Es kommt der Tag, da will die Säge sägen

… und eines Tages kommt der Tag, da will die Säge es eben nicht mehr.
Kann sie auch nicht.
Irgendjemand hat den Stecker gezogen. Seitdem steht die Säge still. Und alles andere auch.

Oder wird hier doch noch gearbeitet?

Ich bin ein wenig ratlos, ob das Sägewerk, dass ich schon lange kenne, wirklich ein Lost Place ist. Dafür spricht, dass ich dort seit Jahren niemanden mehr gesehen habe. Es gibt keinen validen Internetauftritt einer Firma dazu (oder ich konnte keinen finden), alles wirkt wie im Schweinsgalopp verlassen – vertaubt und mit Sägemehl überhäuft.
Aber was mich verwundert: Alles ist offen, nichts ist eingezäunt, kein Betreten verboten Schild, jeder hat zu diesem – zugegeben – unfallträchtigem Ort freien Zugang. Wie kann das sein?


Dagegen spricht auch, dass alles noch nicht ganz so abgeranzt, geplündert, verwüstet ist.
Aber eigentlich ist es das doch…

Es ist höchst unwahrscheinlich, dass dieses Werk noch in Betrieb ist.

So etwas wäre in meiner Kindheit der perfekte Spielplatz gewesen und ich bin sicher, irgendwer aus der Rotte hätte,  sich, wenn es einen solchen gegeben hätte, irgendwann auch an irgendetwas verletzt. Aber ein solches Sägewerk gab es nicht – und alles Vergleichbare, von Schrauberwerkstätten und Schrottplätzen war von merkwürdigen Menschen und zähnefletschenden Hunden bewacht. Auch am Wochenende.Und hier?
Nichts – niemand. Sperrangelweit auf der Eingang, kein Zaun, kein Schild… – was nicht heißt, dass das Betreten erlaubt ist. Es ist immerhin Privatgelände.
Und genau was hätte das dereinst einen Huckleberry Finn gestört, allen Wenn-und-Aber von Freund Tom Sawyer zum Trotz…

Zunächst schaue ich mich auf dem Gelände um. Das verspricht viele, viele Fotos.
Alte, roste Schienen, das Gefährt, um die abgeladenen Baumstämme in das Sägewerk zu bringen. Alles ist noch da, aber alles verrottet.

Brennnesseln, Weiden, Springkraut und Dost umwachsen längst das Gefährt.

Säge

Die Kabel sind sauber durchtrennt. Hier geht gar nichts mehr.

Säge

Säge

Säge
Hinein?
Das ist bestimmt  nicht erlaubt. Ganz sicher nicht. Jetzt kommt’s drauf an. War ich früher Tom Sawyer oder Huckleberry Finn?
Weder noch.
Egal.
Ich husche hinein. Niemand hat mich gesehen.

Säge
Die Neugier treibt mich. Wie im Bauernhof im Januar fasse ich nichts an, nichts wird für ein Bild zurecht gerückt. Vorsichtig taste ich mich Schritt für Schritt vor, so, als wolle ich tunlichst vermeiden, dass mich irgendwer hier herumschleichen hört. Der Grund ist aber ein anderer:

Säge

Unter dem Holzboden sich ein offener Keller befindet. Einige Dielen-Bohlen fehlen, an anderen Stellen wurden OSB-Platten ausgelegt. Tragen die mich?
Das wäre das Letzte, hier im Boden einzubrechen, mich zu verletzen und Hilfe herbei rufen zu müssen. Andererseits: Sie tragen noch immer schweres Gerät und die Schienen für die Schlitten, auf denen die Baumstämme einst durch die Säge gezogen wurden.

Säge

Säge

Noch ein paar Details, inklusive des trüben Fensters mit einer gebrochenen Scheibe – ein absolutes Muss für jeden Lost Place.

Säge

Säge

Säge

Noch immer sind Sägeblätter im Werk.
Mensch Leute, das geht doch nicht. da kann man sich doch verletzen.

Säge

Säge

Aber Huck Finn doch nicht.
Der doch nicht.
Aber der war ich nie.

 


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3 Antworten

  1. manni sagt:

    ich wäre auch hinein gegangen ! Dieses Sägewerk wird sicherlich nie mehr in Betrieb gehen ! Ein Lost Place ja aber sicherlich kein Highlight in dieser Kategorie.
    Die großen Lost Places in Deutschland sind entweder nicht zugänglich, mit Video überwacht und werden inzwischen kommerziell vermarktet.

  2. Bernhard sagt:

    Eine schöne lost Place Fotoserie über ein altes Sägewerk.

    LG Bernhard

  3. Jörg sagt:

    Lost Place – mit Geschichten und Geschichte. Vielleicht ist der Platz doch nicht verloren, sondern verlassen. Was wohl passiert ist, dass nicht mehr gesägt wird? Gab es keine Aufträge mehr, wurde jemand krank und kann den Job nicht mehr machen.
    Auf jeden Fall schöne Bilder, die Geschichten schreiben.
    Gruß
    Jörg

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