Back to Eden – Eindrücke von der Landesgartenschau in Kirchheim
Vielleicht ist die Arbeit Back to Eden der Oberhachinger Künstlerin Claudia Starkloff das für mich Beeindruckendste für Kopf und Gemüt. Gärtnerisch besonders ansehnlich allerdings ist es nicht, aber das soll es auch nicht sein. Denn hier geht es um Kunst – und um eine Aussage. Und die trifft präzise und tief, zumindest, wenn man sich dem nicht verschließt.
Das Kunstwerk Back to Eden steht im Holy Garden, einem Teil der Bayerischen Landesgartenschau in Kirchheim östlich von München. Der Holy Garden wird von der katholischen Erzdiözese München und Freising gemeinsam mit dem Evangelisch-Lutherischen Dekanatswerk München verantwortet. Und hier geht es weit mehr um die Verknüpfung von Kunst und Garten, um Botschaften und Begegnungen in gestalteten Räumen als um gärtnerische Höchstleistung. Munitionskisten hat Claudia Starkloff bepflanzt mit Kräutern, Blumen, Obst und Gemüse; auch mit Pflanzen aus Kriegsgebieten. „Duft und Schönheit überstrahlt die dunklen Kästen, neues Leben entsteht: Hoffnung auf Back to Eden.“ So steht es im Flyer.
Und anders lässt es sich auch nicht interpretieren. Back to Eden – Hoffnung gepaart mit Optimismus. Wo ließe sich eine solche Zusammenstellung besser empfinden als in einem heiligen Garten?
Die Kirchheimer Landesgartenschau hat Erstaunliches geschaffen: Einen wunderschönen Park im zersiedelten Speckgürtel im Münchner Osten, wo Dörfer längst zu Städten ohne viel Charme mutiert sind, riesige Gewerbegebiete ringsum die Flächen versiegeln, jede Baulücke geschlossen wird. Ein kleiner Garten Eden, eine dringend benötigte grüne Lunge, eine Frischluftschneise zwischen Kirchheim und Heimstetten. Eine Oase. Ein Garten Eden?
Der Park wird bleiben, wenn die LaGa beendet ist, dazu der kleine See, der Skaterpark, die Anbindung der Grünanlage an Schulen und deren Schulhöfe, an das Bürgerhaus, das Jugendzentrum, die neuen Siedlungen. Das macht die Investition in eine solche Schau nachhaltig und wertvoll für die Bürger:innen der ausrichtenden Gemeinde. Und es schützt wenigstens diese Fläche vor einer Bebauung durch ein weiteres Möbelhaus nebst benachbartem Schnellrestaurant. Im Vorfeld wurde, wie so oft, natürlich genörgelt und gemeckert. Kaum ein Projekt dieser oder größerer Dimension kann heute mehr entstehen, ohne dass nicht irgendwer den Finger hebt und sich über temporäre Einschränkungen und Zumutungen beschwert. Motzkis, wohin man blickt.
Jetzt aber ist erst einmal Landesgartenschau. Biodiversität, Blühpflanzen, Insektenweiden, Wassernutzung, Selbstversorgung, Nachhaltigkeit… für Gartenbaubetriebe, die hier ihre Show-Gärten aufgebaut haben, ist das ebenso Thema wie für die Bayerische Forstwirtschaft und die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau. Garten ist nicht pure Natur, Garten ist Gestaltung, kann aber so viel mehr sein als ein Blumen- und/oder Gemüsebeet, ein mit der Nagelschere geschnittener Rasen oder eine vollflächige Verschotterung des Grundstücks mit einer Gips-Skulptur aus dem Baumarkt und einem in Form geschnittenen Buchsbaum.
Beim Stand der Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbaut erfahren wir viel Wissenswertes und Neues: Taglilien sind ebenso essbar wie Funkien. Wir werden von Gewürztagetes und Shiso (Perilla frutescens) angefixt und drehen am Quiz-Rad. Da nämlich kann man sein Wissen unter Beweis stellen, was per se ja etwas für mich ist. Wir beantworten Fragen nach dem Sinn einer Stadtbegrünung. Diese führt ja derzeit zum Beispiel in Erding zu massivem Unmut der Ladenbesitzer, denn zugunsten neuer Bäume sollen 23 Parkplätze (!) in der Altstadt wegfallen. Da regt sich Widerstand derer, die immer noch nicht begriffen haben, dass die Attraktivität einer Innenstadt und vor allem die Lebensqualität derer, die dort wohnen, nicht von den Parkplätzen direkt vor ihrer Ladentür abhängt.
Mit diesem profundem Wissen gewinnen wir die beiden Samentütchen Salatbar und Blütensnack. Ganz fair war das nicht, denn diese Aktion richtet sich in erster Linie an die, die noch nicht so in der Thematik sind. Die Mitarbeiterinnen wollen mit ihnen ins Gespräch kommen und aufklären, also ist das Rad weniger für die gedacht, bei denen die Eulen längst nach Athen getragen wurden. Aber wir möchten auch gern Samentütchen, also machen wir mit.
Dass eine Landesgartenschau eine andere Funktion erfüllt als botanische Gärten, Forschungs- und Sichtungsgärten, ist klar. Hier geht es primär um Gärten, die eigenen vor- und hinter dem Haus, Parks und Landschaftsgärten und deren sinnvolle Gestaltung. Anregungen, Ideen, Wünsche, Träume, Motivation, das alles kann man sich hier holen und mit nach Hause nehmen. Da ist es allerdings auch recht und billig, dass Gartenbaubetriebe sich präsentieren können, aber auch Bürgergärten angelegt wurden, Grabgestaltung ein Thema ist, manche Gärten enorm viel Sinn und Spiritualität aufgeladen wurden, was mir allerdings gelegentlich etwas zu viel des Guten ist. Zu Gärten, die durchkonzeptioniert, -arrangiert und -dekoriert sind, Themen-, Motto-, Traumgärten, Gärten, in denen es blüht, sumselt und brumselt vor lauter Bienen, Hummeln, Wespen, Fliegen, Schmetterlingen, Käfern.
Wem das alles zu viel wird: Auf den Grünflächen gibt es hunderte von Bänken und Liegestühlen, Hängematten und Sitzkissen, Sonnenschirmen und -segeln. Ein Gelände einfach nur zum Chillen, einfach nur, um das Dasein und das Dort sein zu genießen.
Es gibt auch faszinierende Kunst zu sehen: Baumscheiben und deren Jahresringe wurden zu Druckstöcken, in Gewächshausateliers werden Garten- und Blumenbilder ausgestellt, es gibt Infocenter, Pavillons und Musikbühnen. Die Landesgartenschau versteht sich auch als ein Wegweiser, dass ein Garten ein Ort der Kultur sein kann. Das finde ich besonders gelungen.
Neben all dem gibt es eben auch einen etwas abseits gelegenen und daher nicht so stark frequentierten Bereich mit kleinen, hingebungsvoll angelegten Bürgergärten und dem bereits erwähnten Holy Garden, der sich vor allem als Ort der Begegnung präsentiert: Begegnung mit anderen, mit sich selbst, mit der Kunst, mit der Schöpfung oder dem Göttlichen. Je nachdem, worauf einer sich einlassen will…
Was es zu sehen gab und mir vor die Kamera geriet:
Die Landegartenschau in Kirhheim geht noch bis zum 06.10.2024. Für alle gartenaffinen Menschen im Großraum München eine ganz große Empfehlung, sie sich anzusehen. Es lohnt sich!
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Ich mag solche Ausstellungen, auch wenn zu dicht gepflanzt und vieles nach Wochen wieder herausgerupft und nach Jahreszeit neu bestückt wird. Wenn die angelegten Flächen auch nach der Veranstaltung genutzt werden um mehr Grün in die Orte zu bringen, ist es schon ein Gewinn. Wenn allerdings schon vorhandene Grünflächen damit genutzt werden, spart es Zeit und Geld und durch den vorhandenen Baumbestand bringt es für die Besucher angenehme Schattenplätze die auch gärtnerisch gesehen vielfältiger genutzt/bepflanzt werden können. Diesen krassen Unterschied habe ich in Heilbronn als Neuanlage und Bad Lippspringe in einem bestehenden Park deutlich gemerkt.
LG, Nati