Mehr Herbst – Mehr Kreide (Rügen #4)

Rügen zu besuchen ohne die Kreidefelsen an der Ostküste gesehen zu haben ist etwa wie eine Fahrt nach Berlin ohne am Brandenburger Tor gewesen zu sein. Klar: Kann man machen. Wenn man zum Beispiel schon mal dort war, oder wenn man die touristischen Hotspots meidet. Denn die Kreideküste im Nationalpark Jasmund gehört zweifelsohne dazu.

Kreide an der Küste Rügens - vom Meer aus

Und das nicht ohne Grund. Sie ist atemberaubend schön. Das muss man einfach gesehen haben.
So schön, dass wir sie uns gleich zweimal vornehmen. Einmal von der Landseite aus, und einmal vom Meer aus. Für die fußläufige Besichtigung wählen wir den Bus von Binz nach Sassnitz und von dort aus die Linie 23, die uns direkt an den Königsstuhl fährt. Spontan entscheiden wir uns, den Rückweg von etwa achteinhalb Kilometern zu Fuß zurückzulegen, ohnehin wollten wir viel wandern – ein Höhenweg mit immer neuen, faszinierenden Ausblicken wird uns durch ein wunderschönes Naturschutzgebiet zurückführen. Zunächst aber besichtigen wir das Informationszentrum, stapfen auf den Königsstuhl, jenen 117,9m hohen Kreidefelsen, der sicherlich zu den meistfotografierten Sehenswürdigkeiten der Insel gehört.

Königsstuhl von oben

Anschließend geht es auf dem Höhenweg nach Süden. Von der Viktoriasicht werfen wir noch einmal einen Blick auf den Felsen, zwängen uns zwischen zahlreiche Wanderer und Ausflügler, die allesamt die Kamera gezückt haben. Denn just in dem Moment bricht die Sonne hervor, die Kreide, zuvor graubraun, leuchtet plötzlich unwirklich in strahlendem Weiß.

Berühmte Kreide - Königsstuhl von der Viktoriasicht aus

Wir folgen nun dem Weg nach Sassnitz, tauchen ein in den Rotbuchenwald. Als bekanntester und beliebtester Wanderweg auf Rügen sind wir kaum einen Moment allein. Es ist ein Kommen und Gehen. Überraschend grün präsentiert sich noch immer der Wald im Oktober – zumindest von innen heraus., von außen betrachtet aber wirkt er rostbraun.

Rotbuchen im Nationalpark Jasmund

Immer wieder führt uns der Weg nah an die Abbruchkante, gibt Blicke auf die Kreide frei, dass ich mich kaum satt sehen kann, es entstehen Hunderte Fotos. Mal im zaghaften Sonnenlicht, meist aber bei bedeckten Himmel:

Kreide überall - Felsen im Osten Rügens

Es fällt schwer, eine Auswahl für diesen Beitrag zu wählen. Besonders fasziniert mich die unbändige Kraft, mit der Wind, Regen und Meer den Kreidefelsen zu schaffen machen. Eine Baum nach dem anderen wird irgendwann in die Tiefe hinabstürzen.

Wenn Bäume bald ins Meer stürzen

Meer, Felsen, Wald - Nationalpark Jasmund

Im Wald

Baumpilz im Nationalpark

Am Kieler Bach führt ein Weg hinunter zum Kiesstrand. Wieder vewöhnt mich die Sonne und beleuchtet die Felsen. Wieder neue Fotomotive, wieder ist alles wildromantisch, wieder mühe ich mich, die Strände so leer auszusehen lassen, wie sie wohl nie sind.

Strand am Kieler Bach - Meer, Steine, Kreide

Bisher ist es meistens gelungen – alles eine Frage der Geduld und der Perspektive. Und zur Not muss man eben ein paar Schritte laufen und an den Menschen vorbei, die einem das Foto durch pure Anwesenheit „versauen“.

Phantastische Aussichen auf die Kreisefelsen

Schließlich auf halber Strecke der Wanderung überkommt es mich und ich fotografiere doch wildfremde Menschen. Ohne zu fragen, nur von hinten und als „Opfer“ bzw. Statisten für ein Foto, das vor Romantik nur so strotzt. Sie sitzen auf einer Bank und schauen aufs Meer.

Romantik: Paar auf einer Bank zwischen den Bäumen mit Blick aufs Meer

Rügen ohne Romantik a la Kaspar David Friedrich geht eben auch nicht. Und wie der Maler seine Bilder manipuliert und aus nicht existenten Landschaftsteilen im Atelier montiert, manipuliere ich auch ein wenig: Licht raus – Kontrast rein. Schwarzwert etwas steigern und schon ist es passiert. Man möge mir diesen Taschenspielertrick verzeihen.

Tags drauf schiffen wir auf einem Ausflugsboot ein und schauen uns das Ganze noch mal von der Meeresseite aus an. Eine Stunde schippert uns der Skipper an den Kreidefelsen entlang – eine Strecke, für die wir am Vortag wesentlich mehr Zeit benötigt haben. Wieder füllt sich der Speicherchip der Kamera, leert sich der Akku. Bis Schluss ist.

Kreidefelsen vom Meer aus. Mit Leuchtfeuer

Wissower Klinken - Kreide

Selbstverständlich sind auch Königsstuhl und Viktoriasicht wieder auf Dutzenden von Fotos. Nicht ganz so strahlend wie am Vortag. Später, bei der Auswahl der Bilder überkommt mich kurz heiliger Zorn und die unbändige Lust, den vermaledeiten Sendemast hinter dem Königsstuhl aus dem Bild einfach hinauszuretuschieren. Der stört einfach. Wie kann man den so blöde in die Landschaft stellen…

Finden Sie nicht?

Königsstuhl und Viktoriasicht vom Meer aus


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2 Antworten

  1. Eine wunderbare Gegend ,…

  2. Walfischbucht sagt:

    Sehr schöne Fotos! – (Und, bei aller Romantik, natürlich gehört auch der Sendemast dazu, wie das Leuchtfeuer auf dem drittletzten Bild auch. – Was der Mensch – im Guten wie im Schlechten – schafft, wird ja wohl, wie er selbst, Teil der „Natur“, und momentan steht der Mast halt da. Bis man sich entschließt ihn zu ersetzen oder zu entfernen.Was das Erscheiungsbild des Ortes natürlich verbessern würde.)

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