Zum Welttag der Fotografie: Was wären 20 Minuten höchstes Glück?

G. ist Fotograf. Gelegentlich sind wir uns in den vergangenen 20 Jahren begegnet, immer wieder kreuzten sich unsere Wege – auch beruflich. Während er seiner Profession und seinem Job treu blieb, gab es bei mir vor einigen Jahren eine Veränderung, seitdem habe ich G. nicht mehr getroffen. Nun aber sehen wir uns auf einer Veranstaltung – mit dem Unterschied, dass er als Auftragnehmer und Hausfotograf an diesem Abend dort arbeiten muss und ich als Gast neben einer Key Note, einem Blick auf die Kunst und vielen guten Häppchen auch launigen Plaudereien frönen kann.

Auch mit G., denn auch Fotografen, die solche Veranstaltungen in Bildern festhalten, machen mal ein Päuschen, trinken ein Wässerchen und in einem solchen Moment kommen wir ins Gespräch.
Früher… ja früher… war ne tolle Zeit… viel erlebt… großartige Erinnerungen… Anekdote von… Weißt Du noch… Vorbei… kann uns niemand nehmen… möchte man nicht missen… ist aber gut, dass es… Haken dran… Das übliche.
G. hat als Fotograf für eine Münchner Zeitung oder als gebuchter Fotograf auf Veranstaltungen, Filmpremieren usw. viele Prominente abgelichtet. Wir müssen gegenseitig nicht auftrumpfen, kein Name Dropping betreiben. Aber es gäbe so einiges zu erzählen.
Und zu bilanzieren. Mit wem konnte man… mit wem nicht… wer fehlt?
Da wird G. sehr plötzlich sehr nachdenklich.
Er habe ja so manchen… aber einen nicht. Wenn er sich wünschen dürfte, bei wem er 20 Minuten für ein exklusives Fotoshooting bekommen könne, würde er nicht zögern: „Den Dalai Lama, das Glück hatte ich noch nicht.“
Er ist fasziniert von ihm und würde, da bin ich sicher, in diesen 20 Minuten tolle und sehr persönliche Portraits von ihm anfertigen. G. kann so was.

Tags drauf frage ich mich aus der Perspektive einer sehr viel tieferen Liga: Wenn ich 20 Minuten lang irgendwen oder irgendetwas fotografieren dürfte und mir dabei alle Möglichkeiten offen stehen: Was oder wen würde ich wählen?

Wohlgemerkt: Es ist ein Gedankenspiel und es ginge darin nur um das Erstellen von Bildern. Also nicht Frau XY oder Herrn Z, um zwanzig Minuten mit diesem Menschen Zeit zu verbringen, zu plaudern, Fragen zu stellen und die Fotos zu Nebensache werden zu lassen. Nicht 20 Minuten in irgendwelchen Archiven, weil es eigentlich um die Dokumente geht oder 20 Minuten an einem Ort, den man als Normalmensch nie betreten könnte (z.B. in der Halbzeitpause die Kabine eines Bundesligavereins). Es soll bei dieser Überlegung nur um die Frage gehen, was würde ich uneingeschränkt 20 Minuten lang intensiv fotografieren wollen (ohne mich dabei, das sei noch angemerkt, in große Gefahr zu bringen)?

Einen Elefanten im Zoo oder in freier Wildbahn? Einen Blaugeringelten Kraken?
Ein architektonisches Meisterwerk, das niemand so ohne weiteres betreten darf?
Ein Lost Place?
Einen Landschaftspark? Ein Naturschutzgebiet?
Einen Promi?
Einen ganz einfachen Menschen?

Ein reizvolles Spiel im Kopf und doch zermartere ich mir eine Autofahrt lang den Kopf. Gibt es da etwas?
Mir fällt der Wunsch ein, den ich vor zwei Jahren hatte, die Silberreiher, die im Winter bei uns in der Region zu Gast sind, zu fotografieren, was ich letztlich auch gemacht habe. Den Supermond. Oder einen Scheltopusik. All das habe ich mir erfüllen können. Aber es wäre auch nicht (allzu) schlimm gewesen, wenn das nicht passiert wäre.
Nun ja – ich gebe zu, wenn ich mir einbilde, im Urlaub Schildkröten zu fotografieren, dann kann ich schon ganz schön gereizt werden, wenn ich keine finde.

Aber 20 Minuten höchstes Glück sind das nicht.

Ja, es gibt Orte und Gebäude, die ich gerne mal sehen und fotografieren würde. Auch Tiere, auch Menschen. Manchen Umweg habe ich auch nur für ein paar Fotos gemacht, manches Ziel nur extra dafür angesteuert. Gelegentlich bin ich kreuz und quer durch die Gegend gerannt oder gekurvt für ein Foto, das es am Ende manchmal gab – und manchmal nicht.

Aber war das ein „once in a lifetime Wunsch“?

Mit Sicherheit nicht. Was wäre dann mein absolutes 20 Minuten Fotografen Glück?
20 Minuten – wen oder was hätte ich da gern vor der Kamera oder wo zum Fotografieren Zutritt und Einblick?

  • Meine Phantasie reicht nicht aus, 20 Minuten eine Person fotografieren zu wollen – um der Motive willen. Aber ich bin auch kein Mensch, der gerne andere Menschen fotografiert.
  • 20 Minuten über eine Veranstaltung schleichen? Durch eine Fabrik, das Oval Office oder einen Sakralbau… oder was auch immer? Ja reizvoll: Aber wo will ich unbedingt mal hin?
  • 20 Minuten unter eine Plane liegen und ein wildes Tier fotografieren? Welches fällt mir ein, das mich so sehr fasziniert, dass ich es unbedingt fotografieren möchte? Schwer vorstellbar, dass ich mit Blauwalen tauchen oder im Ultraleichtflugzeug einen Seeadler umkreisen würde – nein: Gar nicht vorstellbar.
  • 20 Minuten wiederum reichen nicht aus, um irgendeine Landschaft intensiv zu fotografieren, egal wo, egal welche. Gleiches gilt für das Schlendern durch eine Stadt, nicht mal ein Stadtviertel lässt sich in 20 Minuten so fotografieren, wie ich es gern tun würde.
  • 20 Minuten alleine vor der Nofretete-Büste in Berlin und sie hemmungslos fotografieren dürfen? Sicher eine tolle Sache. Aber so toll nun auch wieder nicht, dass das mein großer Traum wäre.

Ich bin und bleibe ein phantasieloser Mensch, oder ein genügsamer. Ich kann durchaus 20 Minuten oder noch viel mehr damit verbringen, einen Brunnen zu fotografieren,

Glück

oder den Mond, einen Fluss oder den Sonnenuntergang. Einen Menschen würde ich hingegen nicht 20 Minuten lang portraitieren wollen. Was nicht heißt, dass ich nicht auch Menschen fotografiere, gelegentlich sogar ganz gern. Aber eben nicht gezielt als „inszeniertes“ Portrait sondern am liebsten dann und dort, wo ich sie mit der Kamera „aus dem Hinterhalt abschieße“, wenn sie sich unbeobachtet fühlen, sich ganz frei und ungezwungen geben, nicht verkünsteln und vor allem, wenn sie bei sich selbst sind.

Glück

Aber ein Herzenswunsch ist das alles nicht. Eher die passende Gelegenheit, die sich ergeben hat. Herbeigesehnt oder darauf gefiebert habe ich sie aber nicht. Vielleicht liegt es daran, dass ich eher die Motive zu mir kommen lasse als gezielt auf die Suche zu gehen. Was nicht heißt, mit verschlossenen Augen durch die Gegend zu stapfen oder sich in mit einem Käffchen niederzusetzen und abzuwarten, was passiert. Aber es heißt eben auch, dass ich nahezu wunschlos bei dem bin, was ich unbedingt mal fotografieren möchte. Oder zufrieden mit dem, was die Natur mir beim Schwimmen, Spazierengehen, Wandern… bietet.

Aber vielleicht fällt mir ja irgendwann noch irgendetwas ein, von dem ich mir sehnsuchtsvoll wünsche, sie, ihn oder es vor die Linse zu bekommen. Bis dahin begnüge ich mich mit den Motiven, die mir vor die Kamera kommen, die ich im Vorbeigehen entdecke oder die mich regelrecht „anspringen“.

Dann ist es mir ein besonderes Vergnügen, wenn Menschen nun wiederum mich bei Fotografieren beobachten, vielleicht sogar die gleiche Position mit ihrer Kamera einnehmen und trotz allem Bemühen das Motiv nicht entdecken und nicht nachvollziehen können, was ich da gerade fotografiere und warum.
Und sei es nur ein Zaun in den Dünen.

Möglicherweise liegt es daran, dass mir der Herzenswunsch, die 20 Minuten höchsten Glücks fehlen, weil ich zwar sehr, sehr gerne und sehr viel fotografiere, es aber nicht die zentrale, alles dominierende Rolle in meinem Leben einnimmt. Es ist eben nicht mein Beruf. Hinter der Kamera habe ich eben noch nicht so viel erlebt wie G., dass ihm kaum noch etwas wirklich für seine Sehnsüchte bleibt.
Aber vielleicht kommt er ja noch, dieser eine Wunsch, der mehr enthält, als nur schöne oder interessante Orte ohne Fotobomber zu fotografieren. Mal abwarten.

Glück

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