische Gottkaiser Söder öffentlich verkündet hat, der Wolf gehöre nicht hier her und sein permanent auf Twitter geifernder Steigbügelhalter Aiwanger eilfertig nickt, bin ich erst recht ein Wolfsfan.
Lebe so und liebe das, was CSU und freie Wähler sch… finden – vor allem, wenn sie jetzt im Wahlkampf alles, was nur den Hauch und Anstrich hat, grün zu sein, zum Staatsfeind Nr. 1 erklären. Also auch Tier- und Umweltschutz. Hier haben die Regierungsparteien wenig Wählerzuspruch zu erwarten, darum fischen sie im CSU-Stammtischland am rechten Rand und poltern eben auch ganz im Sinne der Bauernschaft gegen Wölfe, Bären, Luchse und so weiter.

Suche ich im Netz nach Unfällen oder gar Toten im Zusammenhang mit Wölfen in den letzten zehn Jahren ist die Trefferquote bei null. Hingegen verletzen oder töten Rinder vor allem auf den Almen oder Hunde in den Städten in schöner Regelmäßigkeit Menschen, ohne, dass nur irgendwer die Frage aufwürfe, ob Rind und Hund hierher gehören. Während zwischen 2012 und 2022 nicht ein einziger Mensch zu durch den Wolf zu Schaden kam, gab es übrigens über 300 Tote bei Jagdunfällen und über 16.000 zum Teil schwere Verletzungen, weil Jäger eben gerne mal die Flinte auf alles anlegen, was sich in ihrem Revier bewegt, gern auch mal verbotenerweise auf Luchse. Immer wieder finden sich verendete Tiere in den Wäldern, die ganz offensichtlich erschossen wurden. Umkehrschluss a la Söder’scher Logik wäre dann ja wohl: Der Jäger gehört noch viel weniger hier her als der Wolf.

Zugegeben: Die einzigen, die wirklich vom Wolf bedroht werden, sind die Schafherden. Das kann ich verstehen. So ein zartes  Lämmchen ist ja auch was Leckeres. Mit Rosmarin, etwas Thymian…


Damit nämlich haben auch Schäfer kein Problem, dass ihre kuscheligen Tiere von Menschen tausendfach verzehrt werden, nur rauf mit dem Hammel auf den Dönerspieß. Lasst Ihr es Euch schmecken. Aber bitte nicht der Wolf.
Ich weiß, das ist polemischer Populismus und damit auch nicht besser als das, was Söder in einer nicht endenwollenden Kette von Bier- und Festzeltauftritten von sich gibt. Aber wenigstens ist es furchtbar woke – und damit genau das, was Aiwanger und Söder nicht sind: Achtsam, nachhaltig, verantwortungsbewusst für Umwelt und Mensch.

Der erste Besuch am Gehege der Wölfe ist ein echter Flop. Nichts zu sehen, nicht mal was zu erahnen. Auch die Luchse hundert Meter weiter präsentieren sich nicht gerade kamerafreundlich. Sie liegen im hohen Gras, kaum, dass der Kopf herausschaut. Oder sie liegen platt hingestreckt zwischen den Bäumen, ein kaum identifizierbares Fellknäuel. Schade. Wenigstens einer steht mal kurz auf, geht drei Schritte und schon „taucht“ er wieder im Grün ab. Dieses Mal komplett unsichtbar.
Ich entschließe mich, den Rundgang fortzusetzen. Erst, als ich mit einem Fotografen und Wildtierhüter aus dem Fränkischen auf der Picknickwiese ins Gespräch komme und der mir erzählt, welch großartige Bilder er von den Luchsen er hat schießen können, fasse ich den Entschluss, auf dem Weg zum Ausgang dort noch mal vorbeizuschauen.
Was soll ich sagen: Es hat sich gelohnt. Wölfe sehe ich nach wie vor nur in größerer Entfernung, da muss es das Tele richten. Aber einen Luchs bekomme ich perfekt vor die Kamera.


Es ist spät, der Park wird bald schließen, die meisten Besucher sind schon auf dem Heimweg. Nur ein Pärchen steht noch am Zaun und beobachtet das wunderschöne Tier. Höflich frage ich, ob ich ein paar Fotos machen könnte, denn ich werde ihnen zwangsläufig im Weg und im Blick dabei stehen.
Sie gestatten es, dass ich mich ihnen vor die Nase stelle und dann gibt es kein Halten mehr:

Vollkommen euphorisiert nehme ich den Luchs und jede seiner Bewegungen ins Kameravisier.
Und ich kann absolut nicht verstehen, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, solche Tiere abzuschießen. Außer eben mit der Kamera.

Aber mit diffusen Ängsten, die aus kolossaler Unwissenheit rühren, lässt sich eben trefflich Politik machen, wenn auch nur populistische, am besten gepaart mit einer gehörigen Portion Doppelmoral und einer Vorstellung von der Erhabenheit des eigenen Standpunktes. Und so zetert Söder weiter gegen den Wolf.
Es ist schließlich Wahlkampf.
Ich wähle ihn nicht, ich bin #TeamWolf. Ich finde, der Wolf gehört hierher. Söder nicht.

Im kommenden Beitrag schauen wir ganz vielen, sehr unterschiedlichen Tieren tief in die Augen.

Alle Teile:
Die Ankündigung
Die Pfauen
Die Nutrias
Die Luchse und die Wölfe
Viele, viele Arten
Die Braunbären


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2 Antworten

  1. Wer mich kennt, dürfte auch meine Meinung kennen. Ich war (unter Beaufsichtigung) in engen Luchs und Wolfskäfigen. Meine Erfahrung war immer, das die Tiere uns einschätzen. Mit unserem Verstand könnten war das auch. Vielesbei uns ist ungegründete Angst.

  2. „Denn seit der bayerische Gottkaiser Söder öffentlich verkündet hat, der Wolf gehöre nicht hier her und sein permanent auf Twitter geifernder Steigbügelhalter Aiwanger eilfertig nickt, bin ich erst recht ein Wolfsfan.“ – Herrlich und fast schon „göttlich“.
    Deine Fotos sind aber eben so schön wie dieser Satz!