Für mehr Wellensittich-Schmuggler – Ein Plädoyer
In Wörter kann ich mich ungemein schnell verlieben. In das Wort „Wellensittich-Schmuggler“ allerdings nicht, dazu ist es zu sperrig, sprachlich zu ungelenk und in seiner Anwendung eher begrenzt anwendbar. Was sicherlich damit zu tun hat, dass hierzulande dieses Wort einfach kaum jemand kennt. Zumindest denke ich mir das.
Und wenn Sie sich jetzt fragen, was damit gemeint ist, kann ich Sie beruhigen. Ich kannte das Wort bis zum Wochenende auch nicht.
Dann aber tauchte es in einer Folge der Fernsehserie „Death in Paradise“ auf. Und ich war spontan begeistert. Da es sich um eine französisch-britische Produktion handelt, heißt es im Original Budgie Smuggler. Das Wort ist vermutlich ins Drehbuch geflutscht, weil hüben wie drüben Dialogbuch-Autoren immer wieder viel Freude daran haben, enorm zeitgeistige Wörter in die Skripte hineinzunehmen, Jugendsprech und was sie sonst noch „fancy“ (auch so ein Wort) finden. Manchmal generiert sich daraus eine Pointe, manchmal wird es unfreiwillig komisch und eignet sich zum Fremdschämen, weil von Drehbucherstellung bis Veröffentlichung des Films oder der TV-Folge so viel Zeit ins Land geht, dass diese super hippen, coolen, witzigen Wörter nur noch altbacken daher kommen. Wer redet heute zum Beispiel noch von Zmombies? Aber das hat 2015 schon keiner gemacht, als es das Jugendwort des Jahres war.
Kommt dann die Synchronisation dazu, dauert es noch ein Weile länger, bis der Steifen sein deutsches Publikum erreicht.
Der Autor des deutschen Dialogbuchs stand im Fall von Budgie Smugglers vor der Frage, das Selbige 1:1 in Wellensittich-Schmuggler zu übersetzen oder einen hierzulande durchaus gleichbedeutendes Wort zu verwenden, das nun weitaus geläufiger ist.
Eierkneifer wäre geeignet, denn Budgie Smuggler oder Wellensittich-Schmuggler bezeichnet ebenfalls wie Eierkneifer diese ganz bestimmte Form Männerbadehosen: Knapp geschnitten, eng anliegend. Also die Art Hosen, die überwiegend von der Generation über mir getragen wird, dann aber weniger eng anliegend als lappig, weil über die Jahrzehnte der eingewebte Elasthan brüchig wurde und die Hose weitaus weniger passgenau sitzt als sie vielleicht sollte. Außerdem tragen viele Sportschwimmer Wellensittich-Schmuggler, zumindest, wenn sie sich nicht in eine Jammer pressen, also jene fast knielangen Badehosen, die das Maximum an Körperfläche bedecken, das die Fina in Wettkämpfen zulässt.
Bei uns hat sich der Markenname Speedo als Synonym für Badehosen in Slipform etabliert, aber nicht jede Speedo ist eine, sowie nicht jedes Papiertaschentuch ein Tempo ist.
Warum erwähne ich das überhaupt?
Weil ich den Begriff Wellensittich-Schmuggler so schräg finde, dass ich mich noch während die Serie läuft über Google informiere. Das Wort Budgie Smuggler stammt ursprünglich aus der vormals britischen Kronkolonie Australien, wurde ins Empire importiert und 2016 in das Oxford English Dictionary (OED) aufgenommen, sozusagen den Duden der englischen Sprache. Damit ist das Slangwort jetz so etwas wie Allgemeingut. Jeder darf sich dessen bemächtigen.
Ich auch.
Noch immer geflasht von diesen weiteren Beweis britischer Skurrilität (von anderen ist derzeit täglich in der Zeitung zu lesen) setze ich Tweet und Facebook-Post ab, dass ich dieses Wort großartig finde. Natürlich in der Hoffnung, auf breitestes Unverständnis zu stoßen – wie gesagt: Vermutlich kann niemand etwas damit anfangen. Wer schaut schon Serien auf ZDF-Neo?
Natürlich ist das tatsächliche Schmuggeln von Wellensittichen in Badehosen Unfug. Schon aus Gründen des Tierwohls. Und wer kann wissen, was sonst alles noch Schaden nimmt, wenn man(n) sich so eine gefiederten Piepmatz zu dem eigenen in die Hose stopft… Warum auch immer.
Es geht nur um das Wort, das ich, dem die hiesige Zeitung vor ein paar Wochen attestierte, ich sei „Experte in Sachen „Buxen“, wie er seine Badehosen nennt“, bis dato nie gehört hatte.
Good old Alex, the longtime friend from Franken, von dem treue Blogleser schon öfter gelesen haben, reagiert prompt und sendet mir einen Link.
Diesen: budgiesmuggler.com
Das ist ein australischer Bademodenhersteller, der genau das anbietet, was sein Name verspricht: Wellensittich-Schmuggler. Australier scheinen ein Faible für extravagante Bade- und Druntermode zu haben. Das wissen wir spätestens seit Aussiebum.
In allen möglichen, noch mehr unmöglichen Designs gibt es knappe Hosen in Slipform. Alex, selbst Inhaber einer kleinen Schwarzen, die gut und gerne auch als Budgie Smuggler durchgeht (es geht ja um den Schnitt, nicht um die Farbe), hat damit den Nagel auf den Kopf getroffen.
So viele Designs, so schräg, so respektlos, so witzig. Ich in fasziniert.
Hier ein paar meiner Favoriten:
„Spitting Cobras“ (Muuaaah – Wortwitz und schlüpfrige Zweideutigkeit. Rotzende Kobraschlangen auf/im Männerschritt):
„Budgie Smuggler“ – selbst erklärend und namensgebend:
„Oktoberfest“- fast schon ein Heimspiel (übrigens auf der Rückseite mit Bierkrügen gestaltet)
Und schließlich das Modell, das beweist, dass der Haifisch eben doch Zähne hat. „Great Whites“
Genau mein Humor.
Es gibt Wanchorhosen, Chillie Willies, Peacocks, Dickie Birds und allerlei weitere Produktnamen, die mit Grundkenntnissen englischen Ferkeleien-Vokabulars eindeutige Assoziationen zulassen. Wunderbar. Im richtigen Kontext wird sogar eine Passionsfrucht-Badehose zotig.
Ich lache hart und herzlich, was meine Frau neugierig macht.
Sie will wissen, was ich so komisch finde, während ich auf mein Handy starre. Ich zeige ihr die schrägsten Modelle dieser Website.
Das könnte sich noch als riskant erweisen.
„Dann weiß ich ja, was ich Dir zu Weihnachten schenken kann“, grinst sie und belässt es dabei, ob das tatsächlich passieren wird. Versprechen oder Drohung? Wer kann das wissen?
Zuzutrauen ist es ihr, denn schon einmal hat sie mir eine solche Badehose geschenkt, die so gewagt ist, dass ich sie nur fern der Heimat trage. Da, wo mich niemand kennt. Denn auch dieses Design ist – nun ja – sehr auffällig, fast aufmerksamkeitheischend, etwas, was mir im heimischen Terrain eher unbehaglich ist. Man könnte ja jemanden treffen, den man kennt.
Meine Wellensittich Schmuggler lassen es an Diskretion vermissen.
Aber ich darf mich nicht beklagen, ich hatte sie mir schließlich selbst ausgesucht.
Die Möglichkeit, dass demnächst ein Wellensittich-Schmuggler im Rahmen der Buxenparade Erwähnung findet, ist also durchaus gegeben.
Beruhigend ist, dass budgiesmuggler.com auch Badeanzüge und Bikinis im Sortiment hat. Genauso schräg, genauso gewagt, genauso schrill. Das Empire könnte also zurückschlagen…
PS: Bei den Bildern von budgiesmuggler.com handelt es sich im Screenshots aus dem derzeitigen Sortiment.
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Sehr schöner Blog, Zwetschgenmann!
Ich kann ihn leider nicht wie üblich auf Twitter faven und retweeten, weil ich dort (z.Z.?) gesperrt bin.
Mal schauen, vielleicht geht es in ein paar Wochen wieder …
Der Begriff ist herrlich. Demnächst habe ich am Strand ganz neue Bilder im Kopf.
😉
Das freut mich außerordentlich. Ich mag es, wenn Blogtexte ihre Wirkung entfalten.
Praktischer Tipp: Bitte über keinen Wellensittich-Schmuggler am Strand unverhohlen grinsen, das ramponiert deren Ego erheblich.
Ausgeleierte Badehosen sind besonders bei äteren Rentnern sehr beliebt – wie ich jedes Jahr in der Freibadsaison hier in der kleinen Stadt an der Elbe beobachten kann.