Betr.: Schwimmen in Naturschutzgebieten? – Muss das sein?
Dieser Beitrag ist Teil einer kleinen Serie über Nachhaltigkeit und Verantwortlichkeit beim Bloggen.
Wenn ich Bilder vom Schwimmen in scheinbar unberührten Gewässern zeige, von bewaldeten Ufern, ins Wasser hängenden Zweigen u.ä. weckt das, da bin ich mir sicher, bei dem einen oder anderen die Lust, auch in solchen „naturbelassenen“ Gewässern zu schwimmen. Selbst wenn die Natur, die ich zeige, bei weitem nicht so unberührt ist, wie sie auf den Bildern manchmal aussieht, macht es doch auf manchem Foto den Anschein. Freiwasserschwimmen ist immer auch eine Begegnung mit der Natur oder dem, was man dafür hält. Gelegentlich komme ich bei meinen Seeerkundungen an die Randzonen von Landschafts- oder Naturschutzgebieten. Bei bekannten Gewässern weiß ich, wo diese Grenzen verlaufen, bei unbekannten weist mich zumeist eine Bojenkette darauf hin.
Und dann? Einfach weiter schwimmen?
Als Spaziergänger oder Wanderer läuft man ja auch den Weg weiter.
Schwimmen aber ist etwas anderes. Hier gibt es keine „vorgegebenen Wege“, die mir das Recht einräumen, das Naturschutzgebiet zu betreten. Im Wasser ist das nicht so.
Also?
Bringt jemand das Thema im Internet zur Sprache, entsteht nicht selten eine Grundsatzdiskussionen über den Sinn dieses Naturschutzgebiets – bzw. weniger den Sinn, sondern eher die Frage, ob man nicht trotzdem dieses oder jenes dort machen könne. Zum Beispiel einfach weiterschwimmen, zum Beispiel dort überhaupt erst schwimmen zu gehen.
Mich persönlich veranlasst jede Hinweistafel oder Boje, umzudrehen oder die Schwimmroute zu ändern. Andere sehen das anders.
Immer findet sich wer, der das Schwimmen in Naturschutzgebieten gut heißt oder zumindest kein Problem damit hat. Dabei sind die gesetzlichen Bestimmungen eindeutig.
Im Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG) zum Beispiel heißt es: „Alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebiets oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten. Soweit es der Schutzzweck erlaubt, können Naturschutzgebiete der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden.“ (§ 23 BNatschG).
Das heißt, dass Naturschutzgebiete per se zunächst der Allgemeinheit nicht zugänglich sind, davon aber fallweise Ausnahmen gewährt werden. In der Regel sind das Spazier- und Wanderwege durch entsprechende Flächen. Aber nur weil etwas verboten ist, bedeutet das noch lange nicht für jeden, dass man sich daran halten muss. So weit, das als persönliche Schikane zu interpretieren, geht wohl kaum jemand. Es ist eher die fehlende Einsicht in den Sinn dieser angeblich „völlig überzogenen Regelungen“ und das Insistieren auf das, was man als seine „persönliche Freiheit“ betrachtet. Seit Neuerem macht auch das Schlagwort der Eigenverantwortung die Runde – Schwimmer wüssten schon, wie sie sich verantwortlich in solchen Gewässern verhalten. Nun: Ich habe da meine Zweifel. Zumindest, ob alle das wissen und sich dann auch entsprechend benehmen.
Es gibt viele Seen, aufgelassene Kiesgruben, Weiher, Teichanlagen, Flüsse die unter Naturschutz stehen. Schwimmen ist in aller Regel dort verboten. Der Kesselsee bei Wasserburg wäre ein Beispiel dafür.
An einigen Seen sind bestimmte Uferabschnitte, Inseln oder Buchten für Wassersportler, also auch Schwimmer, gesperrt. Wasserseits sind solche Bereiche meist durch Bojenketten und Hinweisschilder gekennzeichnet. Oft genug habe ich das in meiner Region erlebt: Ob im Zustorfer oder Thenner Weiher, im Seehamer, Tütten- oder im Chiemsee, um nur einige Gewässer zu nennen.
Bis hierher und nicht weiter. Und dann sollte man eben umkehren; egal, ob als Schwimmer, Stand-Up-Paddler, Kanute, Schlauchbootfahrer oder Surfer. Tut aber nicht jeder, längst nicht jeder. An anderen Seen in Naturschutzgebieten wie dem Ostersee ist baden und schwimmen nur an sehr begrenzten Plätzen erlaubt. Gerade hier wird zu Recht ein ganz besonders sensibler Umgang mit der Natur erwartet. Und dazu gehört zuallererst, sich auf die abgesteckten Areale zu beschränken.
Wer sich an die Verbote nicht hält, kann übrigens mit empfindlichen Bußgeldern bestraft werden, wenn er erwischt wird.
Das Ganze gilt nicht nur für ausgewiesene Naturschutzgebiete. Das gilt auch für Landschaftsbestandteile, die wegen ihrer Bedeutung als Lebensstätten bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten, so zum Beispiel am Wörthsee. Und nebenbei bemerkt: Wenn ein Gewässer kein ausgewiesenes Naturschutzgebiet oder Landschaftsbestandteil ist, heißt das im Umkehrschluss nicht, dass wir Freiwasserschwimmer hier machen können, was wir wollen. Auch hier sollte ein verantwortungsvoller und behutsamer Umgang mit den Lebensräumen von Pflanzen und Tieren selbstverständlich sein.
Die Sperrungen haben ihren guten Grund. Diese Bereiche sind zum Beispiel Rückzugsgebiete für die heimische Fauna, Wiederansiedlungsgebiete für bedrohte Arten, Laichplätze für Fische und Amphibien, Brutplätze für Wasservögel, Überlebensinseln für seltene Tiere und Pflanzen. Aber eines sind die Sperrungen sicher nicht: Willkürliche Schikanen durch Überreglementierungen der Behörden.
Auch wenn man das vielleicht auf den ersten Blick nicht so erkennt und alles dort so aussieht, wie an jedem „naturbelassenen“ Gewässer, heißt das nicht, dass nicht unter Wasser oder in der Ufervegetation schützenswertes, bedrohtes Leben existiert. Denn mal ehrlich: Wer kennt sich denn schon wirklich über den Schutzstatus bedrohter Arten aus? Wer weiß denn, was da am und im Wasser alles lebt, wer kann denn schon bis auf die populärsten und wenig scheuen Arten die heimischen Wasservögel noch erkennen und auseinanderhalten?
Daher die Frage: Muss man dort unbedingt schwimmen?
Nein, muss man nicht. Und ich mache es auch nicht!
Einige Schwimmer scheinen allerdings anderer Meinung zu sein. In den einschlägigen Diskussion bei FB, die ich regelmäßig lese und sehr aufmerksam verfolg, finden sich immer wieder Leute, die davon erzählen, dass sie genau das gemacht haben. Schwimmen in Naturschutzgebieten. Es fehlt oft an Verständnis, an Wissen und an Einsicht, dass Schwimmverbote in diesen Bereichen ihren Sinn haben.
Bei Twitter ist es nicht anders.
Fragt man nach, warum diese Leute das trotzdem machen, dann sind die Antworten denkbar vielfältig und zugleich sehr simpel (im doppelten Wortsinn):
- Weil es geil ist
- Weil das ohnehin niemand kontrolliert
- Weil man meint, die Tiere wird es wohl nicht stören, wenn man schnell mal ein Ründchen schwimmt
- Weil man clever genug ist, sich nicht erwischen zu lassen
- Weil man als einzelner Schwimmer wohl kaum eine Gefahr für Natur und Umwelt darstellt
- Weil man nichts zurücklässt (z.B. Müll) und auch nichts beschädigt
- Weil das Wasser da so schön sauber ist
- Weil einem sowas grundsätzlich egal ist
- Weil schwimmen dort ohne störende Boote, Angler, Paddler viel schöner ist
- Weil es alle machen
- Weil man sich selbst als Teil der Natur betrachtet
- Weil das früher auch erlaubt war
- Weil man meint zu wissen, was man einem Naturschutzgebiet, in das man eindringt, zumuten kann und was nicht
- Weil das Badeverbot in Naturschutzgebieten für all die anderen gilt, nicht aber für mich
- Weil es in dieser Region sonst nicht genügend Badeseen zum Schwimmen gibt
- Weil es sowieso egal ist und niemanden kümmert
- Weil, weil weil…
Vieles davon habe ich genau so gelesen. Immer kehren die gleichen „Argumente“ und „Rechtfertigungen“ wieder.
Man mag sich fragen, was die heimische Flora und Fauna von diesen fadenscheinigen Rechtfertigungen hält. Ich jedenfalls frage mich, ob Tiere und Pflanzen das genauso geil finden; oder ob sich zum Beispiel jeder bewusst ist, dass Schlamm in den Uferregionen von Weihern für dort befindliche Kaulquappen eine lebensgefährliche Bedrohung darstellt, wenn man ihn aufwirbelt, weil man dort ins Wasser steigt und loskrault.
Vielleicht kann man all „die guten Gründe“ aber auch ganz einfach in einem Satz zusammenfassen:
- Weil man ein Egoist ist und weder Ahnung noch Respekt vor der Natur und vor geltenden Schutzmaßnahmen hat
Und so bringen solche Zeitgenossen, die trotz Verboten in solchen Regionen schwimmen, nicht nur sich selbst sondern auch die ganze Gemeinschaft der Freiwasserschwimmer in Misskredit.
Gelegentlich denke ich mir, dass Tiere und Pflanzen in unseren Gewässern richtig froh sein können, dass sich immer mehr Menschen vor ihnen fürchten oder ekeln und keinen Fuß mehr ins Freiwasser setzen. Das wäre dann eine der ganz wenigen Vorteile der zunehmenden Entfremdung und Unkenntnis vor der heimischen Natur. Aber meist folgt der Entfremdung nur Ignoranz.
Und nicht alle Tiere sind so wehrhaft, wie Schwäne, wenn ihnen – vor allem aber ihren Jungtieren – Schwimmer zu nahe kommen. Wenn Tiere sich bedroht fühlen und wehren, ihre Jungtiere verteidigen oder einfach im Fuß eines Menschen eine interessante Beute sehen und zubeißen, ist das provinziell-mediale Drama schnell da – und immer sind die Tiere die „Bösen“. Da wird von Monstern und blutigen Attacken schwadroniert, weil ein Radler seine Füße in einen Weiher gehängt hat und vom Fisch gebissen wurde…
oder von panikauslösenden Attacken von Möwen am Weiher, weil ein Schwimmer dem Nest mit dem Gelege zu nah gekommen ist. Aber muss man ganz nah an einer als solcher bekannten Brutinsel vorbeischwimmen? Nein! Das muss man nicht.
Als Freiwasserschwimmer habe ich eine Verantwortung für den Lebensraum, in dem ich immer wieder zu Gast bin.
Nur zu Gast!
Und so sollte man sich dann auch dort benehmen. Und noch mehr: Als Blogger und Nutzer sozialer Medien sollte ich, wenn ich davon erzähle, wie toll es in diesem oder jenem See war, trotzdem immer wieder darauf hinweisen, wenn attraktive Freiwasserschwimmreviere teilgesperrt sind. Und ich sollte an meine Leserinnen und Leser appellieren, dass auch zu beherzigen – was hiermit geschehen ist!
Es liegt ein ganz klein wenig auch in meiner Verantwortung, wenn ich Menschen an wenig bekannte, aber hochattraktive Seen locke, weil ich selbst davon begeistert schwärme, dass diese Gewässer und ihre Bewohner das auch schadlos verkraften können.
Das gehört zu nachhaltigem und verantwortlichen Bloggen mit dazu, selbst wenn die Reichweite nicht sehr groß ist und ich ganz sicher keinen Run auslöse, weil ich wieder mal einen tollen Platz entdeckt habe, den sicher schon hunderte anderer längst kennen. Aber gelegentlich möchte ich doch daran erinnern, dass es nicht reicht, seinen Müll wieder mitzunehmen, wenn man irgendwo in der Natur unterwegs war, sondern dass wir Sperrzonen respektieren, egal, wie geil es sein mag, auch dort zu schwimmen.
PS: Damit keine Missverständnisse aufkommen: Keines der hier gezeigten Bilder entstand beim Schwimmen in Naturschutzgebieten.
Natur, Reste davon oder das, was man dafür hält, kann man nämlich auch in „ganz normalen“ Seen und Weihern entdecken. Man muss nur neugierig sein, hinschauen und respektvoll damit umgehen.
Es lohnt sich, ein wenig darüber nachzudenken, finden Sie nicht?
PPS: Für SUP-Benutzer gilt das übrigens auch.
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Ich bin ganz Deiner Meinung. Man kann nicht überall so reinspringen. Da sollte man sich auskennen. Wer das nicht kann, na ja … da bleibt nur noch die Badewanne. Lach …
Hallo Lutz, ich kann dir nur recht geben und dich unterstützen. Gerade bei uns hier im Süden gibt es genügend offene Freigewässer zum Schwimmen, gesperrte Zonen gilt es einfach zu respektieren. Ohne Diskussion.
Also ich würde schon mal gar nicht auf die Idee kommen dort zu schwimmen. Gewässer die man nicht kennt sollte man eh meiden, sonst trägt man unter Umständen dazu bei das die Statistik der „Ertrunkenen“ nach oben schnellt !!!!