Abends an der Startbahn
Wind Nord-Ost, Startbahn null-drei
Bis hier hör ich die Motoren
Wie ein Pfeil zieht sie vorbei
Und es dröhnt in meinen Ohren…
Wer kennt es nicht, Reinhard Meys Lied Über den Wolken?
Selbst wer kein Mey-Fan ist hat es sicher schon gehört – kein Lagerfeuer, an dem nicht, griff einer zur Gitarre, auch dieses Lied gesungen wurde. Das alles ist lange her. Damals, als noch nicht (zu Recht) über Flugscham sinniert wurde, damals, als in den Pfützen noch Benzin wie ein Regenbogen schillern durfte und man das unbefangen schön empfand und nicht als Umweltverschmutzung.
Aber das Dröhnen der Motoren, das ist geblieben. Vor allem in der Nähe von Großflughäfen wie dem Münchner. Da mutet es fast schon Wunder an, dass man zwischen den Landungen im Minutentakt hin und wieder einen Kiebitz pfeifen hört und den sogar vorbeifliegen sieht.
Da meine Kamera aber gerade auf die größeren „Kraniche“ am Terminal hinter der Startbahn gerichtet ist, entgeht mir ein Bild.
Die Faszination fürs Fliegen und für Flugzeuge scheint ungebrochen. Auf dem Besucherhügel am Flughafen MUC stehen eigentlich immer Leute, aber auch auf dem weitaus weniger bekannten an der südlichen Lande- und Startbahn bei Oberding. Das ist mein Ziel an einem der wenigen nicht verregneten Apriltage. Nur mal schauen, was es so von dort aus zu sehen gibt…
Flugzeugspotter, die oft hier sind, zücken die Kamera, sie wissen genau, welcher Flugzeugtyp von welcher Airline wann startet oder landet und nehmen nur noch die Außergewöhnlichen Maschinen ins Kameravisier. Ich habe keine Ahnung davon, dankbar entnehme ich den Flugzeugen, die mit großen Schriften versehen sind, zumindest, zu welcher Fluglinie es gehört. Einige von ihnen rücken mit schwerem Gerät an, Mega-Teleobjektiven und Stativen, wenn ein Airbus A380 angekündigt ist. Was aber wohl, so lese ich im Netz, eher selten der Fall ist. Der Online-Flightradar gibt schließlich zuverlässig Auskunft.
Auch über die Lufthansa D-ACNQ, eine Mitsubishi CRJ-900LR, die innereuropäisch unterwegs und gerade aus Belgrad kommend gelandet ist:
Oder die Boing 737 der israelischen Airline El Al, sie kam – nicht schwer zu erraten aber über den Flugradar verifiziert – aus Tel Aviv und flog noch am gleichen Abend zurück.
Aber das sind nüchterne Fakten, das interessiert die Träumer weniger – zu viele unnütze Details. Abends versammeln sich auf dem Hügel Romantiker und Schwärmer, sie sitzen auf Planen und Decken, schauen hinüber zum Flughafen und träumen sich bei Sonnenuntergang in die Ferne. Wer kann es ihnen verdenken?
Weiter unten am Zaun kann man kilometerlang am Stacheldraht entlang laufen, joggen, radeln oder seinen Hund spazierenführen – was manche auch an diesem Abend machen.
Oder man kann fotografieren, so wie ich: Startende und landende Maschinen, was nicht so ganz einfach ist, da die Maschen des Zauns natürlich nicht so groß sind, dass man das Objektiv einfach hindurchstecken kann, es bleiben unweigerlich farbliche Störungen im Bild, die man wegretuschieren könnte, aber das wäre nicht authentisch.
Die Security auf der anderen Seite des Zauns patrouilliert regelmäßig, kritische Blicke auf alle werfend, die direkt am Zaun stehen und nicht auf dem Weg, der ein paar Meter daneben verläuft. Verständlich: In den vergangenen Monaten haben sich immer wieder Klimaaktivisten zum Vorfeld Zutritt verschafft, dort festgeklebt und den Flugbetrieb blockiert.
Oder ich richte die Kamera einfach nur auf den stacheldrahtgekrönten Maschendrahtzaun selbst. Man redet schließlich viel zu selten von der Stacheldrahtästhetik. Die nämlich gibt es eigentlich nicht. Stacheldraht ist nie schön. Auch nicht an der Startbahn.
Nur den krummschnableigen Kiebitz, den Wiesenbrüter, bekomme ich einfach nicht vor die Kamera. Der lässt sich nicht mehr blicken.
Vielleicht ein anderes Mal.
Dann ist zwar nicht alles still, aber ich gehe trotzdem. Auch kein Regen dringt an diesem Abend durch meine Jacke. Und das mit dem Benzin in den Pfützen habe ich ja bereits erwähnt.
Trotzdem: Ich wär gern mitgeflogen.
Vielen Dank fürs Lesen.
Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, dann freue ich mich, wenn Sie ihn Ihren Freunden weiterempfehlen – z.B. über Facebook, Twitter, in Internetforen, Facebookgruppen o.ä.
Haben Sie Fragen oder Anmerkungen zu diesem Beitrag? Dann nutzen Sie bitte das Kommentarfeld.
Gern dürfen Sie meine Artikel auch verlinken.
Wenn Sie mir spontan einen Kaffee spendieren wollen, weil Ihnen dieser Beitrag gut gefallen hat, dann klicken Sie bitte auf den Kaffeebecher. Mehr dazu hier. Wenn Sie mehr Bilder von mir sehen wollen, dann empfehle ich das Fotobuch Im Süden – Bilder eines guten Jahres, das Sie in meinem Web-Shop aber auch in jeder stationären Buchhandlung bestellen können. Ebenfalls dort erhältlich sind die grantigen Geschichten Renate und das Dienstagsarschloch und das Buch von meinen Schwimmerlebnissen in Frei- und Hallenbädern, in Seen, Weihern, Flüssen und im Meer Bahn frei – Runter vom Sofa, rein ins Wasser , Alle Bücher sind auch über die ISBN in der stationären Buchhandlung bestellbar.
Entdecke mehr von Mal Zwetschgenmann - Mal Wassermann
Subscribe to get the latest posts sent to your email.