Willy, Helmut und die Wellen

„Was leichtes, ich will mich schließlich erholen!“
Getreu dieser Devise packte meine Mutter vor jedem Urlaub Berge von Taschenbüchern in den Koffer. Viele waren  geliehen, einige vom Flohmarkt gekauft, nicht wenige davon fuhren gar nicht erst wieder mit nach Hause. Sie verschlang die Schmöker der Reihe nach und entsorgte einen Teil davon direkt vor Ort. Sie wusste, dass diese  Bücher kein zweites Mal gelesen werden, also konnten sie auch gleich weg.
Da ich grundsätzlich viele Dinge anders als meine Eltern mache (schon aus Prinzip), nehme ich in die Ferien liebend gern schwere Lektüre mit. Zwar will ich mich auch erholen, aber ich freue mich darauf, endlich Bücher zu lesen, für die ich daheim nicht die Zeit, die Muße oder die Ruhe habe. Das sind dann Bücher, bei denen man den einen oder anderen Satz zweimal lesen muss, bei dem man dank Wlan und Wikipedia mal etwas nachschlagen will oder sollte, und bei dem man nach dreißig Seiten erst mal Denkpause braucht. Und wann schafft man das daheim schon? Nicht mal an einem regennassen Novembersonntag, denn da ist man ja zum Schwimmen im Hallenbad.
Für diesen Sommer habe ich mir die Geschichte der komplexen Beziehung Willy Brandts und Helmut Schmidts vorgenommen, aufgezeichnet von Gunter Hofmann.
Helmut, Willy und die Wellen
Seite um Seite grabe ich mich in die Geschichte der Nachkriegs-SPD. Namen tauchen auf – viele sind für mich historisch, aber an manch einen Politiker erinnere ich mich. Von dem war in den Nachrichten oft die Rede: Ehmke, Eppler, Bahr und Wehner, aber auch Strauß, Kiesinger und Adenauer. Ereignisse tauchen aus der Vergangenheit auf: Mauerbau, Sturmflut, die erste große Koalition, Guillaume, Radikalenerlass, RAF.
Dazwischen laufen Heinrich Böll und Günther Grass durchs Bild, die in den 70ern der SPD bei den Wahlkämpfen tatkräftige Hilfestellung gegeben haben. Zwei Schriftsteller und ebenfalls Nobelpreisträger wie Brandt, die ich auch bevorzugt gelesen habe. Schwere Kost auch von ihnen – aber denkende Köpfe machen es einem eben nicht leicht.
Das Brandt/Schmidt-Buch will nicht nur gelesen, das will auch verstanden und verdaut werden. Und wo könnte man das besser als in der Toskana. Schließlich war es die Enkelgeneration der großen SPD-Politiker, die sich als Toskana Fraktion präsentierten, als von dem Geist Brandts in der SPD schon nicht mehr viel übrig war.
Tiefer und tiefer stecke ich meine Nase in das Buch, irgendwann ist sie bis zum Anschlag verschwunden. Es ist eben spannender und gehaltvoller und hoffentlich auch nachhaltiger, am Strand was Gescheites zu lesen, auch wenn das Buch am Ende etwas eingesandet ist und der Shutzumschlag vielleicht einen Wasserflecken hat.
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Auf das Denken muss ein Handeln folgen, sonst war das Ganze sinnlos.
Da heute an Schwimmen nicht zu denken ist, vollzieht sich der Akt des Handelns darin, einfach nur ins Wasser zu gehen und sich dem Element hinzugeben.  Schnell die „Meer“badehose an, die Schwimmbrille auf und dann hinein in die Brandung.
r-leicht4Wellengang und Strömung sind zu stark, als dass ich wieder an der Küste entlang schwimmen könnte. Dann eben was Anderes:r-brans2

Kommt, Wellen, komm Strömung.
Spielt mit mir.
Und ich mit Euch.
Lasst uns Spaß zusammen haben.
Nachher les ich weiter. Jetzt dürft Ihr mich erstmal kräftig durchschütteln.
Willy Brandt und Helmut Schmidt können warten. Die haben alle Zeit dieser Welt. Und ich hab Urlaub.
Nebenbei bemerkt: Die Toskana-Fraktion innerhalb der SPD kann auch warten. Bis sie schwarz wird. So weit ist es ja nicht mehr…


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