Spaziergänge (#43): Am Kesselsee

„Nein,“ antwortet die alte Frau, als sie aus dem Kesselsee bei Wasserburg steigt, auf meine erstaunte Frage, ob man denn hier schwimmen dürfe. „Eigentlich nicht!“ In dem Moment tritt ihr Mann, der am Ufer auf sie gewartet hatte, hinzu. Er grummelt etwas Unverständliches und ich weiß in dem Moment ganz genau, dass es vollkommen sinnlos ist, mit diesen Menschen darüber zu diskutieren, dass Schwimmen im Naturschutzgebiet eigentlich ganz einfachen Regeln folgt: Es muss nicht sein, und da, wo es verboten ist, lässt man es. Zum Beispiel an genau diesem See.

Was genau haben diese Menschen an den überall am Kesselsee aufgestellten Schildern nicht verstanden?
Die Frage stellt sich allerdings nicht wirklich, denn die Frau weiß ja, dass es verboten ist. Sie tut es trotzdem. Was soll man da noch sagen? An Ignoranz prallen alle Diskussionen ab.

Vermutlich geht sie hier schwimmen, weil sie es immer schon gemacht hat, auch als Hochmoor samt See noch kein Naturschutzgebiet war. Der Kesselsee war bis in die 70er ein recht beliebter Badeplatz. Das aber ist viele Jahre her. Das Schwimmen darin ist für mich noch unverständlicher, weil keine 500 Meter weiter der Staudhamer See ein mittlerweile wieder höchst offizieller Badesee ist. Und zu dem einem wie dem anderen müsste sie sowieso mit dem Auto fahren.

Die Frau ist nicht die Einzige, der das vollkommen schnurzpiepegal is. Eine funkelnagelneue Leiter steht am Ufer und führt ins Wasser, sicher nicht grundlos aufgestellt.
Ich muss zugeben, der See lockt verführerisch – ich kenne alle „Argumente“, sich über solche Verbote einfach hinwegzusetzen, aber keines davon überzeugt mich wirklich. Im Gegenteil.

Den Kesselsee umrahmt ein Hochmoor, durch das sich kleine Pfade schlängeln – ja, man kann darüber diskutieren, ob das vielleicht auch nicht erlaubt ist, da selbst der Zugang zum See verboten ist.
Aber sind solche Pfade bereits Wege, auf denen zu bleiben man beim Betreten des Geländers aufgefordert wird?
Das Netz der Pfade führt mich immer wieder an das Ufer, aber auch am Moor entlang. Die kleinen Wege enden bisweilen abrupt. Da heißt es umkehren und eben nicht durchs Moor zu stapfen, will ich mir nicht noch nassere Füße holen, als ich ohnehin schon habe. Denn natürlich habe ich keineswegs richtigen Treter für einen solchen Spaziergang an den Füßen.

Der Besuch am Kesselsee war eine überaus spontane Idee, da wollte ich immer schon mal anhalten und schauen – jetzt ergab sich die Gelegenheit. Es ist kühl und bedeckt, mein eigentliches Ziel, einen See im Chiemgau zum schwimmen aufzusuchen, verschiebe ich um ein, zwei Stunden. Dann ist es hoffentlich wärmer, die Sonne ist herausgekommen und ich kann in einem anderen See ins Wasser steigen.
Also jetzt erstmal ab in die Natur auf einen Spaziergang – gut, dass ich intuitiv den Kamerarucksack mitgenommen habe.

Und ganz abgesehen von den nassen Füßen: Wenn Pfade in solchen Gebieten enden, dann steht außer Frage, dass umkehren die wesentlich vernünftigere Lösung ist. Ich will hier nichts niedertrampeln.

Dem Moor selbst schließt sich ein Stangerlwald aus Fichten an, ein „monokultureller“ Wald, dem keine lange Zukunft mehr beschieden sein wird. Der nahe See und das hohe Grundwasser halten den Boden feucht, noch sieht es hier nicht so verheerend aus wie in anderen toten Fichtenwäldern, noch haben hier der Borkenkäfer und die Stürme dem Wald nicht allzu sehr geschadet, noch nicht. Aber es ist absehbar, dass hier massiv umgebaut werden muss. Hier stoßen Wirtschaftsforst und Renaturierung direkt aneinander.

Näher am Ufer stehen Weiden, Kiefern, Birken und Erlen. Es gibt viel zu entdecken und zu fotografieren.

Vor allem aber den See selbst – ohne die Schwimmerin, denn die ist längst abgerückt. Hoffentlich nagt das schlechte Gewissen an ihr, denn ich hatte schon ein wenig das Gefühl, dass sie sich bei etwas Verbotenem ertappt gefühlt hat.


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