In der Mühldorfer Hart (Teil 1): Im Wald

Ein Vogelzwitschern hier und dort in den Bäumen, die Sonne hat den Hochnebel erfolgreich zurückgedrängt, es liegt so etwas wie Frühling über der Mühldorfer Hart. Zumindest kann man ihn erahnen. Die Mühldorfer Hart ist ein etwa 1100 Hektar großes Waldstück, zumeist mit Fichten und Kiefernbestand, ein Wald, der wie so viele, gerade im Umbau befindlich ist. Nadelgehölze werden ausgeschlagen, junge Buchen wachsen, Birken und Schwarzerlen. Aber noch dominiert das schnell wachsende Nadelholz.

In der Mühldorfer Hart

Hin und wieder bellt ein Hund, ein fernes Grummeln am Himmel erinnert daran, dass der Münchner Flughafen nicht allzu weit entfernt ist.
Ansonsten Stille. Friedliche Stille. Ein Wald im März.

Schnurgerade Wege führen durch den Hart, das macht es Ortsunkundigen wie mir, einfach sich zu orientieren, den Wanderparkplatz, auf dem ich mein Auto abgestellt habe, später bequem wiederzufinden, ohne Ouddoor Active bemühen zu müssen.

Mein Blick schweift suchend nach Fotomotiven mal nach links, mal nach rechts, als gelte es, Bilder von oder in einem Wald zu machen, der nun nicht gerade besonders motivreich ist. Das bemerkt auch ein Spaziergänger, der mich anspricht, fragt, welche Kamera mit welchem Objektiv ich dabei habe und schnell finden wir uns in einem Gespräch wieder, denn der Gute ist, wenn nicht wie heute mit seinem Hund unterwegs, auch immer kamerabewaffnet draußen im Grünen. Er schwärmt von Mooren, Wäldern, der Garchinger und der Fröttmaninger Heide, wir erzählen uns, was wir wo schon gesehen und fotografiert haben.

In der Mühldorfer Hart

Es ist ein wenig Fachsimpelei unter Amateuren, das durchaus länger gedauert hätte, wenn sein Hund nicht plötzlich unruhig geworden wäre und zum Weitergehen gedrängt hätte.
So verabschieden wir uns, wünschen einander ein schönes Wochenende und jeder geht seiner Wege.
Idylle pur im deutschen Wald, auch wenn es zumeist nur ein Forst ist.

Und dann ist da dieser Moment, in dem man instinktiv weiß, dass man aufmerksam beobachtet wird. Kritisch beäugt, nicht belauert, eher im Gegenteil. Ich drehe mich ganz langsam und nehme den Schutzdeckel vom Kameraobjektiv. Es ist dieses Gefühl, jetzt schnell sein zu müssen, sonst ist das Reh einfach weggesprungen und gleichzeitig unendlich langsam, um es nicht in Unruhe zu versetzen und so in die Flucht zu treiben. Ein paar Bilder entstehen in schneller Folge, immer in der Hoffnung, dass wenigstens einige scharf werden. Die Zeit, zu justieren habe ich nicht, keine 10 Sekunden, der Autofokus aber macht im Zweifel was er will und das kann auch bedeuten, die Zweige im Vordergrund zu schärfen.
Aber ich habe Glück.

In der Mühldorfer Hart

Aber deshalb bin ich nicht herkommen. Wälder wie diesen habe ich direkt vor meiner Haustür. Ich bin nicht zum Spazierengehen hier, nicht um Landschaftsbilder zu machen, auch nicht, um darauf zu hoffen, ein Tier vors Objektiv zu bekommen.

Mein eigentlicher Grund, den Mühldorfer Hart, der zwischen Waldkraiburg, Ampfing und Mühldorf liegt, aufzusuchen, ist ein anderer: Ich möchte drei Orte besuchen, besichtigen (wenn man das so sagen kann) und schauen, ob ich deren Besonderheit, irgendwie erspüren kann, begreifen kann, was hier einst geschehen ist.
Dazu startet heute eine kleine Serie.

Im Wald, kaum 50 km entfernt von daheim… Ein Massengrab.
Drei Gedenkorte, die einen auch nach 80 Jahren fassungslos machen.
Ich werde bald was darüber im Blog schreiben. Jetzt muss ich erst einmal das Gesehene, Gelesene und im Museum bei einer Führung Gehörte sortieren.
Ich bin wieder einmal sprach- und fassungslos, wütend und voller Scham über die Spezies Mensch im Allgemeinen und die Nationalsozialisten im Besonderen.
schreibe ich noch am gleichen Tag in meinen Twitter-, Facebook- und Mastodon-Account.

Ich bin in der Mühldorfer Hart, um mir etwas anzuschauen, was AfD-Faschist Björn Höcke möglichweise als ein weiteres „Denkmal der Schande“ bezeichnen und sein Parteigenosse Alexander Gauland, Ehrenvorsitzender derselben rechtsextremen Partei als Teil vom „Fliegenschiss der Weltgeschichte“ titulieren würde: Das Waldlager IV/V. Einst war es ein Außenlager des KZ Dachau. Auch das Massengrab möchte ich sehen, in dem über 2.000 Tote dieses Lagers im Wald verscharrt wurden und schließlich die Ruinen des vollkommen wahnwitzigen Bunkerbaus.
Davon schreibe ich dann in den kommenden Tagen mehr, denn das Thema ist zu mächtig, um es in nur einem Blogeintrag abzuhandeln. Und daher passt es auch nicht in die Reihe „Spaziergänge“. Aber in mir drängt alles danach, das Gelesene, Gesehene und Gehörte in eigne Worte zu bringen, die Gedanken zu sortieren und meinen Blogleserinnen und -lesern davon zu erzählen.

Aber vielleicht ist es angesichts dessen, was es über den Hart noch zu erzählen gibt, besser, zunächst mit der idyllischen und friedlichen Seite des Waldes angefangen zu haben.

In der Mühldorfer Hart

In der Mühldorfer Hart (Teil 1): Im Wald
In der Mühldorfer Hart (Teil 2): Am Lager
In der Mühldorfer Hart (Teil 3): Am Bunker
In der Mühldorfer Hart (Teil 4): Am Grab

Im Mühldorfer Hart – Was nachzutragen wäre


Vielen Dank fürs Lesen.
Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, dann freue ich mich, wenn Sie ihn Ihren Freunden weiterempfehlen – z.B. über Facebook, Twitter, in Internetforen, Facebookgruppen o.ä.
Haben Sie Fragen oder Anmerkungen zu diesem Beitrag? Dann nutzen Sie bitte das Kommentarfeld.
Gern dürfen Sie meine Artikel auch verlinken.

 

Wenn Sie mir spontan einen Kaffee spendieren wollen, weil Ihnen dieser Beitrag gut gefallen hat, dann klicken Sie bitte auf den Kaffeebecher. Mehr dazu hier.

In meinem Webshop finden Sie ganz neu und exklusiv das neueste Fotobuch Freie Schnauze – Weideschweine von Ursula Zeidler, ein wunderbares Buch für alle, die Schweine lieben.
Außerdem sind ab sofort dort auch ihre bisherigen Fotobücher Paare, Münchner Freiheiten – Zwei Jahre Theresienwiese April 2019-April 2021, Augenblicke, und einfach Kinder  verfügbar.
Weiterhin sind im Webshop auch erhältlich: Mein Fotobuch Im Süden – Bilder eines guten Jahres, die grantigen Geschichten Renate und das Dienstagsarschloch und das Buch von meinen Schwimmerlebnissen in Frei- und Hallenbädern, in Seen, Weihern, Flüssen und im Meer Bahn frei – Runter vom Sofa, rein ins Wasser .

Diesen Beitrag weiterempfehlen:

1 Antwort

  1. Petra sagt:

    Ein Massengrab vom KZ Dachau … ich verstehe deine Wut und Scham. Geht mir auch so und ich bin gespannt was du „ausgegraben“ hast. LG Petra

Entdecke mehr von Mal Zwetschgenmann - Mal Wassermann

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen