Bruchholz – Totholz
Von fern kreischt die Kettensäge durch den Wald. Es wird geholzt. Und das nicht erst seit gestern. Seit Wochen sind die Waldarbeiter dabei, die Schäden durch den nassen Schnee im Dezember und die darauf folgenden Stürme zu beseitigen: Vor allem Windwurf und Schneebruch.
„Much work to do!“
Das Bruchholz liegt noch immer überall im Wald, auch wenn die meisten Wege mittlerweile freigeräumt sind. Lediglich die Trampelpfade sind noch schwer zu begehen und man muss um querliegende Bäume herum ins Erdige ausweichen.
Festes Schuhwerk ist dabei angeraten, durch die Furchen der Transportfahrzeuge, in denen sich Wasser gesammelt hat, landet man immer wieder im Matsch.
Frei begehbar sind manche Wege trotzdem nicht: Dort, wo geholzt wird, sperren Flatterbänder den Durchgang. Zu groß ist die Gefahr eines Unfalls, wenn ein Baum fällt. Aber es gibt genug Wege, als ich mich mit der Kamera in den Wald aufmache. Doch dann steht plötzlich 25 Meter vom Wegesrand entfernt einer der Männer und sägt, was das Zeug hält.
Der einsame Sägemeister, der die bereits gefällten Stämme von den Seitenästen befreit, winkt freundlich und nickt mir zu, als ich ihn frage, ob ich weitergehen kann bzw. darf.
„Ja!“ ruft er zurück. Er hat die Säge abgestellt, ist offenbar froh um einen kleinen Plausch. „Passen’s nur auf weiter oben“, mahnt er zur Vorsicht und spielt auf zwei Bäume an, die noch quer über den Weg hängen, das Geäst verhakt im Baum gegenüber.
Dann will er wissen, ob ich zum Fotografieren da bin, was angesichts der angehängten Kamera nicht weiter schwer zu erraten ist. Und was ich für Bilder machen will. Wenn ich das mal wüsste…
„More of the same“ vermutlich, was auch nichts anderes heißt als immer das Gleiche. Denn Fotos im Wald von Bruchholz, Totholz, Baumbruch habe ich schon reichlich gemacht. Und es werden immer mehr.
Es ist eben nicht nur ein im Wald einfach zu findendes Motiv, es variiert auch eins ums andere Mal und bietet so neue Möglichkeiten. Ich antworte etwas ausweichend, dass ich noch nicht so wirklich eine Idee hätte, ich sei eben noch auf Motivsuche.
Vielleicht die Baumstümpfe der abgebrochenen Bäume, die bizarr zersplittert sind…
…oder von Moos überwachsen, irgendwie „pelzig“, fast schon einladend, darauf Platz zu nehmen, was einem allerdings in allerkürzester Zeit einen nassen Hintern bescheren würde.
Pilze wachsen an den Stämmen. Auch sie nehme ich oft als Motiv. Aus Totholz wird wieder Lebendiges. Der Kreislauf des Lebens, die Angewiesenheit der einzelnen Arten aufeinander und die ungeheure Effizienz eines Ökosystems sind immer wieder faszinierend.
Man muss kein Biologe sein, um sich davon begeistern zu lassen. Ein aufmerksamer Beobachter zu sein, reicht völlig. Und bei diesem Geflecht und den Wechselwirkungen sollte es selbst uns Laien offensichtlich sein, dass ein solches System empfindlich gestört wird, wenn Arten verschwinden oder im Gegenteil überhand nehmen, zum Beispiel durch Monokulturen.
Das ist einer der Gründe, warum mittlerweile viele Wälder „umgebaut“ werden, der andere, wohl stärkere, dass vor allem die Fichtenwälder dem Klimawandel nicht gewachsen sind, Dürre und damit Borkenkäferbefall setzen ihnen ebenso zu wie Stürme und Schneelast, dazu sind die Bäume einfach nicht verwurzelt genug. Das ist mittlerweile mehr als offensichtlich.
Den Waldarbeiter frage ich, ob es ihn stören würde, wenn ich hier ein wenig fotografiere.
„Machen’s nur“ lacht er und ich nehme das auch als Einverständnis, dafür, dass auch er zu einem Motiv wird.
Seit Monaten holzt er nun rum, ich bewundere ihn angesichts dieser Sisyphusarbeit, aber er winkt ab. Das meiste, sei bereits geschafft.
Er deutet auf gestapeltes Holz, das alles hat er heute aufgeschichtet.
Noch lange ist nicht Feierabend. „Und Morgen geht’s dann wieder weiter!“
Er winkt, ich winke zurück. Er streift seinen Gehörschutz wieder auf und schmeißt die Kettensäge wieder an, die laut aufkreischt, als sie sich in den nächste Fichtenstamm hineinfräst.
Ich setze meinen Weg fort. Vorbei an gesplittertem Holz…
und gesägtem Holz. Es riecht danach; und nach Regen und Moos, nach Erde, nach Wald. Ein dumpfer Schlag ertönt von weiter oben. Dort wo die Wege gesperrt sind, ist wieder ein Baum gefallen.
Bruchholz und Totholz wird mir noch oft als Motiv dienen.
PS: Es gäbe da noch einen anderen Grund, Freude am Bruchholz zu haben:
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