Betr.: Wildtiere fotografieren (Teil 4): Nicht seine Hausaufgaben machen
Dieser Beitrag ist Teil der Reihe über Nachhaltigkeit und Verantwortlichkeit beim Bloggen. Bitte beachten Sie die Linksammlung am Ende des Beitrags, denn das Thema „Wildtiere fotografieren“ kommt in einer eigenen kleinen Serie innerhalb der Reihe zur Sprache. Es ist zu komplex, um es in nur einem Blogpost zur Sprache zu bringen.
Im Blog des Weltenbummlers perpetual fragments lese ich einen interessanten Beitrag über die Ethik und Wildtierfotografie der ursprünglich als 8 Common Ethical Mistakes in Wildlife Photography (And How to Fix Them) von Ellyn Kail auf Feautre Shoot veröffentlicht wurde.
Ein äußerst spannendes Thema, zu dem es sich in der Tat lohnt, Gedanken zu machen. Was mich betrifft, habe ich eine klare Meinung zu den meisten Punkten, die dort Erwähnung finden und ich halte damit nicht hinterm Berg.
Hier Teil 4.
5. Nicht seine Hausaufgaben machen
Die Leute kennen die Tiere nicht, die sie fotografieren, sie kennen nicht ihre Bedürfnisse und richten unwissend in deren Lebensraum Schäden an.
Abgesehen von der Pauschalisierung einer solchen Aussage ist dieses „Problem“, das eigentlich gar keines ist in der Tat vorhanden. Klingt paradox, oder?
Es ließe sich sehr leicht lösen, wenn man sich einfach über die Tiere, die man vor der Kamera hatte oder haben will schlau macht. Macht aber nicht jeder. Manchem ist es vollkommen egal, was er gerade fotografiert hat – und den Tieren ist es ebenfalls egal, ob sie richtig bestimmt wurden oder nicht. Für sie ändert sich nichts. Sollte man meinen.
Als ich auf Euböa diese Schlange fotografierte, hatte ich keine Ahnung, um was es sich handelt. Aber ich kenne wen und der kennt wen, der das weiß. Oder ich bemühe die sozialen Medien. Es ist eine Östliche Eidechsennatter. Gut, dass ich das jetzt auch weiß.
Keinen Urlaub im Süden, in dem ich nicht Dieter Glandts Taschenlexikon der Amphibien und Reptilien Europas mitschleppe. Von Vogelfreunden weiß ich, dass sie auch immer ihre Bestimmbücher dabei haben.
Soweit muss man vielleicht aber gar nicht gehen. Manchmal genügt es, einen unbekannten Schmetterling in einem Naturschutzgebiet zu fotografieren und hinterher das Netz zu befragen, um was für eine Art es sich handelt. Mit Schmetterlingen habe ich es nicht so – trotzdem bemühe ich mich.
Ein Beispiel: Vom Hufeisenklee-Widderchen hatte ich noch nie gehört, als ich es das erste Mal nördlich von München auf einer der Heiden entdecke. Es war nicht schwer, es später im Netz zu suchen und zu identifizieren. Weil ich eben wissbegierig bin und gern etwas dazu lerne,
Das nächste Hufeisenklee-Widderchen werde ich als solches erkennen und ich weiß mittlerweile auch, wie ihre bevorzugten Lebensräume aussehen. Dazu muss man kein Biologe sein – nur neugierig. Oft genug komme ich nach Hause, schaue die Bilder durch und versuche anhand einschlägiger Webseiten oder Bücher die fotografierten Falter zu bestimmen. Oder ich frage jemanden, der sich damit auskennt. So steigt nicht nur mein Wissen, so kann ich mittlerweile selbst Schmetterlingsarten erkennen, von denen ich vorher nicht mal wusste, dass es sie überhaupt gab.
Und wenn man selbst irgendwann das erste Mal ein Bild zugeschickt bekommt und gefragt wird, was für ein Schmetterling das sei, dann kann man vielleicht richtige Antworten geben. In diesem Fall ging es um die Frage, ob es sich einen Kaisermantel oder einen Perlmuttfalter handelt, dann erfüllt einen das mit etwas Stolz – vor allem, wenn man die richtige Antwort weiß. Vielleicht auch deshalb, weil man selbst ein paar Tage zuvor Perlmuttfalter in Hülle und Fülle geknipst hat.
Was mich übrigens nicht davor schützt, immer wieder „ganz von vorne“ anzufangen – so zum Beispiel, als ich das erste Landkärtchen der Sommergeneration in freier Wildbahn entdeckt habe. Und je mehr ich über die Tiere weiß, die mir vors Objektiv kommen, um so mehr weiß ich dann auch über ihre Lebensweise, ihre Bedürfnisse, ihre Lebensräume. Und je höher mein Wissen, um so achtsamer gehe ich mit all dem um – so sollte es zumindest sein.
Auch was ich zum Beispiel über Basstölpel wusste, hielt sich in Grenzen – im Prinzip nur, dass es sie gibt, dass sie einen sehr komischen Namen tragen und am Meer leben. Nachdem wir uns in der Bretagne zur Île Rouzic haben schippern lassen, um Basstölpel zu beobachten (womit wir schon wieder bei Punkt 1 sind, auch ohne Futterplatz, nämlich dem touristischen Ausschlachten von Tierpopulationen), beschäftigte ich mich mehr mit diesen Tieren. Wo und wie leben sie? Was fressen sie? Wo gibt es sie überall?
Also das übliche, was man in Tierlexika, Vogelführern oder Wikipedia finden kann. Weil ich es spannend finde, mehr zu wissen, also nur: Basstölpel. Ja klasse – und jetzt habe ich einen Dateiordner mit über 200 Fotos davon auf dem Rechner. Das wäre übrigens eines davon:
Natürlich wollte ich auch die drei knuffigen Federbällchen, die in den Felsenbirnen unseres Firmeninnenhofs aus dem Ei geschlüpft sind, fotografieren. Das reicht mir aber nicht. Ich musste auch wissen, was das für eine Art ist. Zweifelsohne kleine Hausrotschwänze. Was nützt es den Tieren, wenn ich das weiß, was schadet es ihnen, wenn ich das nicht weiß?
Wohl gar nichts. Aber mir hilft es.
Gute Hilfe zum Identifizieren von Wildtieren und Pflanzen bietet die App ObsIdentify, die es in den einschlägigen Appstores kostenlos gibt. Fotos von Wildtieren und -pflanzen können dort in der App überprüft werden, die Artbestimmung ist nicht immer zuverlässig, aber weist einen doch in die richtige Richtung. Meistens. Viel hängt dabei von der Qualität der Fotos ab.
Ach übrigens: Was ist das hier für ein Insekt, das ich 2015 in Istrien fotografiert habe? Ich habe keine Ahnung. Wissen Sie’s?
Der nächste Teil geht kommenden Montag online.
Text und alle Bilder: Lutz Prauser. Alle Rechte beim Autor
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sehr schöne Bilder !!! So eine Heuschrecke wie im letzten Bild habe ich noch nicht gesehen.
Wünsche Dir eine angenehme Woche. LG Traudl