Zögern und Zaudern

Zögern und Zaudern liegt mir. Nicht, dass ich keine Entscheidungen treffen kann oder will – aber ich halte es für wichtig, in die Entscheidung ein Maximum an Kriterien einfließen zu lassen. Und sobald Faktoren eine Rolle spielen, die ich nicht beurteilen kann, wird es schwierig. Also sitze ich auf einer Bank auf der Liegewiese am Wiflinger Weiher und kann mich nicht aufraffen, mich umzuziehen und ins Wasser zu steigen. Denn hinter mir – genauer gesagt: Nordwestlich des Weihers – braut sich was zusammen.
Kritisch beobachte ich die Wetterlage. Hin und wieder höre ich einen Donner, aber es ist eher ein fernes Grollen.Zögern und Zaudern angesichts des Gewittergrollens

Kommt nun ein Gewitter oder nicht? In diesem Fall ist das schwer vorherzusagen.

Andere Weiherbesucher sind da weniger zögerlich. Sie packen ihr Geraffel zusammen und brechen auf. Aber die waren vermutlich auch schon ein paar Stunden hier, ich bin gerade erst gekommen.

Soll ich? Soll ich nicht?

Am Ende geht es mir so wie am Montag, als ich nach nicht mal 20 Minuten den Kronthaler Weiher verlassen hatte. Regen hatte eingetzt, dazu ein kräftiger Wind – untrügliche Anzeichen für ein Gewitter in der Nähe. Lustig war es nicht, sich nur notdürftig geschützt unter dem schmalen, überstehenden Seitendach des Kiosks abzutrocknen und umzuziehen. Zum Gück hatte ich in weiser Voraussicht meine Garderobe in eine Plastiktüte gepackt, so ist alles trockengeblieben. Nur die Schwimmtasche war klatschnass. Was aber kein großes Drama war.Abends am Weiher

Heute habe ich keine Tüte dabei (werde ich ab sofort ändern),bei Regen würde alles im Nu durchweichen. Außerdem ist schwimmen bei Gewitter so ungefähr das Dämlichste, was man in einem Weiher machen kann. Also warte ich. Und zögere.

20 Minuten dauert mein Zögern, die Wetterlage verändert sich nicht, es scheint, das Gewitter zieht doch vorbei und entleert sich anderswo. Mir recht. Ich steige aus meinen Jeans uns hinein in die Badehose, danach ins Wasser.  Sollte es doch noch krachen, bin ich schnell aus dem Wasser wieder heraus, wahrscheinlich sogar dort, wo meine Sachen am Ufer liegen.
Immerhin sind es von dem einen hinüber zum anderen Ufer nur knapp 200 Meter. Mein Plan: Immer hin und her.

Bahn reiht sich an Bahn – nach der achten hat die Sonne wieder die Oberhand. Vom drohenden Gewitter ist bis auf ein paar Wolkenfetzen kaum mehr etwas zu sehen.  Alles Zögern war überflüssig und reine Zeitverschwendung. Aber wer konnte das wissen?Das Gewitter hat sich verzogen. Nur noch ein paar Wolkenfetzen

Am Steg auf der gegenüberliegenden Seite hat sich eine Frau niedergelassen. Im Lotos-Sitz starrt sie meditierend aufs Wasser und mich bei meinen Kurzbesuchen zwei Mal angestrengt giftig an. Dass ich immer wieder angeschwommen komme, dort wende und zum anderen Ufer zurückkehre scheint ihre Kontemplation zu stören. Schließlich (ich hoffe nicht meinetwegen) gibt sie das ganze Meditieren auf, liegt bäuchlings auf dem Steg in der Abendsonne und schmökert in einem Buch.

Abendschwimmer kommen zum Weiher. Gemütlich und schnatternd quert ein ganzer Trupp meine Bahn. Alle sind peinlich darauf bedacht, dass das Wasser nur bis zur Kinnspitze reicht. Denn zum einen kann man mit vollem Mund so schlecht reden und Wasser läuft nun mal in den Schnabel, wenn dieser geöffnet ist und sich unter der Wasserlinie befindet. Zum anderen tragen sie alle Sonnenbrillen.
Das nenne ich mutig. Da ich meine mittlerweile 15 Jahre alte Brille gerade erst hingerichtet und mir beim Optiker eine neue mit geschliffenen Gläsern habe anpassen lassen, weiß ich, dass es ganz schön teuer werden kann, wenn so eine Brille von der Nase herunter gleitet und auf Nimmerwiedersehen im trüben Weiherwasser versinkt. Geschliffene, entspiegelte, gedunkelte Gläser sind kostspielig und man will im Gesicht schließlich auch kein Gestell, das aussieht, als sei es auf dem Nasenrücken notgelandet. Das macht die Brille erst recht zu einem Hochpreisprodukt.
Wie ich die Leutchen einschätze, brauchen die alle Sehhilfen. So wie ich ja eigentlich auch.
Nur nutzen sie die nicht, denn sie haben mich trotz erhobenen Hauptes nicht gesehen. Oder sie haben meine Schwimmbahn, die eigentlich darin beseht, dass ich stur geradeaus kraule, falsch berechnet. Möglicherweise aber haben sie auch gedacht, dass der, der da angekrault kommt, schon ausweichen wird. Schließlich sind sie in der Überzahl, da wird der doch nicht…Die letzten Sonnenstrahlen

Doch! Wird er. Zum Ausweichen ist es ohnehin zu spät, also kraule ich ohne zu zögern durch den Pulk hindurch. Außerdem sehe ich das irgendwie gar nicht ein. Seit über einer Stunde schwimme ich hier hin und her. Für jeden sichtbar. Das ist meine Bahn. Zefix noch mal! Das Sonnenbrillengeschwader findet das allerdings höchst unlustig.

Und so entlädt sich an diesem Abend doch noch ein kurzes, aber heftiges Gewitter über mir. Es besteht aus Flüchen und Verwünschungen, Beschimpfungen und Empörung. Nähere Details bleiben unbekannt. Wozu habe ich schließlich Earplugs?

Da werde ich mir doch die friedliche Abendstimmung in den letzten Sonnenstrahlen des Tages nicht von so ein paar „Graugänsen“  verderben lassen. Gewiss nicht!


Vielen Dank fürs Lesen.
Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, dann freue ich mich, wenn Sie ihn Ihren Freunden weiterempfehlen – z.B. über Facebook, Twitter, in Internetforen, Facebookgruppen o.ä.
Gern dürfen Sie den Artikel auch verlinken.
Haben Sie Fragen oder Anmerkungen zu diesem Beitrag? Dann nutzen Sie bitte das Kommentarfeld.

Diesen Beitrag weiterempfehlen:

2 Antworten

  1. Uli sagt:

    Hach, der Wiflinger Weiher. Ideal für einen entspannten Sommerabend mit Bier vom Büdchen nach einem langen Bürotag.
    Müsste ich mal wieder machen.
    Viele Grüße
    Uli

Entdecke mehr von Mal Zwetschgenmann - Mal Wassermann

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen