Sonntag, das ist… (08) Winnetou spielen

Sonntag, das ist, wenn ich Winnetou spiele. Nein, nicht so, wie Sie denken. Keine Kostümierung, keine Kriegsbemalung, kein Plastiktomahawk am Gürtel, bunte Federn im Stirnband und Zelt im Garten. Das war mal, vor 50 Jahren vielleicht. Also braucht es auch keine Red facing Diskussion oder Debatte um eine kulturelle Aneignung. Wenn überhaupt, mag man mir wegen dieses Beitrags Rufausbeutung vorwerfen.
Wenn ich Winnetou spiele (oder Lederstrumpf), mach ich nur das, was ein guter Scout eben immer tut, ob nun von James F. Cooper beschrieben oder von Karl May. Da letzterem wohl öfter die Phantasie durchgegangen ist als seinen Helden ihre berühmten Pferde Hatatitla und Iltschi, erlaube ich mir, es ihm nachzutun. Ich lasse die Phantasie galoppieren.

Wie das?
Sonntage verbringen wir gutbürgerlich gern mit Spaziergängen, die allerdings nicht dreimal durch den Park oder die Siedlung führen und nicht zwecks der Verdauung nach opulenten Schweinsbraten nach dem Mittagstisch vorgenommen werden. Wir gehen einfach nur so in den Wald, genug davon gibt es hier ja. Wir Landeier sind eben auch mal privilegiert und müssen uns nicht die Zusammenrottung von drei Bäumen im Stadtpark als Wildnis zusammenphantasieren.
Womit wir zurück im Thema sind.
Wenn ein Spaziergang uns nicht forstwirtschaftlich genutzten Stangerlwald führt, in der die die Fichten in Reih und Glied stehen bis ein Wintersturm ordentlich durchfegt und ein Chaos anrichtet, galoppiert die Phantasie hin und her. Abseits der frequentierten Hauptwege bemerke ich, dass viele englische Serienkrimis damit anfangen, dass irgendwelche unbescholtenen Menschen mit oder ohne Hund durch den Wald spazieren und dann finden sie im Unterholz plötzlich… Sie wissen schon.
Oder ich lande bei den Waldläufern des Wilden Westens. Und was eignet sich da besser als Spurenlesen, um es den Helden der Kindheit gleichzutun? Wenn der Boden noch einigermaßen matschig ist, liegen solche Spuren vor mir auf der Erde wie ein aufgeschlagenes Buch oder neudeutsch: Wie ein ganzes Wiki.
Also fotografiere und lese ich:

Was haben wir? Den Abdruck eines Pferdes, beschlagen, also war der Reiter ein Weißer. Soweit nicht besonders schwierig, das ist im Oberbayerischen eher eine Frage der Wahrscheinlichkeit, da hier zwar vereinzelt noch indigene Bajuwaren leben, deren Hautfarbe ist aber genauso hell wie die Meine als Siedler.
Nun weiter. Wer ist hier geritten?
Eine Frau, eine Reiterin. 41 Jahre alt, Mutter von zwei Kindern, das eine 11, das andere 13. Beides Mädchen. Die Frau ist in der kommunalen Verwaltung tätig, trägt einen Helm und eine Steppweste und hat lange mittelblonde Haare, die sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hat. Sie ist langsam geritten, war also weder in Eile, noch auf der Flucht, noch folgte sie wem in großer Hast. Und sie war allein unterwegs.

Das alles lässt sich aus diesem einen Hufabdruck, den ich im Wald bei Schnaupping finde, herauslesen. Nur muss nichts davon stimmen. Aber es kann mir auch niemand das Gegenteil beweisen, ich muss es nur überzeugend genug vortragen.
Winnetou und Old Shatterhand können einpacken. Aber das können sie sowieso.
Und die ganzen Fernsehkommissar:innen samt ihrer Spusi gleich mit.


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2 Antworten

  1. Nati sagt:

    Womöglich kennst du diese Person, weil man sich auf dem Land halt kennt.
    Und schon ist der Zauber vom Spurensucher und Finder entlarvt. Lach…
    Sonntagsgrüße zu dir.

    • Lutz Prauser sagt:

      Aber nein, aber nein. Ein richtiger Trapper liest sowas. Oder phantasiert.
      Sonntagsgrüße mit Dank zurück.