Was von früher: Pakete für die Zone

Ein Paket wurde gepackt. Wieder mal eines. Für die Menschen in der Zone. So nannte meine Oma das, so nannte es auch mein Vater. Wir Kinder hatten keine wirkliche Vorstellung, was mit der Zone, die manchmal auch Ostzone genannt wurde, gemeint war. Wir wussten nur: Da wohnen Menschen, die meine Oma kannte, keine Verwandte, wohl alte Freunde oder ehemalige Nachbarn. Onkel Erich war einer davon. Onkel nannte mein Vater ihn, wenn er von ihm sprach, auch wenn es „nur“ ein Nennonkel war.

Irgendwer lebte in der Nähe von Perleberg. Diese für mich Unbekannten erhielten regelmäßig Pakete von uns. Denn „denen drüben“ ging es nicht gut, wie die Oma erzählte. Die konnten kaum etwas kaufen. Bei ihnen gab es nichts, die Regale in den Geschäfte seien immer leer. Dieser ominöse Onkel Erich und die seinen brauchten also Unterstützung. Die bekamen sie in Form von Paketen.

Was darin war?
Gemahlener Kaffee, irgendwelche Seifen und Badezusätze, mal eine Büchse Erdnüsse, Studentenfutter oder ein paar Tafel Schokolade oder einen Schokoladennikolaus, vor allem aber Garderobe. Überwiegend waren das Kleidungsstücke, die meinem Bruder oder mir zu klein geworden waren und noch gut genug waren, um sie „in die Zone zu schicken.“
Mein Bruder, der nur ein Jahr älter als ich ist, und ich waren ungefähr gleich groß. Das ersparte mir das demütigende Auftragen seiner Sachen, aus denen er herausgewachsen war. Überhaupt war das Auftragen ausgemusterter Kleidung bei uns nicht angesagt. So sehr meine Eltern auch an verschiedenen Ecken und Enden sparten, so sehr wir uns auch mit C&A-Chic begnügen mussten, es war immer fast alles neu. Nur ein einziges Mal gab es, soweit ich mich erinnere, Hosen und Pullover, die der Sohn eines Freundes meines Vaters getragen hatte. Vielleicht war es in den 60ern und 70ern auch eine Art Statussymbol, nichts von Anderen auftragen zu müssen, „so etwas nicht nötig zu haben“. Es wäre mir zutiefst peinlich gewesen, in einer Jacke, die jeder in der Nachbarschaft als Jacke vom X kannte, weiter herumlaufen zu müssen. Und meiner Mutter wohl auch.
Also gab auch meine Mutter nichts von dem, aus dem wir herausgewachsen waren, an irgendjemand anderen in der Nachbarschaft oder im Freundeskreis mit kleineren Kindern weiter. Altkleidersammlungen gab es noch nicht, also ab damit in den Osten, die konnten das ja brauchen. Dazu kamen auch immer wieder mal Kleidungsstücke, die meine Eltern selbst nicht mehr haben wollten. Altkleidersammlungen gab es noch nicht.

Dieser Onkel Erich war wie mein Vater und seine Mutter, also unsere Oma ein Kriegsflüchtling, ein Heimatvertriebener aus Schlesien. Nur hatte das Schicksal ihn eben auf die andere Seite der Mauer verschlagen. Die lebten drüben in der Zone. Nicht gut gelitten dort, wo man sie zunächst einquartiert hatte und auch später wenig willkommen, als sie sich auf eigene Füße stellten. Das war im Westen übrigens nicht anders. Mitnichten war es so, dass die bundesrepublikanische Nachkriegsgesellschaft bereitwillig alle Türen öffnete für Schlesier, Ostpreußen, Sudeten, Pommern und sie mit offenen Armen empfing. Was aber eine andere Geschichte ist.

Da die Geschenksendungen in die DDR steuerlich absetzbar waren, sammelte mein Vater das ganze Jahr akribisch alle möglichen C&A-, Kaufhof- und Horten-Quittungen und reichte diese dann mit den Einlieferungsscheinen der Pakete beim Finanzamt ein. Es wuchs mehr als einmal zum Drama aus, wenn nach einem Klamottenkauf der Beleg nicht auffindbar oder vergessen worden war. Kassenzettel nämlich gab es noch nicht automatisch, die Verkäuferin füllten die Quittungen auf Verlangen mit Hand aus.
Weiß der Himmel, ob Paketinhalte und die auf den Quittungen vermerkten Sachen tatsächlich identisch waren. Ich glaube, das war eher selten der Fall. Und wenn doch, dann war zwischen Kauf und Versand eben eine größere Zeitspanne, in der wir die Sachen selber trugen, derweil das Finanzamt längst die Belege vorgelegt bekommen hatte. Kontrollierbar war das ja nicht, das Paket war ja längst weg.

Im beginnenden Winter mehrte sich der Stress, das nächste Paket sollte unbedingt rechtzeitig verschickt werden. Keiner wusste, wie lang das auf dem Weg sein würde, aber es wäre doch schön, wenn es noch vor Weihnachten ankäme. Meine Mutter wurde unwirsch. Was hatte sie damit zu tun? Es waren für sie wildfremde Menschen, noch dazu aus dem Umfeld ihrer Schwiegermutter, mir der sie nun nicht das allerbeste Einvernehmen hatte. Sie brachte vom Konsum Kaffee, Schokolade, Seife mit, nicht etwa den guten Gala von Eduscho oder die Schogetten von Trumpf, eher die günstigeren Marken. Die hauseigenen No-Name-Produkte gab es noch nicht, aber zum Beispiel die günstige Schokolade, die Gisela hieß. Die gab es bei uns daheim für uns Kinder allerdings auch nur.

Enkelkinder hatte die Familie von Onkel Erich nicht. Seine Tochter (oder Nichte?) schrieb immer wieder Briefe voller Dankbarkeit und berichtete detailliert, was sie mit diesen Geschenksendungen alles anstellte, wem sie welche Kinderpullover oder Jacken weitergaben und damit eine Freude machen konnte. Es war klar, dass sie im Gegenzug auch etwas dafür bekommen hatten, davon aber schrieb sie nichts. Das dürfe sie, erklärte unser Vater. Die Briefe würden gelesen und vielleicht zensiert. Gelesen? Von wem? Ist das überhaupt erlaubt? Und zensiert? Wie unsere Schulaufsätze?
Wir Jungs verstanden zu wenig davon, um das Ganze einordnen, geschweige denn bewerten zu können. Aber es interessierte uns auch nicht wirklich. Für uns waren das Fremde in einem fremden Land.

Später, als die Grenze durchlässiger wurde, lud die Tochter (oder war es doch die Nichte?) von Onkel Erich uns ein, sie in ihrem Dorf zu besuchen.  Also fuhren meine Mutter und mein Vater mal rüber in die DDR und statteten ihnen einen Besuch ab. Den Kofferraum luden sie nicht nur mit abgelegter Kleidung voll sondern auch mit einem Großeinkauf bei Aldi, mit all den Sachen, von denen sie wussten oder meinten, es herrsche Mangel daran drüben hinter der Mauer.
Onkel Erich war da längst tot, man kannte also einander nur von Briefen und Paketen, die hin und her geschickt wurden. Denn hin und wieder kam auch ein Päckchen aus Perleberg. Das enthielt staubtrockenen Dresdner Christstollen, den niemand bei uns wirklich mochte. Gespickt war er mit glibberigen Rosinen, Zitronat und Orangeat. Mich gruselte davor.
Mein Bruder und ich fuhren auf dieser Reise, die meine Eltern danach weiter nach Berlin führte, nicht mit. Wozu auch? Kein Bedarf. Später bereisten wir die DDR dann alleine, tageweise von Berlin aus oder auch für länger. Da nannten wir sie schon lange nicht mehr von der Zone. Ohnehin war meine Oma die einzige, die statt DDR  Zeit ihres Lebens mit allergrößter Selbstverständlichkeit Zone statt DDR sagte.

Meine Mutter erzählte nach der Rückkehr, wie sie vom Donner gerührt war, wie bewegt und zugleich beschämt von der Tatsache, dass sie so viele Menschen in dem kleinen Ort getroffen hatte, die in ihren oder den von meinem Vater abgelegten Sachen herumliefen und Kinder in den alten Pullovern meines Bruder und von mir. Sie erkannte all die Kleidungsstücke wieder. Wir waren mittlerweile Teenager, erneuerten unsere Klamotten schneller als sie kaputt gingen, hatten dem C&A Lebewohl gesagt und rannten dem einen oder anderen Modetrend hinterher, so dass aus unseren Schränken regelmäßig ausgemistet wurde – alles für die Zone natürlich. Natürlich.
Wie froh und bis zur Unterwürfigkeit einige in dem Dorf bei Perleberg waren, war meiner Mutter höchst unangenehm. Immer kam während ihres Besuchs irgendein Nachbar oder Freund vorbei und wollte sich persönlich bedanken. Es war ihr zutiefst peinlich, weil es ja doch, wenn auch einigermaßen gut erhalten, nur Altkleider waren. Alles war zudem höchst kreativ längst steuerlich abgesetzt.

Letzten Endes verstanden meine Eltern diese Dankbarkeit aber als Signal, auch weiterhin Pakete zu schicken. Sie sahen es so, dass die Garderobe, die ja zum Wegwerfen noch viel zu schade war, von den Bekannten in der DDR gebraucht und überaus gern genommen wurde; und sei es als Tauschgeschäft. Es kostete sie ja nichts, bis auf die Sachen vom Supermarkt, die auch ins Paket gelegt worden waren. Das aber holte sich ja mein Vater von der Steuer zurück.
Und so hatten eben alle was davon.

PS: Mein Dank gilt Jens Hofmann, der Hobbykosmonaut. In dessen Blog Tomatenhund las ich den Beitrag Das Westpaket, in dem er schildert, wie das war, als in seiner Kindheit zu Weihnachten Westpakete in der DDR ausgepackt wurden. Das fand ich sehr inspirierend, es erinnerte mich, wie im Gegenzug in meiner Kindheit Ostpakete gepackt wurden.


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10 Antworten

  1. Markus sagt:

    Ich kann mich auch noch dran erinnern, dass meine Oma Sachen nach „drüben“ verschickt hat oder zumindest davon erzählte. Meistens waren ihre Geschichten aber weniger angenehm, wenn es um ihren Bruder ging, der da drüben wohl irgendwas zu melden hatte und das auch auslebte. Sogar gegenüber Mutter und Geschwistern.

  2. Jens sagt:

    Danke Lutz,
    du hast diese historische deutsche Eigenheit von der anderen Seite aus beleuchtet. Wenn ich noch einmal tief nachdenke, habe ich auch ab und an einen Pullover oder gar eine Stonewashed Jeans aus dem Westen bekommen, natürlich waren die von C&A. Keine Frage. Aber immerhin besser als die Käfer- oder Wisentjeans von hier.
    Und auch hier spielt der zweite Weltkrieg eine nicht unwichtige Rolle: Mein Opa hatte einen Kriegskameraden, der wohl wie sein Vater war und aus dem Westen kam sie sind in dieser irren Zeit zusammengewachsen und danach ist der Kontakt nicht eingeschlafen, seine Kinder und später
    seine Enkel hielten und halten immer noch Kontakt. Aber Westpakete gibt es schon lange niht mehr.
    Danke für den Text, sonst gerät ja so etwas in Vergessenheit.

    • Lutz Prauser sagt:

      Vielen Dank nochmal, lieber Jens, für den Impuls, das Thema habe ich sehr gerne aufgenommen.
      Es stimmt, wir sollten diese Geschichten erzählen und aufschreiben, so vieles geht sonst verloren.

  3. Susanne Schneider sagt:

    Danke für diesen Bericht. Ich gehöre zu jenen, die Westpakete erhielten (meist durch Aktionen in der Kirchgemeinde, wir gehörten nicht zu den Glückspilzen, die Westverwandtschaft hatte). Es entwickelte sich eine Brücke zu einem älteren Ehepaar, sie schickten 3-4 Pakete im Jahr mit Kleidung, die uns Kindern passen könnte. Wir fanden sie großartig, auch wenn sie oft schon sehr abgetragen war und schrieben viele überschwängliche Dankesbriefe. Lebensmittel waren fast nie drin. Das geforderte Inhaltsverzeichnis war immer auf abgerissene Kalenderblätter geschrieben, oft schien es, dass unten etwas abgetrennt war. Viel später bekamen wir heraus, dass das Ehepaar immer als letztes Schokolade oder Kaffee aufführte. Die Pakete waren oft vom Zoll geöffnet und notdürftig wieder verschlossen worden. Wir waren entsetzt, dass Kaffee und Schokolade also oft herausgenommen wurden.
    Zwei-, dreimal besuchte uns das Ehepaar und ließ sich von uns durch die Gegend fahren und alles zeigen. Meine Eltern überschlugen sich fast an diesen Tagen, um das Beste vom Besten heranzuschaffen.
    Später, nach der Wende, besuchten wir das Ehepaar im Westen und wollten uns für die jahrelange Unterstützung bedanken, denn es half uns wirklich viel. Der Besuch war deprimierend. Wir bekamen die Sache mit der Steuer brühwarm erklärt und auch sonst war kaum etwas von Herzlichkeit zu spüren, im Gegenteil, wir fühlten uns aufdringlich. Deprimiert fuhren wir wieder heim. Da wir damals 1990 noch ein Ostauto fuhren, bekamen wir überall auf den Straßen zugehaltene Nasen und Mittelfinger zu sehen. So etwas vergisst man leider nicht, auch wenn ich inzwischen viele sehr nette Leute „aus dem Westen“ kennenlernte. Ich hoffe, ich kann es eines Tages vergessen.

    • Lutz Prauser sagt:

      Vielen Dank für Deine Schilderung. Es ist ungemein spannend, diese Geschichten aus beiden Perspektiven zu lesen. Dass der Zoll Pakete öffnete, war immer klar, dass die sich aber kräftig bedient haben, erfuhren meine Eltern auch erst bei ihrem Besuch in der DDR.

  4. Clara Himmelhoch sagt:

    Danke, lieber Lutz – irgendwie konnte ich nach so vielen Jahren nach der Wende über deine Geschichte schmunzeln, denn ich gehörte wie Susanne zu der Seite, die in sehr großem Abstand von der sehr knickerigen Westverwandtschaft Pakete bekam – mein Halbbruder war ein ziemlich hoher Beamter bei der Wuppertaler Polizei – aber dem Inhalt der Pakete sah man sein sicher sehr gutes Gehalt nicht an. Na gut, er hat es ja sicher nicht gepackt, sondern seine Frau, die etwas raffgierig veranlagt war, wie ich bei späteren Besuchen vor und nach der Wende feststellen konnte.
    Lustig fand ich lediglich „Perleberg“ – dort ist mein Exmann geboren und aufgewachsen und seine Schwester mit der ganzen großen Familie wohnt immer noch dort.
    So schlecht, wie der Westen unsere Versorgungslage dargestellt hat, fand ich sie nicht – ich bin immer satt geworden – na gut, das Obst- und Gemüseangebot war weitaus einfallsloser als heute.
    Danke für deinen Artikel – wie gesagt, hat mich belustigt. Ihr habt „Zone“ gesagt, für uns war es immer der „Westen“ – ihr hattet Glück, das stimmte wenigstens mit der Himmelsrichtung überein.

    • Lutz Prauser sagt:

      Liebe Klara, danke für Deinen Kommentar und Deine Perspektive und Erfahrungen zu diesem historischen Thema.

  5. Kurt Schaller sagt:

    Danke Lutz für diese Geschichtsstunde.
    Ich selbst hatte keine Verwandte in der DDR, aber ich hatte übers das Jugendwerk Düsseldorf einen Brieffreund. Diesem habe ich auch Pakete geschickt, viel Lebensmittel und auch Kleidung. Er hat sich mal eine Nietenhose gewünscht, ich wusste gar nicht was das war. Also haben wir eine Jeans gekauft und überall an den Übergängen und Nähten, Nieten eingebracht. Wir mussten uns dafür sogar eine Nietenzange kaufen. Was immer mit in das Paket musste, waren Plastiktaschen in allen Größen. Die Mutter wünscht sich Klosterfrau Melissengeist, aber der durfte nicht ins Paket. Dass man das alles von der Steuer absetzen konnte, hab ich übrigens nicht gewusst.
    Aber ich durfte meinen Freund in Ost-Berlin besuchen. Er wohnte in der Nähe von Berlin und ich bin nach West-Berlin gefahren. Im Palast der Tränen sind wir uns zum ersten Mal begegnet und das werde ich nie vergessen. Immer den Blick kreisen lassen , damit man keinem Spitzel in die Falle geht, die Typen vom Jugendhaus waren bei den Oberen nicht beliebt.
    Wir vom Westen mussten ja ein Visum inklusive Zwangsumtausch für 10 DM kaufen, aber das konnten wir gar nicht alles ausgeben. Deswegen bekam der Brieffreund das Ostgeld und musste mein Essen davon bezahlen. Im Gegenzug haben wir dann die Geschenke im Intershop für DM gekauft und dann bekam die Mutter auch ihren Klosterfrau Melissengeist, schön in einer Plastiktüte. Meinem Freund standen die Tränen in den Augen.
    Als er zum Bund musste hat er in der DDR verweigert so wie ich in der BRD. Man hat uns sämtliche Kontakte unter Gefängnisstrafe untersagt und wir sahen uns nie wieder. Nach der Wende habe ich vergeblich versucht ihn zu finden aber sein Name taucht nur 3 mal im Internet auf. Ich habe alle angeschrieben aber sie waren es nicht. Schade, ich wüsste gerne was aus ihm geworden ist.

    • Lutz Prauser sagt:

      Vielen Dank lieber Kurt für Dein Feedback und Deine Geschichte. Es ist wichtig, diese kleinen Episoden in Erinnerung zu behalten und davon zu erzählen. Danke

  6. Axel Prauser sagt:

    Als Bruder erinnere ich mich natürlich auch daran. Ergänzend ist noch zu sagen, dass es doch ein verwandschaftliches Verhältnis über die Schwestern meiner Oma gab und dass es einmal sogar den Gegenbesuch im Westen gab, als die Reisefreiheit für Pensionäre in der DDR/Zone eingeführt wurde. Auch das war ein bewegender Moment – aber irgendwie ohne, dass es uns bewusst wurde, was es damals bedeutete im anderen Teil Deutschlands zu leben. Ich für meinen Teil habe sehr gerne die Kinderbücher gelesen, die uns zusammen mit dem Christstollen geschickt wurden. Das Papier war irgendwie anders und manchmal waren die Seiten nur unzureichend gedruckt. Aber gestört hat es nicht. Ich habe die Bücher heute noch und inzwischen muss ich sagen, dass sogar diese Bücher indoktrinierende Inhalte hatten bzw. bekannte Westbücher in ein DDR-konformes Format gebracht wurden. Als ich dann 1984 nach Berlin (West) zum Studium umzog, hat sich mir einiges erschlossen, was als Kind völlig unklar war. Die DDR war für mich stets eine Art Ausland mit besonderen Regeln – die innige Verbundenheit mit wie bei meiner Oma oder meinem Vater gab es nie, da der persönliche Bezug gefehlt hat. Mit dem Mauerfall, den ich dann kurz vor dem Wegzug aus Berlin noch miterlebt habe, verbinde ich besondere und intensive Momente, die ich nicht missen möchte. Transitstrecke, Reagan-Besuch und Rede, Polenmarkt, Mauer-Spechte die ersten Übertritte am Brandenburger Tor mit Stempel im Reisepass, später auch direkt neben unserem Haus ins Umland Falkensee. Das alles hat mich doch sehr geprägt und daher fehlt mir jegliches Verständnis für politische Strömungen im rechten Umfeld, Fremdenhass und Antisemitismus. Leider macht sich das nicht nur in Deutschland sondern auch in anderen europäischen Ländern breit.