Mord und Sport – Ein paar persönliche Gedanken zum abgesagten Radrennen in Frankfurt

Ich habe einen Moment gezögert, ob ich mich über dieses Thema überhaupt äußern soll. Eigentlich – so könnte ich sagen – geht es mich gar nichts an.
– Ich bin weder Frankfurter noch wohne ich in dieser Region. Wir sind vor über 15 Jahren aus dem Rhein-Main-Gebiet fort gezogen.
– Ich bin auch kein Radfahrer, schon gar nicht Rennradler, allerhöchstens kurve ich entspannt ein wenig mit meinem Mountainbike hier durch die Gegend.
– Ich bin kein Profisportler, nicht mal echter Amateur. Ich bin Freizeitsportler durch und durch.
– Und ich besuche auch als Zuschauer kaum Sportveranstaltungen, von gelegentlichen Stadionbesuchen mal abgesehen.
Trotzdem möchte ich, obwohl ich kaum Wort über das finde, was ich gestern und heute in den Medien gemeldet wurde, meine Meinung zu den vereitelten Bombenanschlag auf das Radrennen in Frankfurt äußern.
Zunächst: dass das Rennen abgesagt wurde, ist nur folgerichtig. Niemand, wirklich niemand möchte, dass sich das, was 2013 beim Boston Marathon passiert ist, wiederholt: Ein Bombenanschlag auf eine Großveranstaltung mit Zuschauern und Sportlern als Opfer. Damals starben 3 Menschen, 264 wurden zum Teil schwer verletzt, vielen mussten Beine amputiert werden.
Es ist mehr als nachvollziehbar, dass die Verantwortlichen dieses Riskio auf jeden Fall vermeiden wollten, zumal offensichtlich so Vieles noch unklar ist.
Ein Terroranschlag auf ein Sportereignis, und wenn es auch nur ein geplanter ist, ist aber auch immer ein Anschlag auf uns alle: Auf unsere Freiheit, auf unsere Sicherheit sich im öffentlichen Raum ungefährdet bewegen zu können… und das Recht, das auch zu tun: Sei es als Sportler, sei es als Zuschauer, sei es als Veranstalter, sei es als einer von hunderten von Organisations-, Hilfs- und Einsatzkräften.
Das schockiert mich. Und es macht mich wütend.

Natürlich ist es töricht, sich jetzt ganz besonders darüber empört zu fühlen, dass die Bombe bei einer Sportveranstaltung gezündet hätte werden sollen. Ein Sprengstoffanschlag auf einem Bahnhof oder in einer U-Bahn, einem Kaufhaus, Restaurant oder in einer Fußgängerzone wäre genauso feige, hinterhältig und menschenverachtend. Immer trifft es Menschen. Immer ist es Mord!
Nur hat eine Veranstaltung wie das Frankfurter Radrennen zusätzlich eine ganz andere mediale Aufmerksamkeit – die „Bühne“ ist ungleich größer, wenn Kamerateams und Fotografen ohne Ende vor Ort sind.
Es wäre ebenso töricht zu sagen, Sport sei ganz und gar unpolitisch. Denn das ist er nie. Zumindest Profisport war schon immer eng mit Politik verbunden. Es war immer für den Veranstalter bzw. das gastgebende Land eine Demonstration eigener Virilität und der Versuch, sich ein großartiges Image zu geben. Sport war immer schon auch Plattform für allerlei Proteste und Gegenproteste von medienwirksamen Black-Panther-Fäusten bis Olympia-Boykotten. Das alles ist nicht neu, hat aber mit diesem Radrennen herzlich wenig zu tun. Wie auch Kriege und Bürgerkriege nicht. Der Veranstalter hat mittlerweile mitgeteilt, dass es 2016 wieder ein Radrennen geben werde. Es darf nicht soweit kommen, dass Radrennen, Marathons, Triathlons, Biathlons, Skilanglauf oder gleich welche Art von Sportveranstaltung außerhalb klassischer Stadien und Hallen – ob nun für Profis, Amateure oder den Breitensport – durch den Terror dermaßen bedroht werden, dass sie nicht mehr organisierbar sind und daher nicht mehr stattfinden.
Irgendwie ist es tröstlich im Netz zu lesen, dass trotz der Absage zahlreiche Hobbyfahrer auf die Strecke gegangen sind: Veranstaltungschef Bernd Moos-Achenbach gab um kurz nach 9.00 Uhr in Eschborn den Startschuss für das Jedermann-Rennen, bei dem die Teilnehmer auch ein Zeichen gegen Gewalt und Terror setzen wollen.
Mag sein, dass es auf der Welt Wichtigeres gibt als ein Radrennen. Das ist sogar ganz sicher so. Aber nichts rechtfertigt es, sich deshalb an den Streckenrand unter die Zuschauer zu mischen und dort eine Bombe zu platzieren, um damit ein Zeichen – für oder gegen was auch immer zu setzen. Gar nichts.

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