Buxenparade (Teil 2): Just looking good

Über die rote Badehose aus Cannes hab ich schon mal was geschrieben. Aber ich tu es im Rahmen der Buchsenparade gern noch mal und zitiere einfach ein paar Sätze von damals. Merkt eh keiner.
Mittlerweile ist die O’Neill Grinder Tights in die Jahre gekommen, das Weiße ist etwas ergraut, sie trägt sich nicht mehr so knackig sondern ist am Beinbündchen etwas ausgeleiert. Sie geht langsam aber sicher ihrer Ausbürgerung und der Abschiebung in die Mülltonne entgegen. Alles hat eben seine Zeit.rs-neill-01
Noch aber schleppe ich sie als Reservebadehose in meiner Schwimmtasche durch die Gegend, und das nicht ohne Grund. Falls wieder mal eine Naht reißt  oder ich mal wieder gleich daheim in die Badehose steige, weil ich direkt vom Bett aus zum Schwimmbad/Weiher düse und erst vor Ort bemerke: „Fuck… Hab vergessen, ’nen Schlübbi einzupacken“ bin ich vorbereitet. Mir kann keiner was.
Die Tights hatte ich mit in Sardinien und Kroatien und heute gehört sie zu den wenigen, privilegierten Textilien, die das wohlige Spannungsgefühl kennen, eingezwängt zu sein zwischen blanker Haut (meiner) und Neoprenanzug (auch meiner). Sie gehört zu den wenigen Hosen, die ich im Neo anhabe.
Gekauft habe ich sie vor einigen Jahren in Cannes.
rs-neill-02Das ist da, wo ausschließlich die Reichen, Schönen und Berühmten ihre Ferien verbringen. Ich war, als ich dort war, zutiefst beeindruckt von den sonderbaren Gesten und Andeutungen, dem Sex on the Beach und anderen Dingen, dass ich darüber mehrfach gebloggt habe. Und direkt an der Croisette konnte ich nicht anders, als mich angesichts dieser schaumgeborenen Venus inspirieren zu lassen, aus der Luxusmetropole auch eine rote Buchse mitzubringen. Auch ich wollte zu den Reichen und vor allem Schönen dazu gehören. Wenn nicht so, wie dann?
In einem Schaufenster in der Rue du Maréchal Joffre lachten mir mehrere O’Neill Grinder Tights entgegen. Ein solches Modell hätte ich vor Cannes nie gekauft – und schon gar nicht für diesen Preis. Ich wäre mir lächerlich vorgekommen, ein dicklicher Mops in Tights. Das geht gar nicht. Und soweit das Portemonnaie aufzumachen für eine Badehose – das geht noch viel weniger.
Damals aber, etwa ein Vierteljahr, nachdem ich wieder begonnen hatte, regelmäßig schwimmen zu gehen, fand ich das zumindest eine Überlegung wert. Also nahm ich meinen ganzen Mut zusammen, überwand alle Scham- und Sprachbarrieren und betrat einen Laden, der sich von seinem Warensortiment her vornehmlich an Leute richtet, die halb so alt sind wie ich. Aber in Cannes kennt mich niemand. Ich bin nicht reich und nicht schön. Also los.
Im französisch-englischen Mischmasch erklärte mir der Verkäufer, wie toll die O’Neill-Badehose ist, als er sah, dass ich mich dafür interessiere. Der Mann musterte mich und forderte mich auf, sie anzuprobieren und gab sich dabei ganz professionell freundlich. Er nahm die Hose  – Größe M!!!, der Schmeichler – vom Verkaufsständer, als er meine Unentschlossenheit bemerkte.
„Try it… try it!“ wedelte er mir die Buchse kaum zehn Zentimeter vor der Nase hin und her als sei es ein Duftstreifen in einer Parfumerie. Etwas befremdlich, kam mir das schon vor. Ich wollte doch nicht daran riechen. Aber was weiß denn ich, was die geldigen Franzosen so mit ihrer Badegarderobe machen…
„Is top quality. You will look very, very good. I promise. Try it!“ – also Entwarnung. Es ist doch ein Textil. Und ich werde gut darin aussehen, meint er. Das wäre schon mal ein erster Schritt Richtung Reichtum und Schönheit.
Will man da widersprechen?
Gesagt, getan, probiert, passt, wackelt nicht und hat auch keine Luft. So wie es sich gehört. Tight eben. Sagt doch der Name schon. Arscheng. Und das im wahrsten Sinne des Wortes.
In der Kabine dachte ich beim Blick in den Spiegel: „Yeah, I look very good. Der Mann hat Recht. Ich müsste nur etwas mehr den Bauch einziehen. Dann looke ich noch very better.“
Wie gut dass ich allein war. Niemand konnte mir den Kauf der Hose ausreden, weder aus geschmacklichen Gründen noch wegen des Preises. Denn natürlich lookte ich nicht very good sondern very gwampert in der Buchse.
Trotzdem wurde sie gekauft, notwendig war das natürlich nicht. Aber es war eine Belohnung für sechs Kilo Gewichtsverlust in diesem Jahr und ein Ansporn, weiter an meiner Figur zu arbeiten.
„I told you“, lachte der Franzose an der Kasse, während ich bezahlte und er meine Kreditkarte durch das Lesegerät zog. Ich hatte keine Ahnung, woher er das wissen wollte – er war ja nicht mit in der Kabine, hat nicht mal durch den Vorhang gelurt. War das etwa ein Einwegspiegel im Spiel oder eine winzige Überwachungskamera?
Egal – es war sowieso zu spät. „What did I tell you?“ überreichte er mir die Hose in einer kleinen Tragetasche. „You will look very good. Enjoy it… Thank you. Adieu.“
Schon beim nächsten Schwimmen daheim im Hallenbad hatte ich die Hose das erste Mal an. Und ich wusste, dass der Kauf in Cannes die richtige Entscheidung war. I look very good! Very, very good!
Auch wenn niemand anderes im Schwimmbad das zu bemerken, geschweige denn zu kommentieren gewillt war.rs-adria2-4
Sei’s drum.
Der freundliche Franzose hatte Recht. Es war klug, dass er mich zu dem Verkauf überzeugt hat. Er hatte schließlich genau das richtige Argument geliefert.
Ich zweifle auch heute noch, Jahre später, keinen Moment daran, dass er das kolossal aufrichtig gemeint und mich nicht einfach angelogen hat, als er die magische Formel benutzte:
„You will look very, very good! I told you…“


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1 Antwort

  1. Kraulquappe sagt:

    Ein ganz wichtiges Thema. Klasse geschildert.
    Über den passenden Badeanzug kommt von mir auch bald was!