Mein lieber Schwan

Wer kennt sie nicht, diese Momente, in denen Du denkst: „Mein lieber Schwan!“?

So oft kommen sie nicht vor, aber manchmal eben doch, das ist vielleicht ein wenig wie dieses Once in a lifetime Dings, von dem immer alle reden.
Wer oft und viel fotografiert, träumt ja auch davon, ein once in a lifetime Foto zu machen. Was den wenigsten gelingt und auch gar nicht mal schlimm ist. Denn dazu gehört auch eine gehörige Portion Glück, im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein und die Kamera schussbereit vor dem Auge zu haben. Oder Geduld. Viel Geduld Unendlich viel Geduld. Oder beides.
Muss ja nicht sein.
Und weil ich das weiß, nehme ich meine Kamera erst gar nicht überall hin, ärgere mich hinterher allerdings öfter, dass ich sie nicht dabei hatte, und wenn ich sie mitschleppe, dass ich sie nicht mal aus dem Rucksack nehme, weil mir Motiv und Gelegenheit fehlen für schöne Fotos. Aber ich hätte ja theoretisch… lassen wir das.
An einem Wochenende im Spätwinter trabe ich zur fortgerückten Stunde noch mal los, die Kamera in der Hand.  Im Winterkiesland am Weiher genießen die letzten Spaziergänger die Nachmittagssonne, die noch nicht wirklich wärmt. Eine dünne Eisschicht überdeckt das Wasser an einigen Stellen.
Lassen Sie uns also wie angekündigt über Wasservögel sprechen.

Auf meinem Rundweg steht die Sonne schon recht tief. Im Gegenlicht sehen die Möwen auf dem Eis fast schwarz aus. Es ist eine wunderbare Stimmung, eine Mischung aus Stille und doch steigender aufgeregter Vorfreude, ob vielleicht doch irgendwann bals der Frühling kommt. Eine Stimmung, die nicht nur ich genieße.

Zwei Frauen sitzen eingehüllt in Decken auf mitgebrachten Klappstühlen, ihnen zu Füßen eine Flasche Sekt.
„Prösterchen!“
„Prösterchen!“
Da an dieser Uferstelle das Wasser nicht gefroren ist und immer wieder wer vorbei kommt, der der Unart, Wasservögel zu füttern, fröhnt, haben sich selbige dort versammelt: Enten, Blässhühner, Möwen und zwei der vier Schwäne, die ich an diesem Tag auf dem Weiher zähle.
Immer geben sie gute Motive ab, Spaziergänger zücken ihre Handys. Ein Mann hat eine kleine Digitalkamera und wartet in gebührendem Abstand, dass ich endlich aus seinem Motiv verschwinde. Da aber muss ich ihn enttäuschen. Zwar trete ich einen angemessenen Moment zur Seite, damit er sein Bild machen kann, aber das scheint ihm nicht zu reichen,

Mein lieber Schwan

Als ich denke, nun ist es gung, steht er noch immer da mit seiner Kamera in der Hand. Aber ich eben auch. Und ich habe nich einges vor. Zum einen mache ich direkt am Ufer endlos viele Bilder…

… und dann setze ich mich trotz der Kälte auf einen Stein direkt am Ufer.
Der Grund: Zwei Schwäne sind direkt, fast zum Greifen nah vor dem Objektiv, putzen sich und fetten ihre Federn ein. So nah und so ausgiebig konnte ich die Tiere noch nie in Ruhe beobachten und fotografieren. Hier stört das Gegenlicht zwar etwas, aber man kann nicht alles haben.
Ja, ich sitze dem Mann, der immer noch wartet, dass ich verschwinde, wie ein bescheuerter Fotobomber im Bild. Aber da hat er nun mal Pech gehabt. Da muss er eine andere Perspektive wählen, einen anderen Standort. Oder warten.

Mein lieber Schwan

So wie ich. Worauf?
Ich habe keine Ahnung. Aber dann richtet der andere Schwan sich plötzlich auf. Es entsteht eine Reihe von Bildern, von denen ich in dem Moment nur hoffen kann, dass sie scharf sind und sich nichts im Anschnitt befindet. Denn alles passiert sehr, sehr schnell. Keine fünf Sekunden später lässt er sich ins Wasser fallen und paddelt davon.
Auf dem Kamera Display sieht zumindest eines der Fotos ganz gut aus, um nicht das Wort vielversprechend zu verwenden.
Aber auf dem großen Bildschirm?
Schon manches Bild entpuppte sich beim Größerziehen als misslungen.
Die ganze Rückfahrt besteht aus Hoffen und Bangen: Bitte, bitte, lass dieses eine Bild scharf genug sein.
Und als ich den Speicherchip auf den Rechner kopiere und die Bilder durchsehe, öffne ich dieses eine als Allerletztes. Denn ich traue mich nicht. Zu groß wäre die Enttäuschung, wenn es nur Schrott ist.
Aber das ist es nicht.

Da hat sich das Mitschleppen der Kamera und das lange Warten am Ufer doch gelohnt.
Mein lieber Schwan. Da verzeihe ich es auch den fotobombenden Blässhühnern, dass sie sich ins Bild geschoben haben. Ein wenig mehr Rand unten wäre besser, aber man kann nicht alles haben. Schwan und Schwein…

Mein lieber Schwan


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4 Antworten

  1. piri sagt:

    Wow, der Schwan im Abendsonnenschein!

  2. Schöne Geschichte… feine Bilder👍

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