Im Eisland unterwegs
Kalt war’s die Tage im Eisland, still und starr ruhte der See…
Nicht nur Corona, auch der Winter hatte das Land gerade fest im Griff. Nur dort, wo die Sonne sich ihren Weg durch den Nebel bahnte, kletterte das Thermometer auf ein oder zwei Grad. Ansonsten – 4 °C.
So am vergangenen Wochenende.
Wenige Kilometer von uns entfernt liegt der Wörther Weiher und gleich daneben ein ganz kleines Landschutzgebiet. Sozusagen der große gezähmte Bruder und sein wilder Artgenosse. Der Wörther Weiher, im Sommer ein begehrtes Naherholungsgebiet und für mich zum Saisonbeginn und Ende ein regelmäßig aufgesuchtes Schwimmrevier ist unter einer Eisdecke verborgen. Die Bojen, Orientierungs- und Wendepunkte beim Schwimmen im Sommer, wirken im Eisland nutz-und funktionslos – und einsam. Es wird dauern, bis die ersten Schlittschuhläufer sie umkreisen werden, denn mittlerweile taut es wieder. Wenn es denn überhaupt passiert…
Die Decke ist nicht stark genug, dass sie Schlittschuhläufer tragen könnte. Niemand wagt sich aufs Eis. Was klug ist. Ein paar Spaziergänger sind zu sehen – der Boden ist spiegelglatt, sie tasten sich vorsichtig auf den Wegen am Ufer entlang.
Nebenan, im Schutzgebiet ist nichts zugefroren, was damit zusammenhängt, dass die Schwillach durch den Weiher hindurchfließt. Ich komme immer wieder mal her, ich mag diesen Ort inmitten der Felder – man kann sich so wunderbar wegträumen ins Sonstwohin. Perfekt für kleine Fluchten. Vor ziemlich genau eine Jahr habe ich dort Fotos gemacht und hier zusammen mit einem Gedicht von Annette von Drost-Hülshoff veröffentlicht: An einem ungewöhnlich mildem Wintertag.
Wie anders sieht es dieses Jahr dort aus .
Ein feiner Wasserdampf steht über dem Weiher – ein Schleier. Zusammen mit anderen Weihern, Fischteichen, alten Kiesgruben und endlos viele kleiner Bäche und Rinnsale sorgt er dafür, dass das ehemalige Erdinger Moos ein fortwährendes Nebelloch ist. Während bei uns vor der Haustür der Himmel blau ist und die Sonne scheint, löst dich „die dicke Suppe“ nur fünf Kilometer weiter den ganzen Tag nicht auf.
Aber auch das hat seine Reize. Der Nebel friert an Pflanzen fest. Messerspitze winzige Eisdornen bilden sich, überziehen Zweige, Früchte, vertrocknete Blätter.
Großzügig gemessen hat der fast runde Weiher einen Umfang von etwas mehr als 400 Metern, die kleine Halbinsel, die im Süden ins Wasser ragt, mal nicht eingerechnet. Dass eine Umrundung mit einer Kamera trotzdem über eine Stunde dauern kann, ist allerdings weniger meiner lahmen Fortbewegung geschuldet, als dem suchenden Auge: Wo könnte ich was fotografieren? Und habe ich nicht bereits alles, was es hier zu sehen gibt, dutzendfach auf meiner Festplatte.
Das Eisland? Die Kälte im Moor im Winter selbst zur Mittagsstunde?
Spürt man die überhaupt beim Betrachten eines Fotos?
Ein Versuch ist es wert.
Also stapfe ich auf der Halbinsel herum. Der Boden unter mir ist bedenklich weich, keineswegs gefroren, das Fließgewässer hält ihn taufrei. So sumpfig hier der Untergrund ist, könnte ich bei einem unbedachten Tritt bis über den Knöchel im Wasser stehen. Nicht zuletzt, weil Meister Bockert, der Biber, hier regelmäßig ganze Arbeit leistet.
Fraßspuren sind überall zu sehen, wo die Bäume nicht mit Draht ummantelt sind, um ihn am Nagen zu hindern.
Plötzlich wird es laut: Ein Schwarm Graugänse unter die sich auch ein paar Kanadagänse gemischt haben, kommt angeflogen – ganz offensichtlich, um im Weiher zu landen. Ich sehe sie durch die Baumkronen, wie sie mehrere Kreise ziehen.
Jetzt wird es allerhöchste Zeit, einen anderen Platz zu suchen, um die Gänse etwas besser fotografieren zu können. Da die Vögel das wiederum wahrnehmen, landen sie nicht, sondern drehen noch ein paar weitere Runden, was gut fürs Fotografieren ist. Die keilförmige Formation teilt sich in mehrere kleinere Gruppen – wenn sie jetzt statt ihrem Geschrei vielleicht Wagners Walküren-Ritt anstimmen könnten, wäre das für mein kleines Arthouse-Kopfkino optimal.
Ta da ra taaa taa – ta da ra taaa taaa. Ta da ra daaaa. Oder so ähnlich.
Weniger gut, dass es so diesig ist. Wollen mal sehen, was die neue Kamera so kann. In schneller Folge mit 200mm Brennweite, immer die Gänse im Visier haltend, also die Kamera in permanenter Bewegung, das hätte die alte niemals geschafft. Die Neue aber macht ihre Sache ziemlich gut.
Einige landen zwar im Wasser, fliegen aber sofort wieder unter wüsten Protestlauten auf, als eine Spaziergängerin mit Hund sich dem Ufer nähert. Immerhin konnte ich bei der Gelegenheit ihre charakteristischen schwarzen Hälse sehen und sie von den Graugänsen unterscheiden.
Es wundert also nicht, dass eine Umrundung eines Teiches Stunden dauern kann. Das Ergebnis sind dann auch wieder knapp 100 Fotos für was auch immer.
PS: Ein sehr weiser Mann sagte einmal während eines Vortrags bei einer Veranstaltung in Wuppertal, er bewundere es, dass es Leute gäbe, die von der Erde aus Vögel im Flug direkt ins A……ch fotografieren oder filmen könnten.
Das bleibt in Erinnerung.
Ich übe zwar noch (z.B. am Wochenende im Schwillachtal), aber dereinst möchte auch ich genau für diese Fähigkeit bewundert werden. Man wird ja bescheiden mit seinen Ansprüchen und Zielen…
Vielen Dank fürs Lesen.
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Eine herrliche Landschaft und tolle Bilder.
Sehr stimmungsvolle Motive vom Wörther Weiher (Moor!) und wunderschöne Details! Ich habe es jedenfalls sehr genossen. Deine Graugans-Aufnahmen möchte ich auch noch einmal besonders hervorheben. Es schätze, es wird gar nicht mehr lange auf sich warten lassen, bis dich jemand gezielt anspricht und für das Fotografieren/Filmen von Vögeln im Flug lobt. ^^
Gruß hinüber
Michèle