Zehn Minuten Wartezeit auf Bahnsteig 7

10 Minuten können eine verdammt lange Zeit sein, eine Zeit, die quälend langsam vergeht. Das gilt dann zum Beispiel, wenn man sonntags an Gleis 7 am Hagener Hauptbahnhof steht, auf den Zug wartet, der in aller Herrgottsfrühe in Leipzig losgefahren ist und einen nach Köln bringen soll. Von dort dann geht es mit dem Zug weiter Richtung Mannheim und schließlich in einem dritten ICE nach München. So der Plan.


8 Minuten Umsteigezeit in Köln ist knapp – nicht zu knapp, wenn alles glatt geht, aber deutlich zu knapp, wenn der Zug bereits 10 Minuten Verspätung hat. Man muss kein Mathegenie sein, um zu erkennen, dass der Zug zwischen Hagen und Köln zwei Minuten aufholen muss, wollen wir vom Anschlusszug wenigstens die Rücklichter sehen. Mindestens aber noch weitere zwei Minuten oder mehr muss er aufholen, wenn man den einen ICE verlassen, im Schweinsgalopp die eine Treppe runter und die andere wieder rauf rennen will.
Es sei denn natürlich, der Anschlusszug hat auch Verspätung. Worauf man sich momentan fast verlassen kann.

10 Minuten am Hagener Hauptbahnhof
Die zehn Minuten zusätzliche Wartezeit am Hauptbahnhof Hagen also ziehen sich wie Dreck.
Immer auf und ab gehen, betont ruhig tun, gelassen bleiben – alles andere ist bei der Sommerhitze nur zusätzlich schweißtreibend. Der Einzige, der hektisch hin und her schweift, ist der Blick: Mal nach Osten, mal nach Westen. Aber er verliert sich immer wieder in der Leere. Es fährt kein Zug. Nicht mal nach Nirgendwo.
Das muss dieses Gefühl von „Abgehängt sein“ sein, von dem immer so viele sprechen.

10 Minuten am Hagener Hauptbahnhof

Andererseits gibt mir das die Gelegenheit, ein Foto nachzuahmen, dass mir auf der Hinfahrt eine Freundin geschickt hat. Das ist ein Motiv, dass schon zig mal fotografiert wurde – warum also nicht auch von mir?

Ich wechsle anschließend von der Frontalaufsicht auf einen schrägen Winkel.

10 Minuten am Hagener Hauptbahnhof

Und da ich die Kamera schon mal in der Hand habe, kann ich auch gleich weitere Bilder machen – alle entstanden zwischen 11.45 und 11.55 Uhr auf Gleis 7 des Hagener Hauptbahnhofs. Es ist nicht gerade schön dort, der Hagener Hauptbahnhof versprüht einen ganz eigenen Charme. Nämlich gar keinen. Aber ich will fair sein, ich habe es dort schon schlimmer erlebt; viel schlimmer.


Die Industriebrachen, die langsam in sich zusammenzufallen drohen, wären auch mal spannend. Da gibt es Lost Places in Hülle und Fülle. Da gäbe es sicher noch zig weitere Fotomotive, wie überhaupt am Bahnhof.
Aber in den zehn Minuten, in denen ich mich verständlicherweise nicht vom Gleis entfernen kann, entdecke ich trotzdem ein paar Motive, einige, von denen ich schon beim Fotografieren weiß, dass ich sie in schwarzweiß konvertieren werde. Sie bieten sich einfach dafür an.


Auch einen Flaschensammler auf einem gegenüberliegenden Gleis hole ich mir mit dem Zoom heran, wäre sein Gesicht erkennbar, ich hätte ihn nicht fotografiert, so aber erlaube ich mir ein Bild. Hätte ich ihn nicht beobachtet und er käme mir auf Bahnsteig 7 entgegen, mir würde im Traum nicht einfallen, dass das ein Mensch ist, der in den Mülleimern nach Pfandflaschen schaut. Er entspricht vom Aussehen so gar nicht den Klischees, die man von Menschen im Kopf hat, die darauf angewiesen sind, den Pfand weggeworfener Flaschen einzulösen. Aber vielleicht ist er es eigentlich auch gar nicht, ich kann das nicht wissen. Anderseits denke ich: Das ist er schon, sonst würde er es vermutlich nicht machen…

Irgendwann kommt doch ein Zug. Ein Regionalzug fährt ein, Ziel Wuppertal-Vohwinkel. Unverständlich, dass Leute in diesen Zug einsteigen. Wer will bitte schön nach Wuppertal?
Wir wollen nach Köln und dann weiter…

PS: Der Anschlusszug wurde gerade eben noch erreicht.


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1 Antwort

  1. BrigitteE sagt:

    Vielleicht ist das ein Wertstoffsammler der nicht möchte, dass Flaschen und Plastik in den Restmüll kommen.
    Man weiß es nicht.
    Dein Zug ist wenigstens noch gekommen.
    Meiner ist ganz ausgefallen.