Männlich? Allein im Auto? – Dann besser nicht

Die Staatsstraße ST 2080 verbindet östlich von München die beiden oberbayerischen Gemeinden Ebersberg und Markt Schwaben. Eine merkwürdige Strecke. Dabei scheint an einem frühen Sommermorgen alles so idyllisch, so friedlich.

Doch der Schein trügt. Düsteres weiß man im Landkreis Ebersberg über den Ort zu berichten. Und nicht nur dort geht eine gruselige Geschichte um, die sich dort ereignet hat.

Da die St 2080 für das Gewerbegebiet Ebersberg Nord die Anbindung an die A94 darstellt, ist sie entsprechend stark befahren. Nicht selten zieht ein Lkw auf zum Teil schnurgerader Straße eine Kolonne an Pkw hinter sich her, überholen ist wegen des Gegenverkehrs ein riskantes Unterfangen.

Und noch etwas ist ein riskantes Unterfangen auf dieser Straße, die den Ebersberger Forst quert: Als Autofahrer (männlich, allein im Auto) nachts die Strecke allein zu fahren. Dann nämlich kann Ungeheuerliches passieren.
Etwa auf halber Strecke im Forst macht die Straße von Hohenlinden aus kommend eine Linkskurve. Und genau an dieser Stelle steht sie und wartet: Die weiße Frau.
Und direkt daneben die Hubertuskapelle, also nicht zu verfehlen.

Tagsüber ist das alles kein Problem, also fahre ich (männlich, allein im Auto) besser tagsüber zu besagter Kapelle, stelle mein Fahrzeug auf einen Wanderparkplatz und schaue mich um.
Schnurgerade gehen in die Wege durch den Wald, der nur ein Forst ist, überwiegend aus Fichten besteht und alles andere als schön ist.

Männlich, allein im Auto

Spazierengehen ist hier offenbar unerwünscht. Die Zeichen sind eindeutig. Vielleicht hat das nur etwas mit Waldarbeiten zu tun, vielleicht aber auch nicht.

Möglicherweise will ich in diesem Moment keine profane Erklärung, aber weitergehen will ich auch nicht. Keine Warnung ohne Grund.

Also widme ich mich dem kleinen Gebäude.

Männlich, allein im Auto

Das Gittertor der Kapelle ist nicht verschlossen, was mich etwas überrascht. Vorsichtig öffne ich die Tür und betrete den winzigen Kapellenraum. Das Gitter behalte ich im Auge, nicht dass es hinter mir plötzlich ins Schloss fällt und sich dann nicht wieder öffnen lässt. Dann säße ich in der Falle. Man weiß ja nie, was an solchen Orten alles passieren kann.

Die Kapelle ist unspektakulär, 1859 entstanden, „durch fromme Beiträge und die Bemühungen des Forstwarts Kühner“. Damals wusste man noch nichts von einer weißen Frau, die im Ebersberger Forst umherspukt, heute weiß jeder davon, der in der Nähe des Waldes wohnt.

Männlich, allein im Auto

Einst nämlich, so erzählt man sich, fuhr eine Frau nachts durch den Forst auf einem Fahrrad. Ein Autofahrer (männlich, allein im Auto), übersah sie. Es kam zu einem tödlichen Unfall, in anderer Lesart zu einem Unfall, bei dem die Frau schwer verletzt wurde. Der Erzählstrang weist nun mehrere leicht abweichende Varianten auf. Entweder fuhr der Mann einfach weiter und ließ die Frau dort sterben, oder die Frau war schon tot. Oder der Mann hielt an und verbarg die Leiche oder schwer verletzte Frau im dunklen Wald und überließ sie ihrem Schicksal.

Letztlich sind die Varianten beliebig. Entscheidend ist, dass die Frau im Wald ihr Leben aushauchte und seitdem als Wiedergängerin diesen einen Fahrer des Autos sucht: Ihren Mörder. Dazu hält sie nachts an der Kapelle Autofahrer (männlich, allein im Auto) an, möchte ein Stück mitgenommen werden und versucht, auf diesem Streckenabschnitt zu erfahren, ob der Fahrer ihr Mörder ist. Wer sich weigert oder gar nicht erst anhält, dem erscheint sie umgehend im fahrenden Wagen auf dem Beifahrersitz und greift ihm ins Lenkrad.
Viele schwere Verkehrsunfälle hatte das in den Jahrzehnten seit die weiße Frau im Forst spukt zur Folge. Nur ein törichter Schelm würde all diese schweren Unfälle mit unkontrolliertem Rasen nachts im Wald in Verbindung bringen, mit nasser Fahrbahn, Laub oder Ablenkung am Steuer. Wo doch jeder weiß, dass die weiße Frau ihre Hände buchstäblich mit im Spiel hatte.

Während all die Verkehrsunfälle dokumentiert sind, gibt es über den eigentlichen Tathergang, den Unfall mit Todesfolge und Fahrerflucht, rein gar nichts. Zahlreiche Journalisten haben recherchiert, Polizei- und Vermisstenakten gewälzt: Keine Spur. So, als hätte diesen Unfall, auf den die Erscheinungen der weißen Frau zurückgehen, nie gegeben. Auch das Buch der unheimlichen Orte in Bayern: schaurige und mystische Plätze und ihre Geschichten von Fritz Fenzl weiß über diesen Vorfall nichts zu vermelden. Aber das Buch ist ja ohnehin eher dürftig, wie in meinen Mediatipps (Teil 23) erwähnt.

Dort erwähnte ich auch etwas Essentielles zur weißen Frau. Wir wohnen seit 1999 in der Nähe des Forstes, das sind schon ein paar Jahre. Gesehen habe ich sie selbst aber noch nie. Aber ich sprach mal mit jemanden, der jemanden kennt und dessen Bekannter hatte vor einigen Jahren mal einen Kollege, dessen Onkel vor vielen Jahren die weiße Frau gesehen haben will. Das ist doch schon ein Beweis für ihre Existenz, oder?

Viele andere berichten auch von merkwürdigen, nicht erklärlichen Lichtphänomenen bei der Hubertuskapelle – nachts wohlgemerkt und immer nur gesehen von Autofahrern, männlich und allein im Fahrzeug,

Männlich, allein im Auto

Und als ich tagsüber zur Hubertuskapelle zum Fotografieren fahre, werde ich, als ich ein Bild an meine Familie schicke, schnell belehrt: Die weiße Frau erscheint doch nur nachts.

Männlich, allein im Auto

Ja, das weiß ich.
Aber nachts durch den Forst und zur Kapelle fahren (männlich, allein im Auto), anhalten, womöglich Fotos machen wollen? Im Leben nicht. So blöd kann doch keiner sein.

Männlich, allein im Auto


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2 Antworten

  1. Oli sagt:

    Schöne Foto-Story von einer Stelle an der ich schon zig mal vorbeigefahren – aber nie angehalten habe. Danke!

    • Lutz Prauser sagt:

      Mach doch mal. Nachts zum Beispiel. Wenn merkwürdige Lichter im Wald zu sehen sind.
      Oder besser nicht.

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