Eicher Romantik

Nein, die Eicher Romantik überrascht mich nicht. Oder doch.
Aber von Anfang an:
„Wenn Du es frühmorgens knattern und tuckern hörst und Du weißt, dass einer der Landwirte aus der Region seinen uralten Traktor beim Nachbarn auf den Hof fährt: Ein Eicher, ein Klassiker in taubenblau und mit roten Rädern, steinalt und immer noch in Betrieb.
Auch irgendwie ein Traum, den wohl vor allem diejenigen nachvollziehen können, die zwischen München und Mühldorf daheim sind.“Eicher Foto für FB

So poste ich in der schön öfter hier erwähnten FB Gruppe Traumhaftes Bayern. Das ist, wollte man mir Böses auslegen, schon wieder so eine Provokation, an der ich bisweilen pure Lust verspüre. Denn die Gruppe ist bevölkert und beseelt von einer bis an Kitschige verklärenden Romantik vor allem gegenüber den Alpen, Barockkirchlein, den Seen und Ludwigschlössern. Zumindest scheint mir das so beim flüchtigen Durchsehen der der dort wieder und wieder gezeigten immer gleichen Motive: Watzmann, Königssee, Eibsee, Walchensee, Neuschwanstein, Chiemsee, St. Sebastian, Wieskirche…
Das liegt natürlich auch daran, dass ein erheblicher Teil der Gruppenmitglieder gar nicht in Bayern lebt, dort aber oft Urlaub machet und als Touristen weitgehend die einschlägigen Hotspots abklappert – samt der dann geposteten „Schaut her, da war ich“ Selfies.
Und dann gibt es die, die in Bayern leben, von ihrer Heimat Bilder zeigen, meist aber auch die schokoladigen Seiten.
Aber es gibt eben auch so Leute wie mich, die die Gruppe immer wieder mit einem Bayern konfrontieren, das eben nicht so touristisch aber umso authentischer ist. Zumeist warte ich mit Bildern auf, die hier auch im Blog gezeigt wurden, zum Teil wurden sie extra dafür gemacht. Das kann schon weitaus weniger traumhaft im Sinne der Postkartenidylle daher kommen, da landen zum Beispiel zum Jahrestag der Befreiung Fotos der KZ-Gedenkstätte Dachau (eher alptraumhaft als traumhaft) in der Gruppe, Bilder aus der Mühldorfer Hart (auch eher alptraumhaft), Motive vom Flughafen München, moderner Stadtarchitektur wie der Münchner Synagoge (darauf komme ich später einmal noch) oder die Bagger und Weiher im Kiesland. Das alles ist natürlich auch Provokation: Die Konfrontation mit der Wirklichkeit jenseits der all der tümelnden Verklärung.

Das Eicher Foto gehört nicht dazu. Es soll nicht provozieren, es konnte höchstens ein wenig spalten zwischen denen, die etwas damit anfangen können und denen, die es einfach nicht verstehen, also den Hiesigen (aus der Region östlich von München) und den Urlaubsgästen, den Sommerfrischlern.

Eicher nämlich ist ein zumindest regionaler Mythos. Ich wollte schauen, wer in dieser Gruppe davon weiß.

Eicher auf dem Feld

Eicher  war bis in die 70er Jahre ein Hersteller von Landmaschinen im benachbarten Forstern. Zwar ging die Geschichte des Unternehmens samt seinem Niedergang noch bis 2009, in Forstern aber endete die Traktorenfabrikation schon 1972. Eicher aber lebt, noch immer sind in unserer Region hunderte der alten kleinen Traktoren im Einsatz. Man sieht sie auf den Feldern, im Wald, auf den Wiesen und den Höfen.
Ein Teil der Traktoren wurde liebevoll restauriert und wird heute nur noch als Oldtimer zum Schaufahren genutzt, viele eben aber werden bis heute als das genutzt, für das sie angeschafft wurden: Als Zugmaschinen.

Eicher im Sommer

 

Der Mythos Eicher lebt und wird kräftig befeuert: Der Forsterner Verein Eicherfreunde betreibt ein kleines Museum, ein Cafe, veranstaltet. Traktorentreffen finden in schöner Regelmäßigkeit statt, dann fahren lange Eicher-Kolonnen durch die Ortschaften. Ein geschmückte Eicher zog den Maibaum ins Dorf.
Der Eicher gehört genauso dazu wie Dirndl, Lederhosn, Blasmusik und Böllerschützen.
Eicher zieht Maibäume
Das alles ist natürlich denen fremd, die nicht aus der Region stammen und/oder dort leben.
Das Spektrum der Reaktionen auf den FB Post war erwartbar: Entzücken bei allen, die mit Eicher etwas anfangen können:  Echte Liebe für Eicher – Eicher Romantik usw. Traktorbilder, natürlich alte Eicher. Was auch sonst?
Von allen anderen unverständiges Schweigen. Rück-, Verständnis- oder Nachfragen. Keine.
Mission completed.

Eicher im Winter im Schnee


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1 Antwort

  1. Gerhard sagt:

    Wieder was gelernt!
    Man muss doch die Werte kennen, die etwas gelten, wenn vielleicht auch nur regional.
    Man ist dann in jedem Falle ein ausgewiesener Kenner!

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