Das kalte Grauen
Schaue ich heute aus dem Fenster, bekomme ich das kalte Grauen: Was für ein Mistwetter. Innerhalb von einem Tag sind die Temperaturen um über 10°C gefallen. Es stürmt, Blätter und Äste liegen auf den Straßen, umgeknickte Bäume blockieren Straßenbahnen und den Fernverkehr der Eisenbahnen. Es hat aus Kübeln geschüttet, der erste Herbststurm ist über das Land gezogen. Der Himmel ist eine einzige graue Masse, der Wind fegt noch immer durch die kahlen Äste…
Dabei ist es gerade mal 72 Stunden her, dass Herbert und ich unsere Sonntagsrunden im Wiflinger Weiher gedreht haben. Ich bin kaum dazu gekommen, die Bilder von meiner Kamera herunterzuladen und durchzuschauen, da ist das alles igendwie komplett überholt, wie ein Blick in vergangene Zeiten. Ich vermute mal, der 19. Oktober 2104 dürfte der letzte Tag des Jahres gewesen sein, an dem wir ins Freiwasser gehen konnten.
Es war ein wunderschöner Oktobersonntag, das Thermometer zeigt 23°C an. Herbet und mich zieht es hinaus ins Grüne.hat. Allerdings nicht auf die Wiese am Weiher und auch nicht hinein in den zunehmend brauner werdenden Herbstwald. Wir wollen ins grüne Wasser. Denn das schaut allzu verlockend aus:
Als wir ins Wasser steigen, sind wir bestens vor Kälte geschützt in unseren Neoprenanzügen. Unter den Augen diverser Spaziergänger und Naherholungsausflügler drehen wir unsere Runden im 16°C warmen bzw. kalten Wasser. Und wir sind nicht die Einzigen, die am vergangenen Sonntag den Schritt ins Nass gewagt haben:
Vier andere Schwimmer sehe ich in der Zeit, in der wir am Weiher unterwegs sind, ebenfalls ins Wasser steigen. Alle vier, geschätzt jeder über 60 Jahte alt, tragen nur Badehose bzw. –anzug. Das sind die ganz Harten. Die Sonderlichen. Nein, das sind sie eigentlich nicht. Denn sie schwimmen etwa fünf bis acht Minuten im Wasser, dann sind sie wieder draußen. Das ist verständlich, denn die Temperaturen sind herzerfrischend. Ich habe Respekt vor ihnen, ich denke nicht, dass ich mich nur in Badehose in den Weiher begeben hätte, nicht mal für nur fünf Minuten.
Zum Schwimmen in ein Freigewässer zu gehen, ist also auch im Herbst keineswegs verwunderlich, schrullig oder seltsam, was sicherlich der eine oder andere Ausflügler oder Spaziergänger gedacht haben mag. Es macht einfach Riesenspaß. Der erste Moment ist, das gebe ich gerne zu, fürchterlich… das kalte Grauen. Es ist, als bleibe einem das Herz stehen, als frören Hände, Gesicht und Füße in Sekundenschnelle ab. Was natürlich Unsinn ist.
Aber nach etwa 100 Metern geht es ganz gut. Nach etwa einem Kilometer ist es so schön, dass man gar nicht mehr raus will, zumindest, wenn man im geschützten Neoprenanzug unterwegs ist. Es ist egal, ob ich durch abgerissene, an der Oberfläche teibende Wasserpest und allerlei Herbstlaub schwimme, mir das grüne Zeugs an Ohren, Brille, Händen, Hals uns Füßen hängen bleibt und ich es hinter mir herschleppe. Das kann meine überschwängliche Laune auch nicht schmälern… Nichts kann das in diesem Moment.
Stolz führe ich meine neue Badekappe aus: poppig bunt und im Stil der 70er Jahre; so mit „Love“ und „Peace“, orange und grün. Ich trage sie das erste Mal, die Weiherbesuche vorher war ich zwar auch schon ab vom einheitlich tristen Schwarz über dem Schädel, aber da war es noch der etwas diskretere Union Jack, der den Kopf vor allzu viel Kälte schützen sollte. Gezeigt habe ich sie ja hier schon einmal. Und jetzt gehe ich eben quietschbunt. Andere mögen das grauenvoll finden, ich steh drauf…
Schade, dass damit jetzt erst mal Schluss ist…
Schöner Bericht, und geile Kappe!