19.04.2025 Fastenkalender (46): Der verwundete Engel
Haavoittunut enkeli heißt das Bild des finnischen Malers Hugo Simberg (1873-1917), Der verwundete Engel. Gemalt hat er es 1903. Es ist heute der letzte reguläre Beitrag dieses Fastenkalenders und ich wähle dieses Bild, dass ich vor Kurzem in der Ausstellung Gothic Modern in der Nationalgalerie in Oslo. Dort wurde es mit vielen anderen höchst spannenden Bildern gezeigt – Tenor der Ausstellung war der Einfluss der Gotik bzw. deren Wiederentdeckung an der Schwelle zum 20. Jahrhundert. Die Wiederentdeckung gotischer Stilelemente wie auch Inhalte in der Europäischen Romantik bis hin zum Expressionismus. Denn Gotik ist weit mehr als nur eine Kunstepoche.
Später lese ich, dass Simberg es stets ablehnte, „irgendwelche Erklärungen zu den Bedeutungen seiner Gemälde zu geben. Er hielt es für wesentlicher, dass der Betrachter frei sei, seine eigenen Schlüsse aus der Symbolik eines Bildes zu ziehen“ (so Wikipedia).
Vielleicht ist das richtig so, vielleicht erschließt sich das Bild den Betrachter:innen auch von ganz alleine in seiner Klarheit wie auch seiner Symbolik.
Nicht nur, dass es mich tief beeindruckt, nicht nur, dass ich von Simberg nie zuvor irgendetwas gehört hatte – beim Gang durch die Ausstellung wusste ich, dass ich es unbedingt hier im Kalender noch zeigen wollte. Diesem strengen, fast bohrenden und zugleich flüchtigen Blick aus dem Bild heraus, dem nur schwer oder gar nicht auszuweichen ist, muss man erstmal standhalten können.
Das Bild pendelt so unglaublich zwischen Düsternis und Verzweiflung, Schutz-, Verletzlich- und Hilflosigkeit wie auch Hoffnung und Zuversicht. Es ist von einer unglaublichen Ernsthaftigkeit, frei von jeder Heiter- oder Leichtigkeit. Und daher passt es meines Erachtens sehr gut zum Samstag, der zwischen Karfreitag und Ostern genau das Gleiche vereint: Die Düsternis des Freitags und die Hoffnung des Sonntags, zumindest dann, wenn man sich an der christlichen Bedeutung der Feiertage orientiert. Macht nicht jede/r, muss auch nicht jede/r: Für viele sind es nur wunderbare arbeitsfreie Tage, für andere sogar das Ärgernis, dass zumindest der Karfreitag zu den stillen Feiertagen zählt (Stichwort Tanzverbot), eine jährlich mehrfach wiederkehrende Diskussion rings um Karfreitag oder Allerheiligen, in der bereits alles gesagt wurde, was es zu sagen gäbe.
Das muss, kann, soll, darf jede/r so halten, wie sie/er/es für richtig hält. Ich gebe dem verwundeten Engel eine Chance, mehme mir Zeit zur Betrachtung, stöbere mich durchs Netz auf der Suche nach Wissenswertem über Simberg und schaue mir andere Bilder an und lege mir Antworten zurecht, warum er möglicherweise dieses Bild gemalt hat. Allein der Blick des hinteren Trägers direkt in die Augen der Betrachter:innen ist Aufforderung genug.
Damit endet der Fastenkalender 2025 – morgen gibt es einen kleinen Epilog und danach kehre ich zum regulären Blogalltag zurück.
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Wirklich mal was anderes, einen Fastenkalender zu machen.
Adventskalender macht ja irgendwie jeder.
Ich meine in der Grundschule, in der christlichen Kinderzeitschrift „Der Stenrsinger“ gab es auch mal einen Fastenkalender mit täglichen Symbolen aus der Fasten- und Osterzeit hinten den Türchen.
Aber ansonsten ist das absolut unüblich.
Danke, liebe Trude. Genau das war auch mein Gedanke. Mal was anderes.