17.04.2025: Fastenkalender (44) – Ecce Homo
Es ist nach wie vor eines, wenn nicht das vielleicht wichtigste Bild, das ich gemacht habe, zumindest sehe ich das so. Und ich werde nicht müde, es immer wieder zu zeigen, so als meinen Foto-Post bei BlueSky unter dem Fotovorschlag-Account. Der rief zu Thema Frau / Weltfrauentag auf und ich wollte einen Kontrapunkt setzen. Starke, engagierte, kämpferische Frauen, Frauen in sogenannten Männerberufen und bei „Männersportarten“, Mütter, Rosen, Frauen in aller Welt… die Palette der Motive war breit und doch letzten Endes ziemlich eingeschränkt.
Das Elend zeigte erwartbar kaum einer, darum war es mein Bedürfnis, eben genau das als Motiv zu wählen: Die harte, unbarmherzige Realität von viel zu vielen Frauen auf dieser Welt: Bettelnd, am Boden, in zutiefst demütiger Haltung. Zu unser aller Füße. Bettelnde Menschen sind in diesem Blog immer wieder zu sehen und oft verwende ich dabei das biblische Wort „Ecce Homo“ – was so viel heißt: Sehet, ein Mensch!
Das Foto entstand 2013 in Venedig an den Stufen vor der Rialto-Brücke. Es ist also mittlerweile 12 Jahre alt, geändert hat sich seitdem nichts, nur, dass in vielen Städten Bettler:innen zumindest von den größten touristischen Hot Spots vertrieben werden. Weil schon allein ihre Existenz stört, sie als Ärgernis empfunden werden. Aber es sind Menschen. Seht her – schaut auf sie.
„Ecce Homo!“ stammt aus der Passionsgeschichte (Joh 19, 4-6): Pilatus bezeichnet so den gegeißelten, geschundenen, gequälten Jesus, als er ihn der Öffentlichkeit zur Schau stellt, gleichzeitig aber keinen Grund für eine Verurteilung sieht. Auch davon habe ich hier schon einmal geschrieben. Seht her, der Mensch!
Und diese überaus starke Formulierung leihe ich mir als Bildtitel aus. Seht her, ein Mensch!
Es geht darum, gerade nicht wegzuschauen, und es geht darum, diesen Menschen ihren Platz in der (auch digitalen) Welt zu geben.
Die Kommentare unter demm Post zeigten, dass das Bild seine Wirkung nicht verfehlt: „Puh, sehr bewegend.“ „Es ist wirklich ein ganz besonderes, emotionales Foto“, „Das ist sehr berührend“ „Geht unter die Haut. Die Aufnahme kann ich nicht Liken.“ „Ein grandioses Photo. Danke, dass du es mit uns teilst“.
Ein wenig stolz daruf bin ich schon, wer wäre ich, das nicht zuzugeben. Stolz und zugleich motiviert, immer wieder hinzusehen, auch oder vor allem in fremden Städten nicht nur auf die Gebäude, Sehenswürdigkeiten, Parks, Denkmäler zu achten sondern auch auf die Menschen, die dort leben.
Also gern geschehen, liebe Leute. Lasst uns auf die Menschen sehen. Auf alle, auch die zu unseren Füßen.
Vor Kurzem habe ich im norwegischen Bergen eine Bronzestatue für einen Obdachlosen gesehen, platziert an der Treppe, die in ein mondänes Modehaus führt, aber einst befand sich eine Privatbank in dem Gebäude. Besser hätte diese Figur nicht platziert werden können.
„Niemand ist nur das, was du siehst“ steht auf norwegisch auf einer kleinen Messingtafel zu Füßen des Mannes. Wie wahr! Wie wahr!
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