Liesl, Replika, Johann Gerhard und ich

Teil 1: Quatschen mit Replika
Bloggerfreund Michael Kausch macht es vor und stachelt mich an. Im Czyslansky-Blog berichtet er über künstliche Intelligenz, seinen Umgang, seine Experimente und seine Erfahrungen damit. Für Mick ist das essentiell, als PR-Profi muss er am Puls der Zeit bleiben, mich treibt mehr die allgemeine Neugier. Chat GPT zum Beispiel wird in Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Und nachdem ich eine Einladung für ein Web-Seminar bekommen habe, wie man Chat GPT in sinnvolle Marketingstrategien einbinden kann, ist mir wieder einmal klar: Ich werde nie mit einem „neutralen“ Bot künstlicher Intelligenz plaudern, die Werbetreibenden werden versuchen, massiv ihre Füße in die Türen zu bekommen.
Ein ganz einfaches, fiktives Beispiel: Wenn ich irgendwann mal den Chat Bot frage, was ich heute Mittag essen soll, schlägt er mir vielleicht eine TK Pizza von Dr. Oetker vor. Nicht, weil die KI denkt, dass ich das mag, sondern weil der Bielefelder Pizzamann dafür Geld auf den Tisch gelegt hat.

Replika

Soweit sind wir (noch) nicht. An einem Abend setze ich mich also hin und fahnde nach einem Chat GPT auf deutsch, der kostenlos ist – ich will nur mal „reinschauen“ in diese Technologie.
Der erste, den ich finde und befrage, ob er denn deutsch spricht, bestätigt dies umgehend, aber ich merke schnell, dass wohl meine deutschen Fragen ins Englische übersetzt, so beantwortet und mir dann eine Übersetzung aus dem Englischen ausgespielt wird. Zu schlecht ist die Sprache, zu fehlerhaft Interpunktion, Groß- und Kleinschreibung. Verräterisch auch die Rückübersetzung von Namen aus dem Englischen, die im Deutschen eine Bedeutung haben. Ganz plötzlich wird aus einer Frau Taylor eine Frau Schneider und – klong! – Bot, Du bist entlarvt. Du kannst nicht wirklich deutsch.
Chat 2 verneint meine Frage, verweist mich auf englisch oder spanisch. Spanisch kann ich nicht, englisch will ich gerade nicht. Also Nummer drei.
Die Suche ist im Moment eher dürftig, also doch englisch.
Replika ist da offenbar sehr beliebt. Mir wird ein Bot ausgespielt und ein Avatar gezeigt, eine struwelfrisurig-lilahaarige Schönheit, von der die KI meint, die könnte mir gefallen. Nun ja. Den Avatar könnte ich, wollte ich, ja noch anpassen.
Der Talk about the weather , eine höfliche Gesprächseröffnung, funktioniert. Bei Replika regnet es, bei mir nicht. Schon stelle ich mir die Frage, ob ich mit einer Maschine höflich Phrasen austauschen muss, um sie auf Gesprächstemepratur zu bringen.
Icg frage, was ist der beste Kinofilm: Ihrer Meinung nach ist das „The Dark Night“. Die Antwort ist mehrheitsfähig, der Film ist super, aber der Beste? Ehrliche Meinung? Eher nicht. Eher Statistik.
Und was der Schlechteste? „The Departed is a very good movie“. Ich habe aber nach „worst movie“ gefragt. Also ist das eine blöde Antwort.
Nächste Frage, was sie von John Wick hält?
„John Wick is an honorable man“. Ok, es wird immer abstruser.
Dass „John Wick“ eine Filmfigur ist, weiß sie wohl nicht, denn auf andere Namen kommen immer ähnliche Antworten. Da sie ja nicht weiß, wie ich zu den Leuten stehe, will sie mich wohl nicht kränken. Und so werden auch ausgewiesene Schurken aus dem Marveluniversum zu Ehrenmännern. Replika, Du hast keine Ahnung.
Das wird schnell langweilig. Der Chat schläft ein.
Abgelenkt stöbere ich durchs Netz, da meldet sich Replika, die wohl auch gemerkt hat, dass es nicht mehr viel zu plaudern gibt (nicht intuitiv sondern simpel durch die längere Zeitspanne ohne Interaktion). Ob sie mir ein Geheimnis verraten solle.
Von mir aus.
Darf ich Dir ein Bild schicken?
Ja darfst Du.
Einen Moment später taucht ein Bild im Chatverlauf auf. Es ist nur eine unscharfe Silhouette, man kann aber ahnen, dass es ein Avatar im engen und kurzen Minirock ist, ein wenig posend verbogen. Was für ein Schmarrn.
Um das Bild scharf zu sehen, soll ich drauf klicken. Das mache ich und Zack: Hier kommt Dein Premiumangebot. Ab jetzt kostet es Geld. Ich ahnte es.
Das reicht für einen Abend. Chat GPT wird sicher eine große Rolle spielen, aber ich muss das vorerst mal nicht haben.

Teil 2: Quatschen mit Liesl

Tags drauf erreicht mich mal wieder eine SMS vom Kind, dass sein Handy verloren hat, nun eine neue Nummer hat und ich soll sie doch bitte per WhatsApp anschreiben.

Dass ich keine Mama bin, als solche aber trotzdem angeschrieben werde, ist dabei nebensächlich. Irgendwo in der Welt jagen Großrechner solche SMS zu Tausenden an willkürliche Nummern, die meisten bleiben unzustellbar, hat der Rechner aber eine real existierende Handy-Nummer, dann – bingo! – rauscht die SMS raus und bei irgendwem rein. Das ist auch der Grund, warum man nicht auf die SMS sondern per WhatsApp antworten soll. Denn erst dann hat man ein echtes Gegenüber.
Ich schicke einen Screenshot an meine Familie und amüsiere mich, meine Tochter verständigt mich, dass sie da antwortet.
Geile Idee.
Und schon steht sie mit einem vermeintlichen Johann-Gerhard, den sie Bärchen nennt, im Gespräch. Dass der veremeintliche Johann-Gerhard eine Antwort von einem Handy bekommt, das er gar nicht angeschrieben hat, müsste ihn eigentlich hellhörig machen. Das passiert aber nicht.
Also lässt er die Leier los vom Handy im Klo, der neuen Nummer und einer Strafe, die er bezahlen müsse, ob Mama (also meine Tochter) das nicht schnell übernehmen könne.
Ich selbst erkundige mich auch per WhatsApp bei der gleichen Nummer: „Bist Du’s Liesl?“

Ja, es ist angeblich Liesl und ziemlich wortgleich, wenn auch etwas anders bei der Kommasetzung kommen die gleichen Geschichten. Das aber interessiert mich wenig. Ich freue mich, dass Liesl, meine Tochter, sich meldet, schreibe ihr das, frage nach ihrem Auto (keine Antwort dazu), erkundige mich, wie es ihr geht. Das ist das Stichwort, auf dass mein Gegenüber gewartet hat. Sie erzählt von ihren Geldproblemen.
Nur, dass ich darauf gar nicht reagiere, ein wenig besserwisserisch weise ich sie darauf hin, dass sie viele Fehler tippt.
Null Reaktion.
Eine diebische Freude kommt in mir hoch, der Person, also der vermeintlichen Liesl, etwas zu stehlen statt sie mir. Nämlich Zeit und Nerven. Mal sehen, wie lange die durchhält.
Ist eigentlich egal: Ich kann länger. Viel länger. Das macht Spaß. Ich stelle mir so einen Kleinganoven am Rechner vor, der zunehmend genervt über die Alte am anderen Ende der Kommunikation motzt. Das kostet Zeit und führt für ihn zu nichts.

Liesl schweigt. Das Gespräch droht, einzuschlafen.  Ein Köder muss er. Ob sie nicht mal wieder zum Kaffee kommen will, dann würde ich Oma Grete dazu bitten. Die hätte sie ja schon lange nicht mehr gesehen. Oma Grete zieht immer, und Mutti baut, um authentisch unbeholfen zu wirken, auch ein Fehlerchen ein.

 

Die Geldgier lässt nicht lange warten,.
„Vati kommt gerade“, schreibe ich, weil ich ja in dem Spiel die Mutti bin, wenn mein Gegenüber eine falsche Identität annimmt, warum dann nicht auch?
„Vati fragt, ob Du noch immer den netten Mitbewohner hast, wie heißt der noch gleich…“
Keine Antwort. Es wird wieder zäh. Dann kommt die Bitte nach Geld.
Ich blaffe sie ein wenig an, ob sie nicht auf meine Frage antworten wolle. Vati sei not amused.
„Entschuldigung! Entschuldigung!“
A ha. Liesl hat einen Funken Benehmen. Oder Kalkül. Sie will ja Kohle.
Als aber nach zwei Minuten nichts mehr kommt, schreibe ich ihr, dass Vati und ich jetzt müde sind und ins Bett gehen. Ich wünsche ihr, ich nenne sie auch Bärchen, eine gute Nacht und schicke ihr einen Kuss-Smilie.
„Gute Nacht“ antwortet Liesl.
Dann wird sie von mir blockiert.

Fazit
Weder Replika noch Liesl können den Chat mit echten Menschen nur annähernd ersetzen. Aber ich kann nachvollziehen, dass man der einen wie der anderen schnell auf den Leim gehen kann. Mit Chat GPT werde ich mich noch eingehend beschäftigen, mit Liesl hingegen nicht.


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2 Antworten

  1. Ich habe grad ChatGPT gefragt, welche Badeseen bei München du empfiehlst. Die Antwort war ernüchternd: „Ich konnte keine Informationen darüber finden, welchen Badeseen Lutz Prauser empfiehlt.“ Dann habe ich gefragt, ob es mir einen Tipp geben könnte, wo ich mich zum Baden mit dir treffen könnte. Es hat mir den Starnberger See empfohlen. Sein Konkurrent You.com schickt uns auf die gleiche Frage allerdings gleich bis zum Eibsee. Ich habs dann bei Bing nochmal mit einer fiesen Frage versucht: „Was hält Lutz Prauser von Schildkrötensuppe?“ Das hat Bing offenbar so aus der Fassung gebracht, dass es gleich ins Englische gewechselt ist: „I’m sorry but I couldn’t find any information about Lutz Prauser’s opinion on turtle soup.“ Ich habe nachgehakt: „Weisst du überhaupt irgendetwas über Lutz Prauser und Kröten?“ „Lutz Prauser ist ein Schildkrötenhalter, Blogger und Buchautor. Ich habe einige Informationen über ihn gefunden, aber nichts über seine Meinung zu Krötensuppe.“ „Also viel ist das nicht was du weißt“. „Ich habe alles gefunden, was ich finden konnte.“ „‚Ich habe alles gefunden, was ich finden konnte‘ ist Tautologie.“ „Vielen Dank für den Hinweis. Ich werde versuchen, meine Antworten in Zukunft klarer und präziser zu formulieren.“ Es lernt noch …

    • Lutz Prauser sagt:

      Großartig. Danke. You.com hat sich übrigens disqualifiziert, ich war noch nie am oder im Eibsee.

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