Dünnes Eis, ganz dünnes Eis am Inn
Es knirscht und knackt unter jedem Schritt, das dünne Eis ist fragil. Es bricht, kaum, dass man einen Fuß darauf gesetzt hat. Es macht Spaß – ja. Aber damit zerstört man ein kleines, filigranes Wunderwerk mit seinen Füßen. Und das ist mehr als schade.
An einem kalten Sonntag im Januar verbringen wir den frühen Nachmittag an den Ufern des Inns in Wasserburg. Der Wasserstand ist niedrig. Behäbig fließt der Inn, den ich auch ganz anders kenne, wild, ungestüm und voller Wasser in einer Schleife um die Altstadt. Dort, wo es sonst gluckert und gurgelt, liegen Sand und Kies frei, locken die freien Flächen Spaziergänger und Kinder von den Wegen hinunter ans Ufer.
Bankerl laden zum Verweilen ein – es ist eine besondere Kunst, an einem Wintersonntag eine freie zu finden, die in der Sonne steht und sie so zu fotografieren, als sei man mutterseelenallein dort. In Wahrheit nutzen Hunderte das Wetter aus und flanieren am Inn entlang. Ganz gelingt es mir nicht, ein menschenleeres Foto zu machen, es hätte nur vielleicht eine Minute mehr gebraucht, bis der Spaziergänger unterhalb der Bank am Ufer gar nicht mehr zu sehen ist, aber schon nähern sich zwei Radfahrer und nehmen die Bank in Beschlag. Das ist dann eben so. Und eine Bank im Schatten am Inn, die bei den Temperaturen natürlich unbesetzt bleibt, wollte ich nicht fotografieren.
Einen Teil des Weges gehen auch wir über die Steine direkt am Inn. An den schattigen Stellen ist das zurückgebliebene Wasser zwischen den Steinen zu Eis gefroren, es bildet dünne Krusten unter denen sich nur noch Luft befindet. Es knirscht und knackt unter jedem Schritt. Die kaum zwei Zentimeter dicke Eisschicht ist überall aufgeplatzt, gebrochen, geschichtet. Hier bombt niemand meine Fotos.
Wie heißt es doch so schön?
Wenn es dem Esel zu gut geht, dann geht er aufs Eis – was in diesem Fall nicht in erster Linie meint, auf glattem Untergrund auszurutschen und sich auf die Visage zu legen. Vielmehr meine ich, dass es eselhaftes Verhalten ist, so etwas Filigranes kaputtzutreten. Aber die Eisfelder sind sehr groß, es bedürfte da schon mehr als eines Esels, überall die dünnen Eisflächen einzutreten.
Das Heranzoomen des Eises und der Kieselsteine mit dem Tele der Kamera erweist sich als ungemein spannend, weil jegliche Einordnung der wahren Größenverhältnisse immer schwieriger wird. Es fehlt an Vergleichen. Kaum tennisballgroße Steine könnten ebenso gewaltige Felsbrocken an der Küste eines Polarmeeres sein, postkartengroße Eisstücke auch Treib- und Packeisschollen, die sich übereinander lagern – alles eben eine Frage der Phantasie.Nur eben, dass sich unter dem Eis kein Wasser befindet sondern Luft.
Nur Luft.
Vielen Dank fürs Lesen.
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