Die Sache mit der Nummer Hundert

Noch immer verfolge ich den Plan, möglichst viele beschwimmbare und lohnenswerte Freiwasser in Oberbayern kennenzulernen – lohnenswert grenzt damit alle Teiche und Pfützen aus, ansonsten aber klappere ich Seen und Weiher ab, hab auch die ersten drei Flüsse auf dem Zettel und bin hochmotivitert.
Und hoch frustriert.

HundertIch stehe bei Nr. 99, die Nummer Hundert ist in Reichweite. Da ich mir einbilde, dass dies eine absolute Granate sein soll, schiele ich in Richtung Walchensee, Sylvensteinspeicher, Hintersee; zur Not Spitzing- oder Lödensee.
Mein Kopf hat längst die Parameter festgezurrt: Äußerst idyllisch, gern auch quietsch jodelig (wir sind ja in Oberbayern), gern mit Bergpanorama, gern mit Biergarten in der Nähe, gern ein Promi unter den Seen, gern einer, an dem ich drölfzigtausend Fotos machen kann. Die Wucht in Tüten eben.
Längst hätte das erledigt sein können.
Hätte… hätte… hätte.

Denn irgendwas ist immer.
Naiv beseelt war ich im Urlaub, kreuz und quer durch Bosnien und Herzegowina, flute den Blog mit Beiträgen darüber, und hatte mir ausgemalt, wenn ich wieder im Lande bin, folgt Nummer Hundert. Bis dahin sind sogar die kalten Bergseen etwas wärmer, was mir möglicherweise die Option gibt, den Auserwählten ganz ohne Neo zu beschwimmen, aber Pustekuchen.
Das Wetter zeigt sich allerdings von garstiger Seite, die Temperaturen in allen Seen fallen statt zu steigen. Aber das ist nur ein Teil des Puzzles:
Die Urlaubsstarter wälzt es in die eine, die Urlaubsheimkehrer in die andere Richtung. Und es liegt in der Natur der Dinge, dass die „High-End-Lakes“ alle in den Ferienregionen sind, also Staustrecken. Da die alle aber nicht quasi vor der Haustür liegen, muss ich eine gewisse Anfahrt einkalkulieren. Aber während der Sommerferien ist das höchst uncharmant. Schon an einem Freitag einen kleinen Weiher in der Freisinger Gegend anzufahren, wird eine Nervenprobe, die ich damit beende, umzukehren. Denn auf der A9 staut es sich in beide Richtungen. Kollege Navi und Kollege Google Maps rät offenbar Fernreisenden wie Lastenverkehr, die Autobahn zu verlassen und sich parallel dazu durch möglichst kleine Dörfer nach Norden oder Süden vorzukämpfen, je nachdem wohin die Fahrer der Sattelschlepper, Wohnwagen-Gespanne oder die anderen Teilnehmer der Karawane wollen. Dort treffen sie zusammen mit dem ganz normalen Verkehr, zu dem auch Kieslaster und vor allem viele Traktoren mit Anhängern gehören, denn es ist Erntezeit. Dort treffen die Stauumschleicher auch auf enge Straßen mit parkenden Autos, Ampeln und vor allem auf Baustellen, die durch weitere, noch engere Straßen laut Navi umfahrbar sein sollen.
Halleluja!

Scheiß auf den Weiher – ab zurück nach Erding ins Freibad, ohnehin droht der nächste Regen. Nun könnte ich, wie ich bemerke, den fast am Weg gelegenen Anglberger Weiher ansteuern. Dahin fährt niemand, da ist auch ein Freiwasser – aber sorry Leute: Der Anglberger Weiher als Nummer Hundert?
Ganz sicher nicht.
So meide ich im Moment jegliche weitere Erkundung in der Region, fahre nach Feierabend zu altbekannten Seen und Weihern während das Jahr fortschreitet und der Herbst sich nähert. Ist der erst mal da – und wie nenn ich den Wetterscheiß da draußen anders als Herbst? – dann wird es dieses Jahr nichts mehr. Aber so kurz vor dem Ziel scheitern?

Warum nicht in die Amper? Hatte ich da nicht im Frühjahr von einem schönen Badeplatz gelesen?
Aber in der Amper war ich schon – die zählt nicht, auch wenn es ewig her ist und geschätzte 80 Kilometer weiter flussaufwärts, die Amper mäandert sich nämlich wirklich kreuz und quer durch die Landkreise um München herum. Es ist eben doch das gleiche Gewässer. Außerdem dürfte es in der Amper zapfig kalt sein, im Neo in einen Fluss halte ich für keine so gute Idee, da könnte schnell ein Cut drin sein.
Ich merke schon: Der Sommer 2023 wird mein Endgegner. Nicht nur meiner: Wetterbedingt werden Feiern und Schwimmevents abgesagt, es ist wirklich zum Närrisch werden.
Als ich abends die Kollegin am Pendlerparkplatz südlich von Erding aussteigen lasse, ist bester Sonnenscheim. Fast warm ist es. Perfekt für eine Runde im Weiher.
Eine Viertelstunde später sieht’s da so aus:

Hundert

Es blitzt und donnert nördlich vom Weiher, ein Wetter zieht auf. Den Wind- und Wingsurvern gefällt es, denn war es doch einigermaßen ruhig, frischt der Wind plötzlich kräftig auf.
Sie sausen übers Wasser, natürlich auch dort, wo ich schwimmen würde. Eine Boje habe ich nicht dabei, sie würden mich vermutlich kaum sehen und mir vielleicht einen Scheitel ziehen.
Das brauche ich nicht. Viel schwerwiegender aber ist, dass vollkommen unklar ist, ob das Gewitter nun über den Weiher herzieht oder nicht.
Während im Falle des Falles jeder Surfer in wenigen Minuten am Ufer sein kann und damit runter vom Wasser, ist das beim Schwimmen leider anders. Also verzupfe ich mich unverrichteter Dinge nach Hause. Wie zum Hohn scheint, als ich in die Garage fahre, wieder die Sonne. Nix mit Gewitter, nix mit Blitz und Donner. Noch mal los?
Nö.
Das hole ich tags drauf nach. Eine Runde im Kronthaler. Ich komme nicht mal mehr dazu, wenigstens bekannte Seen, in denen ich länger nicht mehr oder nur ein einziges Mal war, noch mal abzuklappern, um sie im Ranking 2023 vielleicht neu zu platzieren.

Und die Nummer Hundert?
Hören Sie bloß auf, mich damit zu nerven. Es reicht, wenn ich das selber mache.


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