Der deutsche Erklärmichel – wie ich ihn liebe

An der Caló d’en Monjo sitze ich,einer kleinen Bucht in Mallorca, an und in der in den frühen 80er Jahren einige Szenen von Guy Hamilton für Das Böse unter der Sonne gedreht wurden. Längst verblasst ist der Ruhm und die Bekanntheit des Films, die nie besonders groß war, denn der Film war ganz sicher trotz Peter Ustinov als Hercule Poirot kein Blockbuster. Längst auch verblasst die Texttafel, die dort steht und davon erzählt. Der Hollywood-Glanz, den man sich auch in touristischer Hinsicht versprach, ist lange vorbei. Ungläubig schauen die meisten, wenn man von dem Film erzählt – ähnlich ungläubig und unverständig wie die heutige Generation Kinder, wenn sie in der Bavaria Filmstadt den räudigen Fifi Furchur besichtigen und Die unendliche Geschichte längst ihrer Bekanntheit wie Relevanz verlüstig ist.

Ich beschäftige mich nach dem Schwimmen äußerst meditativ mit den kleinen Wellen, die ein paar Steine am Ufer umspülen. Und das Ganze durch mein Kameraobjektiv, denn ich möchte nun auch mal ein „Ahh wie schön“ Bild machen mit samtweich verschwommenen Wasserkonturen. Alles fließt – das wissen wir ja. Das Licht verspricht mehr als Gutes, glänzendes ins Güldene schimmerndes Wasser, hach.
1/4 Sekunde Belichtung aber werden es schon werden, da ist es gut, gleich mal Fotos dutzendfach anzufertigen und möglichst still auf einem Stein zu hocken, quasi im Stadium protophilosophischer Betrachtungen.

Und wie ich so sitze und knipse, drehe ich den Schild meiner Cap nach hinten, das macht das Fotografieren mit einer Systemkamera samt Blick durch den Sucher erheblich komfortabler. Ansonsten finde ich verdrehte Käppis ja eher albern.
Ich also sitze und knipse. Und knipse und sitze.

Unfreiwillig werde ich Zeuge, wie hinter mir ein deutscher Erklärmichel und seine Frau auf einem Mäuerchen Platz nehmen. Kaum haben sie selbigen bezogen, fängt der Erklärmichel an, seine Frau darüber aufzuklären, wie Stand Up Paddeln funktioniert. So als wüsste sie das nicht, so als interessiere sie das, so als wäre er der Erfinder dieser Sportart oder zumindest ein veritabler Experte. So, als könne man das Ganze nicht schon allein beim Zusehen der SUPler in der Bucht von alleine erfassen.
Erklärmichels Frau schweigt zu dem Ganzen, wirft höchstens mal eine Silbe oder ein geräuschvolles Atmen in den Monolog. Das reicht dem Mann. Er ist sich ihrer (vermeintlichen) Aufmerksamkeit sicher und redet ohne Unterlass.
Dass ich das Ganze mit anhören muss, ist dem Klugscheißer egal. Im Gegenteil, ich habe fast das Gefühl, er legt es drauf an. Schließlich wird in dieser Ecke der Balearen-Insel überwiegend deutsch gesprochen. Mit schöner Selbstverständnis raunt mir einer ein deutsches „Danke“ zu, als ich ihn an einer Engstelle vorlasse, mit ebenso gleicher Selbstverständnis fragt man mich bei einer Wanderung auf deutsch nach der Weite des noch kommenden Weges. Niemand kommt hier auf die Idee, dass es hier auch Leute geben könnte, die deutsch vielleicht gar nicht verstehen.

Nachdem die SUPler auf dem Wasser nun kein wirklich erquickendes Thema mehr für den dauerschwafelndeb Landsmann darstellen, schwenkt der Erklärmichel um, deutet auf einen Vogel und sagt: „Der lebt ja hier wirklich im Paradies!“.
Zugleich aber räumt umgehend und laut ein, dass er im Moment nicht genau weiß, was für eine Art das ist, spekuliert in Richtung einer eher seltener Entenart und scheitert damit kläglich.
Denn es ist – wer wüsste es nicht? – ein Kormoran, hinlänglich als solcher erkennbar, bekannt und zumindest meiner Meinung nach Bestandteil der Allgemeinbildung. Zumindest für Klugscheißer.

Spekuliert der Mann jetzt, dass ich mich umdrehe und ihm die Art bestimme? Eher nicht, denn wenn Erklärmichel etwas gar nicht mögen, dann ist das, wenn sie an einen, der es noch besser weiß, geraten. Sprich: Sie mögen keine Besserwisser, selbst wenn die es wirklich besser wissen und nicht nur irgendetwas daher klugscheißern.
„KORMORAN!“ ruft es in meinem Kopf, ich versuche zu schweigen und zu knipsen.

„KOR – MO – RAN!“ (selbstverständlich dudenprüfbar richtig getrennt!) „Sie ornithologische Flachpfeife!“ Es ist der Ruf fassungsloser Verzweiflung, schmerzhaft in seiner brüllenden Stille, während der Erklärmichel sich nun endgültig auf „irgendeine Ente“ festgelegt hat. „Eine Möwe ist ja weiß und der Vogel hier ist ja schwarz.“

„KOR – MO – RAN!“

Da er auf dem Feld nicht weiterkommt, startet der Mann einen nächtsten Anlauf mit neuem Thema und schießt nun vollends den Vogel ab. Er bedeutet seiner noch immer einsilbigen Frau, der Typ vor ihnen mit der Kamera (er meint mich) sei vermutlich Franzose. Schließt er das daraus, dass ich nicht antworte? Nein.
Er hat meine Cap betrachtet und erklärt der Gattin, die vermutlich innerlich entweder vollends abgestumpft ist oder kurz vor dem Gattenmord steht, zumindest sei ich wohl Fan eines französischen Fußballvereins. Er wisse, so formuliert er betont hörbar, gerade nicht welcher das sei, aber käme noch drauf. „Das Wappen. Die Farben, ich kenn das. Warte. Ich hab’s gleich! Azur, Azur…“ grübelt er und windet sich vor und im Unwissen.
Soll er. Ich drehe mich jedenfalls nicht um und helfe ihm. Das würde ihm auch nicht viel nützen, denn die Cap ist nun mal alles andere als eine Fußballfan-Kappe und schon gar keine aus Frankreich.
Nach dem Verlust meiner Fan-Kappe (borussisch schwarz gelb im Kozara Nationalpark) habe ich mir als Ersatz in Mostar eine neue gekauft. In der blauen Farbe und mit dem Wappen Bosniens. Das am wenigsten peinliche Produkt dort.

Schade Erklärmichel!
Setzen sechs!
Du hast einfach keine Ahnung!

PS: Vom Erklärmichel werden wir hier demnächst noch öfter etwas lesen. Er lauert einfach überall. Und er ist immer gruselig. Ich hoffe, Sie mögen ihn genauso sehr und gleichzeitig so wenig wie ich.


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1 Antwort

  1. Kurt Schaller sagt:

    Hallo. Da freu ich mich aber auf weitere Folgen.

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