Zu Gast: Der Kiebitzregenpfeifer

„Und?“ fragt mich einer. „Schon was Spannendes gesehen?“
Da ich mit der Kamera mit ausgefahrenem Tele auf einem Pfosten am Speichersee sitze und die Vögel auf der kleinen Insel beobachte, denkt er, ich sei wie er genau deshalb her gekommen.
„Nein!“ antworte ich. „Verschiedene Enten, Schwäne, Blässhühner, Haubentaucher, Kormorane und zig Graugänse!“
Er nimmt das Spektiv, das er geschultert hatte, herunter, klappt das Stativ auseinander und nimmt damit die Insel in Augenschein. „Da ist noch eine Nilgans“ ergänzt er. „Auch nichts Besonderes!“

Kein Kibitzregenpfeifer - jede Menge Graugänse

Wir plaudern ein wenig, ährend seine (ich vermute) Freundin mit der Kamera auf Motivsuche geht, denn es gibt wohl wenig Langweiligeres, als einen Vogelliebhaber beim Birdwatching zu begleiten und ihm zuzusehen, wie er geduldig Ewigkeiten durch sein Fernglas starrt. Das ist allzu verständlich.

Kein Kibitzregenpfeifer -Höckerschwan

Ob ich den Kiebitzregenpfeifer schon gesehen habe, fragt er, was ich verneine. Nicht, dass ich wüsste, dass es Kibitzregenpfeifer gibt, geschweige denn, wie einer aussieht. Wieder einmal fühle ich mich unvermittelt in eine Folge von Midsomer Murders (Inspector Barnaby) versetzt, aber das geht mir öfter so. Nur, dass da eher skurrile Gestalten, skurrilen Tätigkeiten nachgehen, bevor sie auf noch skurilere Art vom Leben zum Tode befördert werden. Davon war in diesem Blog ja schon die Rede, als ich anmerkte, dass alle Viecher sehen Viecher… nur ich nicht. Warum sollte das beim Kiebitzregenpfeifer anders sein?
„Sie müssten aber schon da sein, es gab Sichtungen. Davon habe ich im Netz gelesen.“ erwidert der Andere. „Vielleicht nur nicht an dieser Stelle sondern woanders am See!“
Um mich nicht noch mehr der Blöße hinzugeben, gestehe ich freimütig, dass ich eigentlich gar nicht zum Vogelbeobachten hergekommen bin, sondern wegen der Heidelibellen, die ich bereits ausgiebig fotografiert hätte. „Jetzt sitze ich hier nur nocj ein wenig in der Sonne!“ Ich hoffe, dass der nun etwas enttäuschte Vogelfreund nur ornitho- und nicht auch noch entomologisch bewandert ist und jetzt über Insekten fachsimpeln will.

Kein Kibitzregenpfeifer - Heidelibelle

Schwein gehabt, die Strategie geht auf, Insekten interessieren ihn nicht, mich allerdings auch nicht übermäßig, aber ich wünsche ihm Glück auf der Suche nach dem Kiebitzregenpfeifer und verabschiede mich. „Vielleicht gibt es ja noch ein paar schöne Motive!“ klopfe ich leicht auf die Kamera und trolle mich.
„Libellen hocken ja auf jedem Stein, da wirst Du noch hunderte finden,“ meint er noch und linst wieder durch das Spektiv.

Das stimmt. Auf jedem Pfosten hocken sie dutzendfach auf der Sonnenseite. Träge fliegen sie auf, wenn ich mich mit der Kamera zu nah an sie heranwage, drehen eine Runde und setzen sich wieder. Die Kühle macht auch ihnen mittlerweile sehr zu schaffen.

Kein Kibitzregenpfeifer - Heidelibelle

Kein Kibitzregenpfeifer - Heidelibelle

Etwa einen Kilometer ist der Damm lang, der den Speichersee in zwei Teile schneidet, die Sonne steht tief, es geht ein frischer Wind, ich will mich sowohl in Gegenlicht- als auch in Landschaftsfotografie weiter erproben, was bei letzterem eher Seenfotografie bedeuetet. Dass ich dazu ausgerechnet einen der für mich uninteressantesten Seen ausgesucht habe, ist pure Absicht.

Kein Kibitzregenpfeifer - Zweige, Sonnenlicht spiegelt sich flirrend im Wasser

Schwimmen darf man nicht, es gibt keine Boote dort, keine SUPs – also auf dem Wasser nichts zu sehen, einfach nichts in der knapp 6 Quadratkilometer großen Betonwanne, was übrigens etwa einem 443stel der Fläche des Saarlands entspricht. Alles wird immer mit der Fläche von Fußballfeldern oder dem Saarland verglichen, also mache ich das auch. Mir ist es aber zu doof, auszurechnen, wie viele Fußballfelder auf den Speichersee passen würden.

Speichersee - Blick gen München

Das heißt aber nicht, dass es hier nichts zu sehen und zu fotografieren gäbe. In der Tat finde ich manch reizvolles Motiv, probiere Fotos hier und da, mal nach Westen, mal nach Osten vom Damm herunter.

Speichersee - vertrocknete Disteln

Kein Kibitzregenpfeifer -Sonnenlicht spiegelt sich flirrend im Wasser

Als ich mich von der Finsinger Seite aus auf den Rückweg mache, ist die Zeit schon fortgeschritten. Wolken schieben sich vor die Sonne, der Wind ebbt ab, das Wetter scheint zu kippen.

Kein Kibitzregenpfeifer -Sonnenlicht spiegelt sich flirrend im Wasser

Kein Kibitzregenpfeifer -Sonnenlicht spiegelt sich flirrend im Wasser

Damm zwischen den beiden Teilen des Sees

Auf halber Strecke kommen mir der Vogelbeobachter und seine Freundin entgegen.
Ob er fündig geworden und einen Kibitzregenpfeifer habe aufspüren können, frage ich ö.
„Ja mehrere!“ antwortet er selig und zückt wie auf Befehl sein Handy hervor und zeigt mir Aufnahmen, die er durch das Spektiv gemacht hat. „Man muss auf dem Damm ein Stück laufen, dann von der Rückseite auf die Insel schauen. Da stehen sie zwischen den anderen Vögeln! Musst Du unbedingt mal hin. Bevor die wieder weiterziehen.“ Dann wünschen wir einander ein schönes Restwochenende.
Irgendwie ist so ein Spektiv samt Stativ ja ne coole Sache. Handy dran schnallen, zack Foto!

Stattdessen mache ich zig Fotos mit dem Tele aus der Hand. Zumindest ein Stativ wäre jetzt nicht schlecht.

Kein Kibitzregenpfeifer -aber eine bunte Vogelschar

Ich entdecke einen Silberreiher auf der Insel. Ein mittlerweile häufiger Wintergast, was man vom durchziehenden Kiebitzregenpfeifer eher nicht sagen kann. Selten kommt dieser muntere Geselle aus der Tundra hier vorbei, lese ich später im Netz.
Zunächst nimmt der Reiher meine Aufmerksamkeit in Beschlag. Er wird immer unruhiger, als zwei Graugänse krawallig aneinandergeraten. Dem grazilen Reiher wird das zu unruhig, er fliegt davon.

Silberreiher im Flug

Für mich ist das auch Zeichen, den Standort zu wechseln und endlich der Empfehlung zu folgen den Damm ein Stück entlang zum angegebenen Ort zu laufen. Dort mache ich weitere Fotos von der ganzen Vogelschar. Ich bin nicht der Einzige, der mit der Kamera herumschleicht, der Speichersee ist für Vogelbeobachtungen ein renommierter Hotspot.

Kein Kibitzregenpfeifer - einsamer Fotograf auf dem Damm

Erkennen tue ich weder was im realen Leben noch auf dem Display der Kamera. Doch später daheim auf dem Bildschirm sehe und erkenne ich ihn, den Kiebitzregenpfeifer zwischen Graugänsen und Kormoranen. Den ersten in meinem Leben.

Bevor ich gehe, mache ich noch ein Bild von der Brücke über den Isarkanal. Das ist für die FB-Gruppe „Traumhaftes Bayern“ gedacht und wird dort umgehend veröffentlicht. Dazu der Kommentar: „Eigentlich klar, warum sich so viele Norddeutsche und Holländer hier in Bayern saupudelwohl fühlen – es sieht ja an einigen Ecken genauso aus wie daheim. 😁

Hier zum Beispiel bei Landsham.“

Keine Überraschung, dass das Bild kaum Beachtung findet. Der Hauptteil der Nutzer der Gruppe gar nicht aus Bayern, sondern kommt nur als Sommergast hierher. Die mögen es vermutlich nicht, wenn man sich ein wenig spöttisch über sie äußert.

Was soll’s? Ich habe einen Kiebitzregenpfeifer gesehen und einen Silberreiher im Flug fotografiert. Das rechtfertigt alles.


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