Einst in Speyer – kein Cappuccino für Harald

#Writerslife ist etwas Wunderbares. Man kommt eben viel rum im Leben. Noch mehr aber ist von Vorteil, will man die unterschiedlichen Regionen unseres Landes kennenlernen, wenn man sich zu Lesungen, Tagungen, Workshops, Vorträgen etc. einladen lässt. Dann nämlich lernt man Städte kennen, in denen man nie war, nie gedacht hat, sie mal zu besuchen und hin und wieder ganz verzückt ist, wie nett es dort ist.
So war ich im Februar in Speyer in der Pfalz, konnte einen Blick auf und in den Dom erhaschen, die Fußgängerzone entlang flanieren und weitere flüchtige Eindrücke sammeln.Speyer - Dom
Nun geht es an dieser Stelle nicht um Speyer, über das sicher viel zu erzählen wäre, sondern um Renate.
Und wo Renate weilt, ist Harald meist auch zugegen. Während ich beim Stadtspaziergang in der Stadt und einem Blick in den Dom von Renate gottseidank verschont bleibe, treffe ich sie am nächsten Morgen im Hotel im Frühstücksbuffet. Renate scheint ein ausgesprochener Fan von Städtetripps zu sein, jedenfalls sind Stadthotels immer eine gute Gelegenheit, die menschgewordene Heimsuchung aller Frühstücksbuffets nach ihr Ausschau zu halten.
Eigentlich muss man das aber gar nicht – denn sie sorgt schon selbst für genug Aufsehen, wäre nicht im anderen Ende des Raums eine Gruppe Westfalen, die auf irgendeiner Messe irgendwo in Speyer teilnehmen, alle Badgets am Hals tragen und lautstark debattieren. Damit übertönen sie alles, selbst Renate, die mit Harald zwei Tische weiter sitzt. Erst als sich der Trupp, der sich intensiv über die mangelnde Zuverlässigkeit der Dortmunder Müllabfuhr echauffiert hat, verschwunden ist, gehört die Bühne Renate. Die nämlich ist gerade dabei, Harald zurechtzuweisen. Renate möchte nämlich los. Zeit wird’s, die Stadt zu erkunden, eine geeignete Route dafür, bei der sie alle Sehenswürdigkeiten abklappern können, hat sie bereits zusammengestellt. Darüber referiert sie gerade, derweil Harald angespannt einen Kaffeelöffel zwischen seinen Fingern hin und herdreht.

Ein Cappuccino in Speyer - für mich. Nicht für Harald

„Kannst Du den nicht einfach liegen lassen?“, weist sie ihren Gatten zurecht. „Das macht mich ganz wuschig!“ Bisher kannte ich wuschig eher aus einem anderen Kontext – und nein, ich möchte mir jetzt nicht vorstellen, wie Renate wuschig wird und welche Auswirkungen das haben könnte. Sie aber meint sicher nur die Bedeutung unruhig, nervös.
Harald erhebt sich.
„Wo gehst Du jetzt hin?“
„Ich hole mir noch einen Cappuccino!“
„Warum das denn? Du hattest doch  schon einen“, zeigt Renate auf die leere Tasse.
„Ich mag halt noch einen!“
„Lass das mal lieber.“
Harald bleibt zögernd neben dem Tisch stehen. In kurzer Folge feuert Renate einen Grund nach dem anderen ab, dass Harald sich keinen Cappuccino mehr holen soll, so schnell, dass er kaum Luft holen kann, um auch nur auf den einen zu antworten.
„Erstens wollen wir jetzt los und zweitens weißt Du doch genau, wie nervös Du wirst, wenn Du zu viel Kaffee trinkst. Dann bist Du ja kaum auszuhalten!“
Harald starrt sie nur an, so, als wolle er fragen, wer denn hier eigentlich derjenige ist, der übernervös ist.
„Außerdem ist zu viel Kaffee gar nicht gesund für Dein Herz. Davon, dass Du dann dauernd aufs Klo musst, wollen wir hier gar nicht reden!“
Das Sperrfeuer ihrer Argumente verfehlt seine Wirkung nicht. Und um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen, erhebt Renate sich ebenfalls. Damit ist das Frühstück beendet. Harald brauch sich gar nicht einzubilden, dass er sich noch etwas holen und wieder hinsetzen darf.
Indigniert greift er nach der kleinen Tablettendose, die auf dem Tisch liegt, lässt sie in seine Hosentasche verschwinden und folgt Renate, die bereits auf dem Weg Richtung Ausgang ist.

Dann sind sie weg – und ich habe den Frühstücksraum für mich. Kein Gast mehr da, nur eine emsige Mitarbeiterin, die das Schlachtfeld am Dortmunder Tisch und das von Renate und Harald hinterlassene Bröselwerk beseitigt.
Still und fast ohne Geräusch verrichtet sie diese Arbeit.

Welch eine Ruhe – endlich.

Frühstücksraum im Hotel in Speyer

 

Jetzt noch einen Cappuccino, dann noch mal aufs Klo. Und dann reite ich los.

 


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2 Antworten

  1. Sonja sagt:

    Da sind wir aber froh, kein Frühstücksharald zu sein!
    Speyer im Sommer hat südländisches Flair und ist ein Eldorado für Historiker, nicht zu reden von agilen Museumsgängern…aber ruhig jetzt, bin nicht Renate, zum Glück!
    Gruß von Sonja

  2. Über den „Dingen schweben“ dabei einen Cappo trinken. Das wär´s doch ….

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