Wenn gerade nicht Saison ist

Es war halt keine Saison…

Als im Februar in der Kreisstadt Erding ein traditionsreiches Sportgeschäft schloss, war das Gejammer groß, vor allem das des Betreibers. Denn schuld an der Schließung sind natürlich nicht er und seine Art der Geschäftsführung. Schuld haben immer die anderen, in diesem Fall die bösen Kunden. Die nämlich, so begründete der Inhaber seinen Schritt, blieben aus, kauften woanders: Draußen im Gewerbegebiet vor der Stadt, vor allem aber im Internet.

Aus, vorbei, geschlossen. Es war halt keine Saison

Also gehöre auch ich zu den Schuldigen

Denn ja: Ich bin so einer, der draußen im Gewerbegebiet nach Sportartikeln schaut oder sogar – noch verwerflicher – gelegentlich so etwas im Internet bestellt. Und wissen Sie was?
Das hat einen guten Grund. Die Helden-Badehose zum Beispiel habe online gekauft. Ohne zu zögern und ohne schlechtes Gewissen.

Und wissen Sie warum?

Weil der stationäre Handel in unserer Kreisstadt nämlich im Februar kaum Bademoden im Sortiment hatte.
„Ist gerade nicht Saison“, belehrt man mich bei einem Mitbewerber des mittlerweile geschlossenen Geschäfts. Man zeigt mir einen winzigen Ständer mit einer sehr reduzierten Auswahl. Fast nur Shorts, kaum Badehosen, keine Jammer, schon gar keine in schwarz-gold. Aber genau so eine sollte es sein: Eine schwarz-goldene Jammer-Badehose. Es ist ja vielleicht noch nachvollziehbar, dass es nichts in dieser Farbgebung gibt, aber alles andere ist für mich unverständlich. Keine Saison? Für den stationären Handel ist offensichtlich für Bademode nur von Ende März bis in den Juni hinein Verkaufszeit. Nur bis in den Juni?
Ja, denn im vergangenen Jahr scheiterte meine Frau Ende Juni bei dem Versuch, für den Bretagne-Urlaub einen neuen Badeanzug zu kaufen. Das Angebot in den traditionellen Geschäften in der Kreisstadt: Spärlich. Da hieß es ebenfalls: „Die Saison ist doch durch! Da hätten Sie Ostern kommen sollen, da war die Auswahl riesig.“

A ha – geschwommen wird also nicht oder nur noch wenig. Ein klassisches Sportgeschäft, dass kaum Badehosen für sportliches Schwimmen führt: Das sagt eigentlich alles. Jammer gibt’s nur wo? Richtig. Entweder im Gewerbepark oder im Internet.
Bademode ist wohl nur noch zum Schwimmen wenig geeignete Strandmode. Und wer im Herbst oder Winter ein neues Textil benötigt, weil er in eines der vielen Schwimmbäder der Region gehen möchte oder in die weltgrößte Therme, die sich keine fünf Kilometer entfernt von besagten Sportgeschäften befindet, der muss eben sehen, wo er seine Buxe herbekommt.

Schließung - das Geschäft hat zu, die Schaufenster sind leer

 

Das ist übrigens kein Einzelfall:

Als Freunde von uns im vergangenen Jahr ein Baby bekamen, wollten wir dem Nachwuchs unter anderem Babyschwimmflügel schenken. Gedacht war das als Gag und als kleine Reminiszenz, da der Vater des Babys ein guter Schwimmfreund von mir ist. Sie ahnen es: Es gab keine aufblasbaren Schwimmflügel in der Stadt.
„Keine Saison“, beschied man mir in beiden Sportgeschäften vor Ort, erst das Dritte draußen im Gewerbepark („die böse, böse Konkurrenz“) hatte welche, an der Kasse meines Schwimmbads hätte es nebenbei bemerkt welche gegeben. Und beim Spielwarenmarkt draußen im anderen Gewerbegebiet vielleicht auch.

Himmelherrgottsakra! Wann ist denn Eurer Meinung nach Saison für Schwimmflügel?

Der Vater des Kleinen hätte im September 2017 eine neue Schwimmbrille benötigt, da die alte nicht richtig saß und permanent Wasser zog. Auf dem Weg zum Weiher machten wir schnell einen Zwischenstopp. Nun raten sie mal, wie viele Modell dieses sogenannte Sportfachgeschäft von Frühherbst bis in den März vorrätig hat? Nur so viel: Sie haben mehr Finger an einer Hand. Schwimmbrillen gehören meiner Meinung nach zum ganzjährigen Sortiment eines Sportgeschäfts. So speziell ist das Produkt nun auch wieder nicht, dass man es im Winter in die Lager verräumt. Und nur noch mal zur Klarstellung: Vergangene Woche habe ich es extra noch mal vor Ort überprüft. Der verbleibende Händler hatte ganze zwei verschiedene Modelle im Regal.
Aber bitte: Schuld ist der Kunde, der unbedingt seine Produkte dann kaufen will, wenn die keine Saison haben und sich daher seine Sachen zunehmend im Netz bestellt. Da ist nämlich immer Saison.

Ein letztes Beispiel:

Das Ganze betrifft mitnichten nur Schwimmartikel. Im Juli 2017 schrottete ich meine Wanderstiefel im Gebirge von Euböa. Die Sohle wurde die letzten Kilometer am Ochi nur noch von einem Tape am Schuh gehalten, das Paar landete noch vor Ort im Müll.

Keine Saison zum Kauf neuer Wanderschuhe: Sommer 2017

Wieder daheim führte mich mein Weg in eben dieses lokale Sportgeschäft.

In meiner Größe (44, also nicht gerade selten) gab es genau EIN Paar zur Auswahl. Ansonsten präsentierte man mir ein gähnend leeres Regal. „Die Saison ist vorbei!“ belehrte man mich einmal mehr. Ende Juli. Man könne auch keine neue Ware mehr herbeischaffen.
„Erst wieder im Frühjahr!“

Was um Himmels Willen hat dann Ende Juli, noch vor Beginn der bayerischen Sommerferien Saison im Sporthandel? Was, wenn nicht Schwimm- oder Wandersachen? Skier, Schlittschuhe?

Sportgeschäft hat fertig - selbst Schuld

Zusdem frage ich mich: Wann, wenn nicht im September und Oktober fallen die Heerscharen der Bergwanderer in den Alpen ein, wenn die Wetterlage stabil und es nicht mehr so heiß ist? Kaufen die alle ihre neuen Schuhe bereits im Februar? Und was, wenn mal einer kaputt geht, so wie es mir passiert ist? Wo bekommt man dann neue her?

Und warum bietet zum Beispiel der riesige Globetrotter in München am Isartor solche Schuhe das ganze Jahr über an?
Warum ist der Laden immer gesteckt voll, egal, wann man ihn betritt?
Was machen die vielen Leute im Sommer dort? Was kaufen die? Es ist doch gar nicht Saison!

Ach hören Sie doch auf.


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3 Antworten

  1. Uli sagt:

    Hallo Lutz,

    eigentlich schade, da hab ich auch immer mal reingesehen, wenn ich in Erding war.

    Aber man kann sich manchmal nur wundern. Ich zum Beispiel wundere mich über die Öffnungszeiten bei uns im Ort. Der sich in den letzten 50 Jahren vom Bauerndorf zum Speckgürtel-Pendlerort für München gewandelt hat und dabei viele tausend Einwohner größer geworden ist. Man sollte meinen, dass die Geschäfte sich innerhalb zwei oder drei Jahrzehnten auf die Bewohner einstellen, die von morgens sieben Uhr bis abends sieben Uhr in München oder auf dem Weg sind: Längere Öffnungszeiten am Samstag oder zumindest ein- oder zweimal die Woche bis 20.00 Uhr öffnen. Aber nix, nada, niente. Die Öffnungszeiten bleiben wie in den Fünfziger Jahren. Spätenstens um 18.00 Uhr ist der Laden dunkel, am Samstag um 12.00 Uhr.

    Aber in Erding, in der relativ großen Stadt? Ein Sportgeschäft in Erding, in unmittelbarer Nähe zur riesigen Therme, das aber nicht ganzjährig Bademode in ausreichender Menge anbietet? Völlig unverständlich, zumal Bademode weder Geld- noch Platzfrage sein sollte.

    Genauso bei Wanderstiefeln. Die muss man in Südbayern einfach haben. Ganzjährig, aber vor allem Im Sommer, da beginnt die Saison doch erst richtig.

    Was ich allerdings nachvollziehen kann: Die Beschwerde über Leute, die sich beraten lassen und dann im Internet kaufen, wie ich es in der Lokalzeitung im Artikel zu Schließung dieses Geschäfts gelesen habe. Das ist arschlochig. Im Internet kaufen ist nicht arschlochig. Aber im Geschäft ausführlich beraten lassen und dann beim Onlinetandler kaufen, um fünf Euro zu sparen, das ist es schon.

    Obwohl auch das kein neues Phänomen ist. Im Studium habe ich auch im Facheinzelhandel gejobbt. Genau dasselbe Verhalten gab es schon in der Vor-Internet-Zeit: Beraten lassen im Fachhandel, dann beim neu eröffneten roten Discounter den Fernseher ein paar Mark billiger mitnehmen. Um dann den Fachhändler, den man dann doch für die Einrichtung der Programme brauchte, anzuranzen, weil er Geld dafür haben wollte. Hätte es beim Kauf dort gratis zur Gratis-Lieferung gegeben …

    Ich sollte ein grumpy old man Zweitblog eröffnen und über sowas schreiben.

    Viele Grüße
    Uli

    • zwetschgenmann sagt:

      Hallo Uli,
      danke für Deinen Kommentar. Ein Zweitblog eines „Grumpy old man“? – Ich würde es lesen. Weil ich selbst einer bin :)

      LG
      Lutz

  2. Naya sagt:

    Bei meinen lokalen Sportgeschäften gibt es Schwimm- und Wanderkleidung das ganze Jahr über. Was da schwierig ist und mich dann doch zum Onlinekauf treibt, ist daß Problem, daß bei vielen Sportkleidungsmarken und bei den Einkäufern der Sportladenketten anscheinend die Einstellung vorherrscht, daß dicke Menschen keine Sportkleidung kaufen. Badeanzüge (am besten mit gepolstertem Brustbereich, Röckchen dran oder so blöd geschnittenen Trägern, daß die prima rutschen), die gibt es vielleicht noch, ebenso Baumwollshirts und Jogginghosen – aber wer ernsthaft Schwimmen, Walken oder anderen Sport machen will, und dafür kraul-taugliche Schwimmanzüge und atmungsaktive Sportkleidung im Offlinegeschäft sucht, der muß leider schon halbwegs dünn sein, bevor man mit Bewegung startet. (Und die wenigen Läden, die sich auf dicke Leute spezialisiert hatten, hatten offline auch keine taugliche Sportkleidung, nur in ihrem Onlineangebot …)
    Das Saisonproblem kenne ich auch, aber eher von normaler Kleidung als von Sportsachen.

    Ich lasse mein Geld eigentlich lieber in örtlichen Läden, gern auch in denen, die Innenstädte beleben – aber wenn die partout nicht das verkaufen wollen, was ich brauche, dann kaufe ich zwar mit etwas Bedauern aber ohne schlechtes Gewissen eben doch im Netz.
    Wenn die Läden so blöd sind – und direkt in der Nachbarschaft einer großen Therme Badeartikel zur reinen Frühlingssaisonware zu deklarieren ist echt blöd! (was ist eigentlich mit der Badeseesaison, die hat für viele im Juni doch noch gar nicht angefangen? Und Wanderschuhe, die können doch das ganze Jahr zum Einsatz kommen!) – dann habe ich da kein Mitleid. Ein bißchen Bedauern, weil ich es schade finde, wenn etablierte Geschäfte in Innenstädten schließen, das ja. Aber kein Mitleid und erst recht kein schlechtes Gewissen.

    Offline sich beraten zu lassen und online zu kaufen, das ist Arschlochverhalten, auf jeden Fall. Aber das ist ja nochmal ein etwas anders gelagertes Thema als diese seltsamen Sortimentsgestaltungen.