Blumen und Mazipan
Auch in diesem Jahr führt mich der Weg zum Wunschbaum im Nachbardorf. Dort steht ein Kugeln geschmückter Baum vor dem Seniorenzentrum. Die Bewohnerinnen und Bewohner des Heimes haben ihre Wünsche auf kleine Karten diktiert, diese hängen nun laminiert am Baum Wer mag, kann sich eine der Karten wegnehmen und dem alten Menschen einen dieser Wünsche erfüllen.
Ich stehe vor dem Baum, meine Gedanken kreisen, ich bin unschlüssig, welche Karte ich vom Baum nehmen soll, um nicht zu sagen: Es ist kompliziert. Aroma Diffuser wünschen sich einige. Aber was nimmt man da? Schnell schaue ich im Handy nach. Es gibt schöne aber auch unglaublich hässliche Ausführungen, mit oder ohne Lichtwechsel. Nicht optimal. Viele andere wünschen sich Liegeschlangen, das scheint ein Massenwunsch im Wohn- und Pflegeheim zu sein. Gibt es die irgendwo im stationären Handel? Bestellen möchte ich vor Weihnachten nichts mehr. Vollends kompliziert wird es, als ich die vielen Karten lese, auf denen sich Menschen Kleidung wünschen: Hemden, Leggings, Pullover. Die Größe steht zwar immer mit auf der Karte, manchmal auch ein Farbwunsch und es ist auch klar, ob der Wunsch von einem Mann oder einer Frau stammt. Aber in mir sperrt sich etwas. Garderobe ist ein lebensnotwendiges Produkt, etwas, was aus dem Budget finanziert werden sollte und nicht als Wunsch von Dritten. Ich möchte etwas finden, was Freude macht (ja, das kann auch ein roter Pullover sein), etwas, was man sich sonst nicht leisten kann oder will, aber es ist schon irgendwie schändlich oder zumindest traurig, wenn sich ein alter Mann ein langärmliges, kariertes Hemd von einem Wildfremden zu Weihnachten wünschen muss.
Auf der Karte einer 83jährigen Frau steht nur ein Wort: „Marzipan“. Das ist so schlicht wie rührend. Auf anderen steht „Gutschein für die Blumenwelt“. Eine Frau mit 90 Jahren hätte wohl gerne mal ein paar Blumen für ihr Zimmer. Die soll sie bekommen. Und auch das Marzipan werde ich auch kaufen und an der Pforte abgeben. Beides sind die Dinge, die vermutlich jenseits dessen liegen, was sich die alten Leute leisten können. Das finde ich bedrückend. Beides ist nicht unbedingt notwendig, beides ist nur ein kleiner Luxus, der ihnen versagt ist. Das gilt es zumindest Weihnachten zu ändern.
Niemand hat gesagt, dass man nur eine Karte nehmen darf. Also nehme ich zwei. Ich gebe, wenn ich ehrlich bin, oft genug Geld für Zeugs aus, da wird mir weder der Blumengutschein noch Marzipan ein bemerkbares Loch in die Kasse hauen, ich kann es an anderer Stelle problemlos wieder einsparen.
Im vergangenen Jahr war es ein Tierbuch für einen ehemaligen Jäger, dieses Jahr sind es Marzipan und Blumen, mit denen ich zwei Menschen hoffentlich eine Freude machen werde. Im Beitrag 2022 zum gleichen Thema notierte ich: „Am Ende wärmt es auch das eigene Herz – weil es ein schönes Gefühl ist, etwas Gutes getan zu haben. So ehrlich will ich sein.“ So ist es. Und davon möchte ich erzählen.
Tu Gutes und rede darüber hat allerdings immer so ein gewisses G’schmäckle. Das ist mir allerdings vollkommen egal. Wenn es andere inspiriert, sich von irgendeinem Wunschbaum ein Kärtchen oder Sternchen mit einem Wunsch zu pflücken und jemand eine Freude zu machen, dann will ich gern darüber bloggen.
Oder ganz konkret: Machen Sie doch einfach mit und einem Menschen, den sie nicht kennen, eine kleine Freue.
Wunschbäume gibt es überall. Sicher auch bei Ihnen. Ein wenig Zeit bleibt ja noch.
Vielen Dank fürs Lesen.
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wie schön, eine tolle Idee 😀🎁 Danke für die Inspiration
Sehr, sehr gerne, liebe Annette.
Solche Aktionen finde ich immer schön und wichtig und finde es ganz toll, daß es Menschen gibt, die das organisieren und welche, die mitmachen! <3
Ich habe bei dem Wunschbaum bei mir bei der Arbeit mitgemacht, wo Kindern Wünsche erfüllt werden, für die das Geld der Familie nicht reichen würde und noch etwas Werbung dafür bei weiteren Kollegen gemacht. Und das waren auch erschreckend kleine oder bescheidene Wünsche. Ein Mädchen wird jetzt auf jeden Fall also ihre ersehnte Puppe bekommen.
Ja, da gebe ich Dir recht. Und ich finde es beklemmend, dass sich die Familien oder die Alten in meinem Fall, nicht mal diese bescheidenen Wünsche leisten können.
Wenn ich dann sehe, dass diejenigen, die das Bürgergeld massiv zusammenstreichen wollen (Merz, Lindner, Söder und Co) sich in eine TV-Show hocken und Spenden für Kinder in Armut sammeln, initiiert von Springer, bin ich nur noch wütend. Das ist so erbärmlich und heuchlerisch.
Eine schöne und gute Idee.
Aber auch traurig wenn solche lebensnotwendigen und auch alltägliche Wünsche an den Baum hängen. Ich halte auch nicht viel davon mit solchen selbstlosen Dingen hausieren zu gehen, anderseits könnte es andere animieren und dies wäre dann ja mehr als gut.
Selbst halte ich es etwas persönlicher. Seit Jahren schicke ich zur Weihnachtszeit ein Päckchen einem Blogger wo ich weiß, dass derjenige nicht viel zum Leben hat. Wir kennen uns nicht persönlich, nur über alle möglichen Kommunikationswege. Aber ich weiß wo und das es ankommt und, dass derjenige sich darüber freut und damit auch etwas anfangen kann.
Schöne Weihnachtsfeiertage wünsche ich dir Lutz.
Nati