18.04.2025: Fastenkalender (45) – Karfreitag
Wenigstens Karfreitag… wenigstens an diesem Feiertag was Christliches, was Biblisches im Fastenkalender?
Ja: Ein Kruzifix. Die Figur des gekreuzigten Jesus, zentrales Element der christlichen Kirchen, allen voran das der protestantischen.
Es ist eine Gipsfigur des Künstlers Thomas Lehnerer, die den Titel Die Doppelnatur trägt und temporär im Freisinger Diözesanmuseum ausgestellt ist. Der Titel ist dann auch die eine zentrale theologische Botschaft des Künstlers, den Lehnerer war nicht nurBildhauer, er war auch Theologe. Ganz Mensch und zugleich ganz Gott (für die Insider:innen unter den Leser:innen, es geht um die Zweinaturenlehre).
Die Figur steht kopfüber auf einer Spiegelplatte und wirft durch sehr kluge Beleuchtung ihren Schatten (dementsprechend richtig herum) auf die Wand, wie auch das Spiegelbild die Figur richtig erscheinen lässt. Beugt man sich als Museumsbesucher:in ein wenig über die Spiegelfläche, wirkt es, als schaue man in eine endlose Tiefe, in der nur diese Figur zu sehen ist.
Kruzifixe habe ich viele in meinem Leben gesehen. Mal mehr, mal weniger gelungen, mal aufdringlich bayerisch in Amtsstuben zur Schau gestellt, mal als Ausdruck tiefster Frömmigkeit in den Herrgottswinkeln musealer Bauernstuben.
Auf Gräbern, an Ketten, in Museen und Kirchen. Die meisten verfehlen, da wo sie zu sehen sind, ihre Wirkung. Zumindest bei mir.
Verkrustete Beliebigkeit, da lässt sich achtlos vorbei spazieren, da klingt nichts in mir an. Bei diesem aber schon. Allerdings bewundere ich mehr die künstlerische Umsetzung als die Botschaft. Keine Stunde zuvor stand ich wenige hundert Meter weiter im Freisinger Dom unter dem Kreuz, das Egid Quirin Asam angefertigt hatte: Gewaltig, eindeutig in seiner Botschaft. Auch ein herausragendes Kunstwerk, zweifelsohne. Einen Moment war ich mir im Dom sicher, damit das Bild für diesen Fastenkalenderbeitrag gefunden zu haben.
Welch Irrtum. Viel mehr nämlich beeindruckt mich dieses Kruzifix:
Ich genieße das Privileg, in diesem Ausstellungsraum fast allein zu sein, es ist Sonntag, da müsste im Museum doch eigentlich etwas mehr los sein. Ist es aber nicht. Geduldig warte ich, bis ein Paar seine Fotos gemacht hat, dann mache ich welche. Viele.
Ich kann und ich will mich nicht satt sehen an diesem Kunstwerk. Ich will mich nicht trennen, möchte es tief in meiner Erinnerung verankern, vielleicht entstehen deshalb ein Dutzend Bilder, die letztlich alle das Gleiche zeigen nur aus unterschiedlicher Distanz. Die Spiegelung des Gekreuzigten, der einen langen Schatten wirft. Die Doppelnatur, die zwei Naturen.
Welch eine großartige künstlerische Umsetzung. Sie wirft Fragen auf, regt zum Nachdenken an, zum Näherkommen, zum immer wieder Hinschauen, zum Perspektivenwechsel. Ich bin dankbar, dieses Kunstwerk sehen zu können und darüber nachdenken zu können.
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