Buxenparade (Teil 6): Drei Streifen – rot

In den Tiefen meines Kleiderschranks, in der untersten Schublade, also da, wo sich Schwimm- und Fahrradhosen gute Nacht sagen, dämmert quasi komatös noch immer eine Adidas-Badehose. Einst löste sie die Speedo ab, von der ich bereits geschrieben hatte. Die dreifstreifige war die erste Badehose, die ich nicht mehr in Übergröße gekauft habe. Dabei hatte doch ein Online-Sportartikelversender extra darauf hingewiesen: „Die Badehosen fallen eng aus – bitte eine Größe größer bestellen.“ Lächerlich. Als wenn ich das nötig hätte. Ich doch nicht.
Das ist kaum mehr als viereinhalb Jahre her, und doch kommt mir das vor wie eine kleine Ewigkeit vor.
Damals notierte ich im Blog: Nun machen Männer mit Bauchansatz und schmalen Schultern in Lycra-Hosen keine besonders gute Figur. Aber darum geht es ja nicht. Der Sinn des Ganzen ist es ja nicht, eine gute Figur zu machen, sondern eine halbwegs ansehbare zu bekommen. Und da mich sowieso keiner im Schwimmbad persönlich kennt, ist es auch völlig egal, wie ich dort auflaufe.
Trotzdem: Eine schwarze, möglichst unauffällige Hose wird gekauft. Nicht etwa eine in kreischigen Farben, ich bin schließlich kein Pavian und muss nicht unbedingt einen roten Arsch aus dem Wasser strecken… Und dieses Mal erlaube ich mir einen Hauch roter Farbe – also den drei Streifen auf beiden Seiten und dem Logo am Bund. Mehr nicht. Aus besagten Gründen.
Besser ist das.
Mittlerweile sind die Schultern nicht mehr ganz so schmal, der Armumfang hat sich etwas geweitet, der Bauch ist immer noch da, aber deutlich kleiner als früher. Was so viel heißt: Selbst in komplett entspannter Positur mit herabhängender Wampe und am Beckenrand stehend könnte mein Gegenüber diese Badehose sehen. Das ist nicht bei allen so und das ist auch nicht selbstverständlich. Auch davon schrieb ich bereits.
Dass die Adidas eine nur sehr kurze Karriere als „My most favoured swim suit“ hatte, liegt wohl daran, dass ich wenige Monate später die O’Neill gekauft habe, in der ich wie erwähnt so verdammt gut ausschaue. Seitdem wird die Adidas-Buxe mit den drei roten Streifen eher selten verwendet. Denn in ihr schaue ich – wenn ich ehrlich bin – lang nicht so gut aus. Eher mopsig, wie ich vor einiger Zeit mal bei Sichtung der Unterwasserselfies mit Erschütterung und hemmungslos-ehrlicher Selbstkritik bemerkte. Um das zu kaschieren, spiele ich mit einem der wenigen Fotos, auf denen ich die Hose trage, gewaltig herum. Ich liebe Bildmanipulation und blähe mich zum Platzen auf… Jetzt nämlich schau ich erst so richtig schmerbäuchig aus…
Na bitte, geht doch.
Als nächstes lasse ich so viel Luft raus, bis die Taille jede Wespe vor Neid erblassen lässt:
Das eine wirkt so wenig echt, wie das andere. Aber die Bildmanipulation es macht mindestens so viel Spaß wie sich früher auf dem Jahrmarkt im Spiegelkabinett vor die Zerrspiegel zu stellen. Also photoshope ich… Und die Wahrheit liegt sowieso woanders.
Die Adidas ist trotz ihres Alters übrigens bisweilen im Betrieb. Gelegentlich ziehe ich sie im Neoprenanzug an, irgendwie aus Loyalität, aus alter Verbundenheit. Jetzt könnte ich sagen: Für den Gebrauch im Neo reicht die olle Buxe allemal, da muss man nicht sein Edeltextil hernehmen. Im Neo sieht sie sowieso keiner.
Aber das Denken ist falsch.
Es geht ja nicht darum, was die anderen sehen… ok, das ist gelogen. Darum geht es auch. Aber nicht nur.
Es geht mehr um das Gefühl, das sich einstellt, wenn man weiß, welche Hose man gerade trägt. Das ist nämlich mitnichten beliebig. Ich finde: Buxe ist noch lange nicht Buxe – jede ist einzigartig, jede hat ihren Charakter und jede wirkt sich unmittelbar auf das Gemüt des Trägers aus – was umgekehrt heißt: Bestimmte Stimmungslagen erfordern auch bestimmte Badehosen.
Das halten sicher manche für versponnen, einen Spleen, eine Macke – mir egal. Dann ist das eben so. Es gibt Tage, da könnte ich die Adidas-Hose nicht ertragen, es gibt Tage, da ist sie das Modell der Wahl im Neo. Dass jede Buxe auch noch ihre Geschichte hat, kommt bedeutungsschwer dazu.
Noch immer ist sie erhältlich, wie ich im Netz geprüft habe. Offensichtlich ist sie ein unverwüstlicher Klassiker und – will man dem Hersteller glauben – perfekt für alle Trainingsintensitäten, mit den dynamischen, kontrastfarbigem Einsätzen und der 6,5 cm Seitennaht, reibungsarmen Flatlocknähten und Infinitex Gewebe.
Und ein Kordelband innen zum Fixieren hat sie auch. Und ein Vorderfutter. Was will man schließlich mehr?

 


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