Empty spaces – abandoned places
Empty spaces, what are we living for?
Abandoned places, I guess we know the score
Lost places – ein tolles, immer wieder neues und höchst spannendes Thema für alle, die gern fotografieren. Es gibt sie nahezu überall, mehr in den Städten als auf dem Land. Einige kommen und gehen, andere sind erstaunlich langlebig
Längst hat sich eine Community gebildet, die verlassene, oft vergessene Orte aufsucht, dort fotografiert und diese ganz eigentümliche Atmosphäre einfängt, wenn von Menschen Gebauttes sich selbst überlasse einfach so zerbröselt.
Thorsten, ein guter Freund von mir, bewegt sich sehr viel in und an solchen Orten, er weiß von Karten, auf denen Lost Places verzeichnet sind, von sehr populären und von tatsächlich vergessenen Gebäuden der jüngeren Geschichte. Und er kann über lost places ins Schwärmen kommen.
Den meisten Lost Places aber haben ist eines gemein und das macht die Besuche wie auch die Urban Exploration schwierig: Das Betreten dieser Orte ist zumeist verboten. Zum einen aus eigentumsrechtlichen Gründen. Nur weil eine Liegenschaft zerfällt, heißt das nicht, dass sie niemandem gehört. Und der Eigentümer möchte verständlicherweise nicht, dass wildfremde Menschen auf seinem Grund und Boden herumstapfen.
Hinzu kommt die haftungsrechtliche Komponente. Fällt einem nämlich in einem Lost Place ein Dachziegel auf den Schädel, verletzt man sich, weil man über etwas stolpert oder kommt man sonstwie zu Schaden, steht der Eigentümer in der Pflicht. Es sei denn, er verbietet das Betreten des Grundstücks und sichert es ggf. auch ab.
Dann aber ist das Betreten widerrechtlich und mit dem Veröffentlichen seiner Fotos gibt man es quasi sogar zu. Panoramafreiheit kann man hier jedenfalls nicht für sich reklamieren.
Und wer hat schon Lust, zum Beispiel durch eine Industrieruine geführt zu werden statt sie selbst in aller Ruhe zu entdecken?
Und immer nur von der Straße aus auf verlassene Gebäude zu starren, ist ja irgendwie auch öde.
Aber: Bilder von Lost Places, die man samt Standort veröffentlicht, können zudem einen Sogeffekt auslösen – dann bleibt es vielleicht nicht bei dem einen Besucher, der sich nur mal kurz umschaut. Dann kommt vielleicht ein zweiter, dritter, vierter… und so weiter. Es ist wie bei den Hot Spots, die einer breiteren Öffentlichkeit zu verraten unter Umständen katastrophale Folgen haben könnte. Schwierig, schwierig.
Warum erwähne ich das überhaupt?
Weil auch ich mich nicht dem ganz eigenen Charme dieser Orte entziehen kann. Und daher habe ich vor einigen Tagen einen alten, verfallenen Bauernhof, dem ich im Sommer entdeckt habe, spontan wieder besucht.
Es ist eine unwirkliche „Kulisse“, schon deshalb, weil alles echt ist, aber es so aussieht, als stamme das ganze Arrangement aus einem Film, zum Beispiel einem Eberhofer-Krimi. Faszinierend und zugleich deprimierend, wie ein Gebäude samt Inhalt nach und nach seinen Geist aufgibt.
Empty chairs and empty tables
Das Wohngebäude ist verrammelt, die Überhänge zu den angrenzenden Wirtschaftsgebäuden sind sogar zugemauert. Ein paar Blicke durch die fast blinden Fenster verraten, dass fast alles leergeräumt ist. Aber der Eigentümer möchte verständlicherweise nicht, dass sich hier irgendwer unbefugt einfach einnistet. Egal, ob Zwei- oder Vierbeiner.
Die Nebengebäude aber sind teilweise zugänglich. Kein Schild ist zu sehen, das mir das betreten verbietet, was nicht heißt, das es erlaubt ist.
Ich tue es trotzdem und mache einen Schwung Bilder, von denen ich einige hier zeigen möchte.
Wie lange wohnt hier schon niemand mehr? Seit der Flughafen im Erdinger Moos eröffnet wurde und die ausfahrenden Fahrwerke der landenden Maschinen fast den Schornstein vom Dach rasieren?
Leere Fenster, dahinter das Dunkel. Was ist darin zu entdecken?
Phantom faces at the window
Phantom shadows on the floor
Ein alter Sessel.
Wer hat darauf gesessen? Die Altbäuerin mit ihrem Strickzeug? Der Altbauer mit seiner Zeitung? Jemand, der Kinder auf dem Schoß hatte und ihnen vorgelesen hat?
Und viel spannender: Wer hat hier seine Heckenschere liegen gelassen und warum gerade auf diesem Sessel?
Wer hier gearbeitet? Und was?
Noch immer hängt das Geschirr für ein Zugpferd an der einem Balken. Wurde es noch benutzt oder war es bereits damals, als die letzten Bewohner den Hof verließen, nur noch Dekoration?
Gerümpel steht überall; alte Möbel, die ausrangiert und in die Wirtschaftsgebäude gestellt wurden, sind vom Staub und herabrieselnden Putz bedeckt. Es riecht feucht und modrig nach altem, verwitterndem Holz, nach nassem, kalten Staub und Dreck – und nach Trostlosigkeit. Ja, auch die kann man riechen.
Vorsichtig taste ich mich durch die Räume, achte sehr genau, auf was ich trete und schaue immer wieder nach oben. Durch das löchrige Dach fällt das Tageslicht. Fast mehr als durch die Fenster und Türen. Zum Dach habe ich wenig Vertrauen und es ist stürmisch draußen.
Was hoffe ich zu finden?
Nichts, denn ich suche nichts – außer Fotomotiven. Und auch ein verrosteter, einst emaillierter Kleiderhaken, der auf einer Fensterbank liegt, könnte eines sein.
Keine Spuren werde ich hier hinterlassen, nichts anfassen, nichts bewegen, um es für ein Foto zu „arrangieren“. Nicht einmal als ich den Hof betrete, sind draußen auf den wenigen Schneeflächen Fußabdrücke von mir zu sehen. Reingeschlichen habe ich mich wie ein Dieb.
Spaziergänger schieben Kinderwagen am draußen auf dem Weg vor dem Hof vorbei. Ich höre ihre Stimmen, ein Hund bellt. Ich schrecke etwas zurück, als ich sie durch ein Fenster sehe.. Aber sie haben mich nicht gesehen. Wie auch? Ich war einfach nie da.
Won’t someone help me to break up this crown?
Let’s all drink to the death of a clown
In der hintersten Ecke hängt im Fenster ein dreckiger, dauergrinsender Clown. Das ist das Quäntchen Zuviel am Klischee.
Jedem Filmausstatter, der ein Set so dekorierte, würde man sagen, das sei nun doch over the top. Doch die Wirklichkeit toppt wieder mal alle Phantasie.
Wem aber hat die Puppe gehört? Und warum hängt sie über einer Werkbank? Welche Geschichte könnte sie erzählen, würde sie sprechen können? Und würde ich die hören wollen?
Ich denke schon. Es ist nur eine Puppe in einer Scheune eines Bauernhofs, der seit vielen Jahren unbewohnt ist.
Es fällt wirklich enorm schwer, nicht der Faszination der Lost Places völlig zu erliegen und wieder und wieder auf die Suche danach zu gehen.
Werde ich widerstehen können?
PS: Bitte haben Sie Verständnis, dass ich weder die Lage noch die Adresse dieses Hofes verrate noch eine Außenansicht zeige.
Vielen Dank fürs Lesen.
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Ja, der Charme des Verfalles… er zieht viele in seinen Bann, mich natürlich auch. Toller Bericht und tolle Bilder.
Den Ort nicht öffentlich zu nennen ist Ehrensache und sinnvoll. Es gibt genug Idioten die frei rumlaufen und nur eines im Sinn haben: Zerstören. Auch wenn ich bei manchen Bildern im Netz schon gerne gewusst hätte wo die Gebäude liegen um selber dort zu knipsen…
Gruß von der Insel
Markus